(Irenäus, in seinem Werk: 'Über die Achtzahl', in: Eusebius, Kirchengeschichte, V.20.6)
Ich hoffe ihr seit Wohl auf, denn heute werden wir eines der wichtigsten Themen besprechen. In der heutigen Zeit gibt es viele Liberale NT-Kritiker die der Menschheit die Unzuverlässigkeit des NT aufdrücken. Aufgrund dessen, glaube ich wirklich, dass es in der biblischen Apologetik, eines der wichtigsten Themen ist, über die Zuverlässigkeit des Neuen Testament zu sprechen. Denn wir leben in einer Zeit, in der es das Internet gibt, wo es Fernsehen gibt, wo die Gegner des Glaubens überall seh- hör und lesbar sind, die eine Menge an Fehlinformation über unsere Glaubensauffassungen verbreiten.
Das Ergebnis davon ist, dass wir tagtäglich Angriffen auf die Zuverlässigkeit der Schrift ins Auge zu sehen haben. Uns muss klar sein, dass der naturalistische Materialismus heutzutage im akademischen Kontext vorherrschend ist. Dieser Materialismus sagt: Wenn man etwas nicht wiegen, nicht grafisch darstellen, nicht unter einem Mikroskop betrachten kann, dann existiert es nicht. Alles, was existiert, muss letztlich überprüf und messbar sein. Ebenso herrscht der Humanismus im Kontext der höheren Bildung in der westlichen Welt vor, der die Fähigkeiten und die Erkenntnisse des Menschen preist. Alles, was nicht unter der Denkvoraussetzung existiert, dass das Universum keinen Schöpfer hat und sich einzig auf Grundlage naturalistischen Denkens erklären lässt, wird a priori von vorn herein verworfen. Du glaubst an Wunder? Du glaubst an die Existenz eines Gottes?
Du
glaubst an die Existenz eines Schöpfers? Wie kannst du so dümmlich
sein, so unmodern und rückwärtsgerichtet? Das wird uns ständig
vermittelt. Deswegen werden christliche
Erklärungsansätze sofort ins Land der Mythen und Fabeln geschoben. Und in vielen Teilen
der westlichen Gesellschaft, besonders in Europa ist es so, dass jeder, der glaubt, dass ein
religiöser Text tatsächlich Wahrheit spricht, direkt unter Beschuss steht. Unsere Freiheit
über diese Dinge zu sprechen, ist in der westlichen Gesellschaft unter Beschuss und ich
glaube, dass diese Angriffe zunehmen werden. Die Medien sind voll von Leuten, die unsere
Auffassungen lächerlich machen und sagen: „Ihr seid in die Irre geführt worden''.
Einer
der bekanntesten Kritiker des NT ist Dr. Bart D. Ehrman, nach eigener
Aussage ein Ex Christ, der am „Moody Bible Institut“ sein
Theologiestudium abgeschlossen hat.
Dr. Ehrman hat einige Bücher geschrieben, eines davon hieß „Misquoting Jesus“, das in der New York-Times als Bestseller geführt wurde. Hier hören wir ein Beispiel von der Art von Präsentation, die in unserer Gesellschaft und Kultur oft von Leuten wie Dr. Ehrman gegeben wird.
Was sagt Dr. Bart Ehrman?
Was sollen wir davon halten?
Diese Art von Präsentation, die ein Mann abliefert, der als einer der führenden Gelehrten im Bereich der Textkritik gilt, hat viele dazu veranlasst, ihren Glauben an die Zuverlässigkeit des Textes des Neuen Testamentes an sich zu verlieren. Wir sehen hier einen Mann, der sich vom christlichen Glauben abgewandt hat. Man mag sagen: Nun, dafür muss es ja einen Grund geben. Oft, wenn ich mit Leuten spreche, die sich vom Glauben abgewandt haben, stellt sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass die Gründe nicht unbedingt da lagen, wo zuerst behauptet. Tatsache ist, dass ,,Gelehrte'' für ihre Beweise gerne Fakten verdreht darstellen, besonders im Kontext mit den Massenmedien. Bart Ehrman war überall zu hören über das ,,National Public Radio''. Wenn er irgendeinen Gedankenanflut hat, muss das ins Radio. Unglaublich. Aber sie wollen dort keine Gegenstimme geben, die auf das eingeht, was er sagt. Leute, die den Christlichen glauben verteidigen, wird kaum eine Plattform gegeben, denn unsere Gesellschaft will nicht glauben. Die Leute wollen Gründe um den Glauben abzulehnen und Leute wie Bart Ehrman liefern diese Gründe. Ihr habt Dr. Ehrman gerade gehört, wie er sagte: ,,Alles, was wir haben sind Kopien von Kopien von Kopien von Kopien Jahrhunderte nach den urspünglich verfassten Texten.''
Ca. 1750 Jahre nach Irenäus schrieb C.S. Lewis, engl. Literaturhistoriker an der Universität Cambridge und ehemaliger, überzeugter Atheist, über sein inneres Ringen, als er anfing die Wahrheit des NT zu erkennen, es aber nicht wahrhaben wollte: "Anfang 1926 saß mir in meinem Zimmer der hartgesottenste aller Atheisten, die ich je kannte, am Kamin gegenüber und bemerkte, die Beweislage für die Historizität der Evangelien sei überraschend gut. 'Komische Sache', fuhr er fort. 'Dieses ganze Zeug von Frazer über den sterbenden Gott. Komische Sache. Es sieht fast so aus, als wäre es tatsächlich einmal geschehen.'. Um die niederschmetternde Wirkung auf mich zu begreifen, die das auf mich hatte, müßten sie den Mann kennen (der seither bestimmt niemals wieder irgendein Interesse am Christentum zeigte). Wenn er, der Zynischte aller Zyniker, der Zäheste aller Zähen, nicht - wie ich es immer noch ausgedrückt hätte - »gefeit« war, wohin sollte ich mich wenden? Gab es denn keinen Fluchtweg?" (C.S.Lewis, Überrascht von Freude, 1992, Brunnen Verlag, Gießen, übs. der engl. Ausgabe »Surprised by Joy. The shape of my early life«, S. 268)
Die Ausgaben des Neuen Testaments
a) Entstehung des Textus receptus und seine Entwicklung
Bevor wir die Historische/-allg. Zuverlässigkeit, sowie angebliche Fehler im NT besprechen, sollten wir uns erstmal mit den Ausgaben des NT vertraut machen.
Der Bibeldruck beginnt mit einer lateinischen Bibel, zwischen 1452-56 (das genaue Datum lässt sich allerdings nicht festlegen) kam Gutenbergs sog. 42zeilige Bibel in Mainz auf den Markt. Nur noch wenige Dutzende von Examplaren existieren heute, mehrere Millionen Mark muss man für eines davon bezahlen. Mit der Erfindung des Buchdrucks beginnt ein neues Zeitalter - aber nicht für das griechische Neue Testament. Bis in den Anfang des 16 Jahrhunderts musste man warten, bis es gedruckt vorlag - inzwischen waren über 100 Drucke der lateinischen Bibel, mindesten drei des hebräischen Alten Testaments, ja sogar mehrere Drucke des griechischen Psalters erschienen ebenso wie nicht wenige von Bibelübersetzungen ins Deutsche, Französische, Italienische, usw. Anscheinend waren die Theologen der Zeit mit dem lateinischen Text des Neuen Testaments vollauf zufrieden, wer den griechischen heranziehen wollte, musste sich eine Handschrift beschaffen. Dafür erschienen im Anfang des 16. Jahrunderts gleich zwei Ausgaben: Am 10. Januar 1514 wurde der Druck des neutestamentlich Teils der sog. Complutensis beendet, am 1. März 1516 wurde das Novum Instrumentum omne des Humanistenfürsten Erasmus von Rotterdam bei Froben in Basel veröffentlich und in den Handel gebracht. Die Ausgabe des Erasmus, obwohl später fertiggestellt, hat den Ruhm der Erstausgabe (editio princeps) des griechischen Neuen Testaments davongetragen. Welche Handschriften benutzte Erasmus? Er nahm die ihm in Basel bequem zugänglichen Handschriften, für jede Schriftengruppe des Neuen Testaments (Evangelien, Apostolos - d.h Apostelgeschichte und Katholische Briefe -, Paulus, Offenbarung) eine, korrigierte in sie hinein, was er für erforderlich hielt, und gab sie dann direkt in die Druckerei. Für die Offenbarung des Johannes war Erasmus in Basel keine Handschrift zugänglich, er entlieh sie bei seinem Freund Reuchlin. Hier fehlte der Schluss der Offenbarung, Erasmus übersetzte daraufhin 22:16-21 einfach aus dem Lateinischen ins Griechische zurück (undzwar mit verschiedenen Fehlern). Nun sind die zahlreichen Fehler, die die Erstausgabe des griechischen Neuen Testaments enthielt, nicht das entscheidene Manko der Ausgabe, sondern die Textform, die sie hat. Erasmus hatte Handschriften des 12. / 13. Jahrhunderts zugrundegelegt, die sämtlich den byzantinischen Reichstext, die Koine, den Mehrheitstext - und wie man diese Textform immer nennen will - enthielten, d.h. den spätesten und schlechtesten der verschiedenen Texttypen, in denen das Neue Testament überliefert ist - und seine Nachfolger haben das gleiche getan. Das erklärt sich daraus, dass diese Textform im 14./15. Jahrhundert die handschriftliche Überlieferung beherrschte, so ging man selbst da nicht auf die Majuskel zurück, wo man Zugang zu ihnen hatte: Erasmus hätte in Basel daurchaus die Majuskel E aus dem 8. Jahrhundert benutzen können (allerdings hätte er in ihr auch nur einen Zeugen für den - wenn auch frühen - byzantinischen Text gefunden), Beza den Codex Bezae Cantabrigiensis (D EA) und den Codex Claromontanus (DP), die beide in seinem persönlichen Besitzt waren - beide haben es unterlassen. Nun müssen wir im Falle von Beza (Freund und Nachfolger Calvins in der Leitung der Genfer Kirche, der 1565-1604 nicht weniger als 9 Ausgaben des griechischen Neuen Testaments veröffentlichte) dafür sogar dankbar sein, denn wenn der Text des Codex Bezae Cantabrigiensis die Ausgaben der Frühzeit beherrscht hätte, wäre es noch schwieriger gewesen, ihn zu überwinden, als das beim Textus Receptus der Fall war, wofür die Wissenschaft über 300 Jahre gebraucht hat. Als Textus Receptus wird der Text jener Ausgaben von Erasmus ab bezeichnet, seit ein geschäftstüchtiger Verleger (Elzevier 1633) ihn folgendermaßen anpries: Textum ergo habes, nunc ab omnibus receptum: in quo nihil immutatum aut corruptum damus (= du hast hier einen Text in der Hand, der von allen angenommen ist und in dem wir nicht verändert oder verdorben wiedergeben). Tatsächlich sind die Ausgaben von Erasmus an keineswegs im Text gleich, schon die erste nach dessen insgesamt fünft (immer erneut revidierten) Ausgaben erschienene von Colinaeus 1534 (Simon de Colines) wich von ihnen an nicht wenigen Stellen ab, und zwar infolge des Rückgangs teils auf die Complutensis, teils auf neu herangezogene Handschriften. Den größten Einfluss nach Erasmus haben auf das 16. Jahrhundert die Ausgaben des Franzosen Robert Estienne (Stephanus, 1503-1559) und auf das 17. Jahrhundert die der holländischen Verlegerfamilie Elzevier gehabt. Wir überspringen Estienne und Elzevier und gehen zu den Polyglotten. Das sind Bibelausgaben, die nach dem Vorbild der Complutensis nicht nur den hebräischen und griechischen Urtext mit begleitender lateinischer Übersetzung, sondern parallel zu ihnen auch alle sonst erreichbaren alten Übersetzungen wiedergaben. Diese Polyglotten zeigen, welche Mühe in die Feststellung des Textes des Neuen Testaments investiert wurde - aber ohne eigentlichen Erfolg. Denn solange man bei der Grundlage des Textus Receptus blieb, der damals kanonische Bedeutung gewann, war ein eigentlicher Fortschritt nicht möglich. Die Anschauung von der Verbalinspiration, d.h. der irrtumsfreien Eingebung, welche die Orthodoxie beider evangelischer Konfessionen mit Nachdruck verfocht, setzt den Textus Receptus vorraus, mit allen - von heute aus gesehen - Irrtümern, z.B mit allen Zusätzen, über deren sekundären Charakter kein Zweifel sein kann. Der damalige Dekan von Christ Church und spätere Bischof von Oxford, John Fell, hatte für seine Ausgabe des griechischen Neuen Testaments von 1675 bereits mehr als 100 Handschriften benutzt und von den Übersetzungen über die für die Londoner Polyglotte genannte hinaus auch die koptische und gotische. Aber diese indirekte Kritik am Textus Receptus hatte noch zu keinen Änderungen an ihm geführt. Zwar wurde sie zunehmend stärker - schon 1672 hatte der Helmstedter Professor Johann Saubert Varianten dazu gesammelt, aber erst im 18. Jahrhundert beginnt man, den Textus receptus direkt dadurch anzugreifen, dass man nicht nur einen immer umfangreicher werdenden kritischen Apparat zu ihm aus den Lesearten der Handschriften und Übersetzungen hinzufügt, sondern auch entweder angibt, welche Lesearten besser ist als der Text, oder durch ihre Einfügung den Textus Receptus direkt korrigiert. Zuerst waren es die Engländer, die diese Entwicklung vorantrieben: John Mill mit seiner Ausgabe von 1707, Richard Bentley mit seinen Proposals von 1720, Edward Wells und Daniel Mace mit ihren Ausgaben von 1709/19 und 1729 (hier wird der Textus receptus bereits an einer Reihe von Stellen verändert). Dann übernahmen die Deutschen Bengel und Griesbach sowie der in Holland lebende Schweizer Wettstein die Führung. Johann Albrecht Bengel (1687-1752) druckt in seiner Ausgabe von 1734 zwar den Textus receptus ab (allerdings nicht nach einer Ausgabe, wie seine Vorgänger und Nachfolger, sondern unter Heranziehung mehrere, aus denen er jeweils die ihm richtig erscheinende Leseart auswählt). Aber er gibt jeder Leseart des Apparates eine Klassifizierung mit, deren beide ersten (a= sicher für ursprünglich zu halten; ß = dem Textus receptus überlegen, ohne dass man das allerdings mit absoluter Sicherheit sagen könne) praktisch einer Revision des Textus receptus gleichkamen. Bei der Offenbarung schritt Bengel von vornherein zu einer Neukonstituierung des Textes, wobei er - ganz modern - dem Codex Alexandrius (A), aber auch dem Kommentar des Andreas von Cäsarea zur Apolkalypse eine besondere Stellung einräumte. Johann Jakob Wettstein (1693-1754) hat mit seiner zweibändigen Ausgabe von 1751/52 die Bengels dann in den Schatten gestellt. Die Zahl der von ihm dafür herangezogenen Handschriften übertraf alles bis dahin Dagewesene entscheidend, sein Apparat an Parallelstellen aus den jüdischen und heidnischen Schriftstellern zum Neuen Testament wird bis heute noch benutzt. Er hat auch die Bezeichnung der Handschriften durch Sigla eingeführt: der Majuskeln durch Buchstaben, der Minuskel durch Zahlen. Dieses System hat bis ins 20. Jahrhundert forbestanden, erst damals hat Gregory es (unter Beibehaltung der Grundsätze) zur heute üblichen Form fortentwickelt. Johann Jakob Griesbach (1745-1812) hat dann die Editionen des 18. Jahrhunderts mit seiner Ausgabe von 1775/77 (zweite Ausgabe 1796/1806) auf die abschließende Höhe geführt. Seine Wirkungen sind außerodentlich (zahlreiche Ausgaben folgen seinem Vorbild), aber sie sind in der Gegenwart in der Gefahr der Überschätzung: gewiss redete er als erster von den Synoptikern, aber seine damit zusammenhängende Theorie ist nicht aufrecht zu erhalten. Gewiss spricht er von drei Textformen: der abendländischen (= westlichen), der alexandrinischen und der byzantinischen, so wie wir es bis tun, aber er ist dabei von Semler abhängig, der seinerseits auf Bengel zurückgeht. Gewiss hat Griesbach den Textus receptus abgeändert, aber keineswegs in solchem Maße, dass er damit wesentlich über die von Bengel in seinen beiden ersten Gruppen gegebenen Änderungsvorschläge himkäme (auch Wettstein, der die nach seiner Meinung richtigen Lesearten zwischen den von ihm abgedruckten Textus receptus und den kritischen Apparat stellt, bleibt zahlenmäßig hinter Bengel zurück). Die entscheidenen - und bis heute geltenden - Grundsätze der Textkritik sind bereits von Bengel formuliert worden. Ihm wird für das 18. Jahrhundert die Palme gereicht werden müssen.
b) Die Wendung
Die entscheidene Schlacht gegen den Textus receptus und für eine Rückkehr zur frühen Textform wurde erst im 19. Jahrhundert geschlagen, und zwar durch den Berliner Professor der klassischen Philologie Karl Lachmann (1793-1851). Bereits 1830 trug er sein Programm vor: weg vom späten Text des Textus receptus und zurück zum Text der Kirche des ausgehenden 4. Jahrhunderts! Diese Losung bestimmte die Arbeit der folgenden Generationen. Was Lachmann als Programm vortrug, ist dann von Constantin von Tischendorf (1815-1874) verwirklicht worden. Die erste Großtat, die er vollbrachte, war die Entzifferung des Codex Ephraemi Syri rescriptus (C), einer Handschrift des griechischen Neuen Testaments aus dem 5. Jahrhundert, die später abgewaschen und neu mit Abhandlungen des syrischen Kirchenvaters Ephraem überschrieben worden war (eines sog. Palimpsestes).Am spektakulärsten war seine Entdeckung des Codex Sinaiticus im Katharinenkloster auf dem Sinai. Seit 2009 lässt sich der Codex Sinaiticus im Internet vollständig einsehen. Daneben steht noch die Auffindung zahlreicher anderer Majuskel (21, wenn wir richtig Zählen), wenn auch kleineren Umfangs und geringer Bedeutung, auf seinen (mit Unterstützung des Zaren Nikolaus I. unternommen) Reisen in den Orient, sowie der Auswertung von vielen (23?) anderen bisher vernachlässigten. Die Krönung seiner Ausgaben des Neuen Testaments stellt die editio octava critica maior von 1869/72 dar. Dass vor kurzem noch (1965) ein Nachdruck der Ausgabe erschien, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie auch nach über 100 Jahren von aktueller Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit ist. Tischendorf bietet das Material, das zu seiner Zeit bekannt war, vollständig und zuverlässig, wobei das zweite keineswegs selbstverständlich ist. Welche Leistung das war, zeigt sich daran, dass die in der Vergangenheit mehrfach unternommenen Versuche, Tischendorf durch eine Ausgabe zu ersetzten, die auf die gleiche Weise alles bekannte Material an griechischen Handschriften, alten Übersetzungen und Kirchenväterzitaten bot, sämtlich gescheitert sind, in neuster Zeit begenonne Versuche sind noch weit vom Abschluss entfernt. Gewiss verwertet Tischendorf nur etwa 64 Majuskel - wir kennen heute über 300-, nur einen Papyrus (und zwar unvollständig)- wir kennen heute 116 - und von den uns heute bekannten 2812 Minuskeln nur einen ganz geringen Bruchteil, aber - wie schon gesagt - was er bietet, ist vollständig und zuverlässig. Welche Bedeutung Tischendorf dem von ihm gefundenen Codex Sinaiticus zuschrieb, ergibt sich schon aus der Tatsache,
dass er ihm das Siegel א gab. Manche Neutestamentler haben ihm das verübelt und führen den Sinaiticus unter dem Siegel S (wodurch nur Konfusion hervorgerufen wird, denn mit S wird seit vielen Generationen eine Evangelienmajuskel in Rom aus dem Jahre 949 bezeichnet). Für Tischendorf bedeutet das Siegel (s.o) auch die entscheidene Norm bei seiner Festlegung des Textes - hier spielt nicht nur der Entdeckerstolz eine gehörige Rolle, sondern bis zu einem gewissen Maß sind es auch Sachgründe: zum Codex Vaticanus (B) erhielt Tischendorf in den Anfängen seiner Arbeit nun sehr unvollkommen Zugang, denn der Kadinal Mai, welcher selbst eine Ausgabe der Handschrift veröffentlichten wollte, behinderte ihn nach Kräften an ihrem Studium. Als dessen Ausgabe dann 1857 (erneuert und verbessert 1859) erschien und völlig als die erste Reproduktions-Ausgabe 1868/72 veröffentlich wurde, war es zu spät, die Grundlage der Ausgabe zu ändern, ganz abgesehen davon, dass Tischendorfs Grundüberzeugungen damals schon viel zu fest geprägt waren. Anders war die Situation für die Engländer Brooke Foss Westcott (1825-1901, Professor in Cambridge, später Bischof von Durham) und Fenton John Anthony Hort (1828-1892, Professor in Cambridge), deren Ausgabe: The New Testament in the Original Greek 1881 erschien. Für sie bedeutete der Codex Vaticanus den Leitstern, meinten sie doch, in ihm den Repräsentanten des neutralen Textes gefunden zu haben, der über die drei Textformen des alexandrinischen, byzantinischen und westlichen Textes hinaus dem Urtext ganz nahe kam, vor allen Dingen dann, wenn er mit Sinaiticus zusammen ging. Nun gibt es für das Neue Testament keinen neutralen Text. Nicht einmal P75, der dem Codex Vaticanus textlich so nahe steht, dass er in den von ihm überlieferten Teilen von Lukas und Johannes beinahe als dessen Vorlage angesehen werden könnte, kann so bezeichnet werden, obwohl er über 150 Jahre älter ist - alle Handschriften des Neuen Testaments bieten einen lebendigen Text. Außerdem gilt für den Codex Vaticanus, dass er in der Textqualität in den Paulusbriefen abfällt; in den Evangelien und sonst ist er dem Codex Sinaiticus (und allen andern Majuskeln) weit überlegen, in den Paulinen gilt das nicht. Nun stammt der Codex Vaticanus (wie der Codex Sinaiticus) aus der 2.Hälfte des 4.Jahrhunderts, so muss es verwundern, mit welchem Mut Westcott/Hort behaupten, ihre Ausgabe biete das Neue Testament in the original Greek. Denn im Gegensatz zu unserer Generation, die über eine Fülle von Zeugen aus der Zeit davor bis in den Anfang des 2. Jahrhunderts verfügt, endete für Westcott/Horz die direkte Bezeugung des neutestamentlichen Textes im 4. Jahrhundert. Nun machen wir einen kleinen Zeitsprung über Tregelles zu Eberhard Nestle.
c) Novum Testamentum Graece
Im Jahre 1898 wurde die erste Ausgabe des Novum Testamentum Graece von dem deutschen Theologen und Orientalist Eberhard Nestle rausgebracht. Die Ausgabe verfolgte das Ziel, die damals neuen wissenschaftlichen Textausgaben von Tischendorf, Westcott/Hort und Weymouth zusammenzufassen. Der Text konstituierte sich jeweils durch die Mehrheit der drei Ausgaben (ab der 3. Auflage wurde Weymouth durch Bernhard Weiß ersetzt). Damit begann die Bedeutung des bis dahin beherrschenden Textus receptus zu schwinden. Nestle verwendete bereits einen Textapparat, der die von ihm benutzten Textausgaben verzeichnete. Sein Sohn Erwin Nestle entwickelte dann in der 13. Auflage von 1927 die Grundlagen des auch heute noch verwendeten Textapparates. Dort wurden vor allem erstmals die Lesarten der Handschriften, Übersetzungen und antiken Verweisstellen selbst in den Vordergrund gestellt. Ab der 17. Auflage begann er auch, von dem rein mechanischen Mehrheitstext der oben erwähnten drei Ausgaben abzuweichen und Änderungen, basierend auf neuen Erkenntnissen, zuzulassen. Mit der 21. Auflage von 1952 wurde Kurt Aland Mitarbeiter der Edition. Hier wurde der Apparat durchgängig mit den Originalhandschriften abgeglichen. Vor allem wurden auch die seit 1930 neu gefundenen Papyri aus dem 2. und 3. Jahrhundert einbezogen. Mit der 26. Auflage von 1979 ist der Text des Novum Testamentum Graece identisch mit der Textausgabe des Greek New Testament. Es bietet aber den wesentlich umfangreicheren Apparat und unterscheidet sich in Absatzgliederung, Orthographie und Zeichensetzung. Beide Ausgaben werden heute vom Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster betreut. In der 26. Auflage wurde von Kurt Aland auch die heute noch gültige Form von Text und Apparat neu gestaltet. Die 27. Auflage behielt den Text der 26. Auflage bei, erweiterte aber den Apparat, die 28. Auflage veränderte den Text an ca. 30 Stellen in den katholischen Briefen.
Die Hauptquellen für das Novum Testamentum Graece werden von den Herausgebern wegen ihres Alters und ihrer Wichtigkeit als ständige Zeugen bezeichnet. Dazu gehören vor allem folgende Handschriften in griechischer Sprache:
die Papyri P45, P66 und P75 (2. bis 3. Jahrhundert)
der Codex Sinaiticus (ℵ, 4. Jahrhundert),
der Codex Vaticanus (B, 4. Jahrhundert)
der Codex Bezae (auch Codex Cantabrigiensis genannt, D, 5. oder 6. Jahrhundert)
Bis auf den Codex Vaticanus (seit 1475 im Vatikan) und den Codex Bezae sind die genannten Handschriften erst wieder im 19. oder 20. Jahrhundert aufgefunden worden und bieten daher heute eine seit den neutestamentlichen Anfängen nicht mehr da gewesene Qualität an Textüberlieferungen, die seit der 26. Auflage auch dem Novum Testamentum Graece zu Grunde liegen. Die neusten Schriften der Bibel basieren zuweit alle auf der Grundlage der modernen textkritischen Ausgabe des Novum Testamentum Graece 28. Soweit ein Grundbau der Geschichte.
*Für eine ausführliche Studie s.u die aufgenannten Quellen
Textus Receptus oder Nestle-Aland?
a) Welches ist der richtige Text des Neuen Testaments?
Nachdem es in den USA schon geraume Zeit eine Auseinandersetzung über die Frage gibt, ob der Urtext des Neuen Testaments durch den sog. Textus Receptus (d.h. der „anerkannte Text“, der zur Reformationszeit vorlag) oder durch moderne wissenschaftliche Ausgaben wie etwa der Nestle-Aland richtig wiedergeben wird, hat dieser Streit seit kurzem auch im deutschsprachigen Raum Fuß gefasst. Weil zahlreiche Gläubige dadurch im Vertrauen auf die Bibel als das inspirierte und unfehlbare Wort Gottes verunsichert sind, soll ihnen mit der vorliegenden kurzen Gegenüberstellung der Hauptargumente eine Hilfe geboten werden.
Behauptung:
Die sog. „Lukianische Rezension“ im 4. Jahrhundert, auf die der Mehrheitstext zurückgehen soll, ist eine willkürliche Annahme, für die es keine geschichtlichen Beweise gibt.
Tatsache:
Diese Beweise gibt es durchaus. Hieronymus z.B. berichtet im Vorwort zu seiner Revision der Evangelien, dass er die Hand- schriften, die auf Lukian und Hesych zurückgehen, nicht verwendet habe, da diese den griechischen Text „korrigiert“ und durch Zusätze erweitert hätten
(Merkmale des Mehrheitstextes und des sog. „D-Textes“!); doch ein Vergleich mit älteren (!) Handschriften und Übersetzungen zeige, dass ihre Korrekturen falsch seien.
Der Textus Receptus [nachfolgend TR abgekürzt] ist der von Gott bewahrte Text. Er ist eine getreue Wiedergabe des inspirierten Originaltextes.
1. Wäre der TR der Urtext, dann müsste es durch die ganze Kirchengeschichte Handschriften von ihm geben. Doch die ältesten bekannten Handschriften sind alle eindeutig vom alexandrinischen Texttyp.
2. Erst 1516 schuf Erasmus von Rotterdam in nur fünf Monaten den TR als Bearbeitung weniger später Handschriften des Mehrheitstextes.
3. Da ihm nur eine griechische Handschrift der Offenbarung vorlag, welcher der Schluß fehlte, übersetzte Erasmus diesen aus dem Lateinischen zurück ins Griechische. Auch ergänzte er den griechischen Text von Apg 9,5f durch die damals verbreitete erweiterte lateinische Fassung. Erasmus schuf so Lesarten, die es in keiner einzigen griechischen Handschrift gibt.
4. Es gibt verschiedene Ausgaben des TR, die in zahlreichen Einzelheiten voneinander abweichen. Welche davon ist der „wahre Urtext“?
Der TR überliefert die reine Lehre des Evangeliums, während der Nestle-Aland [nachfolgend NA abgekürzt] Irrlehren unterstützt.
1. Das Evangelium wird insgesamt sowohl vom TR als auch vom NA zuverlässig und unverfälscht überliefert. Die Unterschiede zwischen beiden Textausgaben sind minimal (ca. 1-2% des Gesamttextbestands).
2. Keine einzige christliche Lehre wird durch die unterschiedlichen Lesarten in Frage gestellt.
3. Die von Befürwortern des TR angeführten Beispiele beruhen meist auf einem falschen bzw. einseitigen Verständnis der betreffenden Bibelstellen. In Einzelfällen ist es sogar genau umgekehrt, dass der TR lehrmäßig falsche Lesarten bietet.
Textkritik ist Bibelkritik bzw. zeigt eine geistliche Wesensverwandtschaft zur Bibelkritik auf.
1. Textkritik will nicht die Bibel kritisieren, sondern den Urtext durch Vergleich der vorliegenden Handschriften ermitteln, wo es durch Abschreibfehler zu unterschiedlichen Lesarten gekommen ist.
2. Für bibeltreue Christen, die an die Inspiration und Unfehlbarkeit der Bibel glauben, ist Textkritik deshalb sogar von größter Wichtigkeit, um den ursprünglichen Wortlaut der Bibel zu rekonstruieren.
3. Auch die Herausgeber des TR bzw. von TR-Bibeln haben Textkritik betrieben, indem sie verschiedene Handschriften bzw. Textausgaben verglichen und die ihrer Meinung nach ursprüngliche Lesart übernommen haben.
Die Vertreter der modernen textkritischen Ausgaben des griechischen NT waren bzw. sind Irrlehrer oder zumindest irregeführt, die des TR hingegen rechtgläubig.
1. Rechtgläubige wie auch Liberale finden sich sowohl unter Befürwortern des Mehrheitstextes bzw. TR als auch unter Befürwortern eines anhand älterer Handschriften revidierten Textes.
2. Rechtgläubigkeit ist kein Argument dafür, ob der Standpunkt einer Person sachlich richtig ist. Gläubige können irren, wie auch Ungläubige etwas richtig erkennen können.
Westcott und Hort waren Spiritisten.
Diese Behauptung ist nachweislich falsch.
Die alexandrinischen Textzeugen stammen aus Ägypten. Ägypten aber war das Zentrum gnostischer Irrlehren, was sich auf diese Handschriften niederschlug. Irrlehrer gab und gibt es auf der ganzen Welt – auch in Byzanz, woher der Mehrheitstext stammt! Würde diese Logik stimmen, dann könnten wir keiner einzigen Bibelhandschrift mehr trauen.
Auch wenn die griechisch-orthodoxe Kirche einen ganz ähnlichen geistlichen Niedergang und Abfall vom wahren Glauben durchmachte wie die katholische Kirche des Westens, wurde sie doch durch Gottes Vorsehung und Wirken zur Hüterin des ursprünglichen Textes [...]
Seltsam: Die alexandrinischen Handschriften sind also zwangsläufig korrupt, weil sie aus einer Gegend stammen, in der Irrlehrer dominierten; die griechisch-orthodoxe Kirche hingegen ist trotz ihrer Irrlehren die „Hüterin des ursprünglichen Textes“?Aus welchem objektiv nachvollziehbaren Grund soll es nur so und nicht anders sein?
Die alexandrinischen Lesarten waren Erasmus und den Reformatoren bekannt, doch sie verwarfen diese als minderwertig.
1. Die alexandrinischen Handschriften lagen den Reformatoren noch nicht vor. Sie wurden meist erst später, vor allem im 19. Jahrhundert entdeckt.
2. Erasmus stellte vielmehr Lesarten in Frage, die auch im Mehrheitstext gar nicht oder nur schlecht bezeugt wurden (z. B. Joh 7,53-8,11; Apg 9,5f; 1Jo 5,7f).
Einige wenige Handschriften [damit sind wohl vor allem der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus gemeint] können unmöglich die überwiegende Mehrheit korrigieren.
1. Hat die Mehrheit immer recht? Wird ein Fehler dadurch richtig, dass er tausendfach vervielfältigt wird?
2. Auch der TR weicht an einigen Stellen vom Mehrheitstext ab; dennoch sollen dann die Lesarten des TR statt des Mehrheitstextes den Urtext richtig wiedergeben. – Eine seltsame Inkonsequenz!
Die Textkritik behandelt die Mehrheit der griechischen Handschriften unfair, da sie diese in der Regel unberücksichtigt lässt.
In der Textkritik wird der Mehrheitstext nicht ignoriert, sondern meist wie ein einziger Zeuge behandelt, gerade weil die Übereinstimmung aufgrund der gemeinsamen Abstammung der Handschriften so groß ist. Nicht deren Menge ist ausschlaggebend, sondern ihre Qualität. Diese muss durch sorgfältiges Vergleichen und Abwägen ermittelt werden, nicht durch bloßes Zählen.
Die alexandrinischen Handschriften lassen viele von 90% der Handschriften bezeugten Worte der Heiligen Schrift aus, ersetzen andere durch dunkle und schwer verständliche Wendungen, enthalten zahlreiche Widersprüche und grammatikalische Fehler.
1. Hier wird als Tatsache behauptet, was erst zu beweisen wäre: Wenn der TR bzw. der Mehrheitstext nämlich nicht der Urtext ist, können die alexandrinischen Handschriften auch nichts von ihm auslassen oder ersetzen.
2. Dass manches in der Schrift schwer verständlich ist, bescheinigt bereits 2Pt 3,15f.
3. Viele angebliche Widersprüche erklären sich auch als Missverständnisse seitens des Lesers.
4. Viele angebliche grammatikalische Fehler sind Eigenheiten der im NT verwendeten Koiné, der Sprache des einfachen Volkes – und nicht der Philosophen und Gelehrten.(Wenn es Gott gefallen hat, das von der Welt Verachtete zu erwählen, warum wird dann lupenreines klassisches Griechisch verlangt?)
5. Genau umgekehrt passt gerade der spätere Mehrheitstext das scheinbar „falsche“ Griechisch der älteren Handschriften dem klassischen Griechisch an.
6. Fehler kommen zudem in jeder Handschrift vor (auch im Mehrheitstext!), was sich einfach aus der Natur der Sache erklärt, da das Abschreiben von Hand ermüdend ist.
Der Mehrheitstext kommt aus der Gegend, wo die ursprünglichen Empfänger der neutestamentlichen Briefe zuhause waren (Kleinasien und Syrien). Er steht deshalb den Originalen am nächsten, da die Abschriften problemlos mit diesen verglichen werden konnten.
Diese Meinung lässt völlig außer acht, dass gerade in dieser Gegend die schwersten Christenverfolgungen stattfanden. Hierdurch wurden neben den Originalen auch zahlreiche Abschriften vernichtet. Zudem sind die ältesten Handschriften durchwegs alexandrinisch. Es gibt keine Handschriften des Mehrheitstextes aus der Zeit vor dem 4. Jahrhundert!
Die Funde alter Papyrushandschriften zeigen ebenso wie alte „Kirchenväter“-Zitate und Übersetzungen, dass die „Mehrheitstext“-Überlieferung schon vor dem 4. Jahrhundert existiert haben muss.
1. Die frühen Papyri und Übersetzungen weisen nur vereinzelt Lesarten auf, die sich im Mehrheitstext bzw. TR wiederfinden, sonst sind sie alexandrinisch. Der Mehrheitstext hingegen kombiniert nahezu alle bis dahin bekannten Lesarten.
2. Die Kirchenväter zitierten in ihren Kommentaren erst den Bibeltext und legten ihn dann aus. Spätere Abschreiber pflegten die Schriftzitate „nach denen bei ihnen selbst in Gebrauch stehenden Handschriften – und nicht nach der Vorlage – wiederzugeben ... die vom betr. Kirchenvater benutzte Textform ... kann nur aus dem anschließenden Kommentar mühsam im Wortlaut herausdestilliert werden.“ Die Zitate des Mehrheitstextes gehen also nicht auf die Kirchenväter im Original zurück, sondern auf die Abschreiber.
Dass es keine Handschriften des Mehrheitstextes vor dem 4. Jahrhundert gibt, liegt am feuchtwarmen Mittelmeerklima, in dem Hand- schriften nur eine Lebensdauer von normalerweise 150-200 Jahren haben. Die alexandrinischen Handschriften hingegen blieben im trocken-heißen Wüstenklima Ägyptens erhalten.
Im Mittelmeerraum ist es nicht feucht-warm, sondern überwiegend trocken. Noch heute lagern viele sehr alte Handschriften in Griechenland und Italien.Die ältesten uns erhaltenen Handschriften des Mehrheitstextes (der Codex Alexandrinus und der Codex Ephraëmi Rescriptus jeweils in den Evangelien), sind aus dem 5. Jh., also nur rund 100 Jahre jünger als der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus.
Die sog. „Lukianische Rezension“ im 4. Jahrhundert, auf die der Mehrheitstext zurückgehen soll, ist eine willkürliche Annahme, für die es keine geschichtlichen Beweise gibt.
Diese Beweise gibt es durchaus. Hieronymus z.B. berichtet im Vorwort zu seiner Revision der Evangelien, dass er die Hand- schriften, die auf Lukian und Hesych zurückgehen, nicht verwendet habe, da diese den griechischen Text „korrigiert“ und durch Zusätze erweitert hätten (Merkmale des Mehrheitstextes und des sog. „D-Textes“!); doch ein Vergleich mit älteren (!) Handschriften und Übersetzungen zeige, dass ihre Korrekturen falsch seien.
Fazit: Weder der Textus Receptus noch der Nestle-Aland geben Anlass dazu, das Evangelium neu zu definieren. Die Behauptung, moderne textkritische Ausgaben des Griechischen NT beruhten auf gnostisch gefärbten Handschriften und verfälschten das Wort Gottes, muss als unhaltbar zurückgewiesen werden.
Obwohl der Textus Receptus eine relativ schlechte Bearbeitung nur weniger später Handschriften ist, stimmt er mit dem Nestle-Aland insgesamt doch in erstaunlich hohem Maß überein. Man kann daher nur dankbar anerkennen, dass Gott sein Wort durch die Jahrhunderte trotz aller menschlichen Fehler bewahrt hat. Wo beide Ausgaben voneinander abweichen, ist in der Regel dem Nestle-Aland-Text der Vorzug zu geben, da dieser als Ergebnis jahrzehntelanger gründlicher Forschung nahezu alle bekannten Handschriften, insbesondere die ältesten und zuverlässigsten Textzeugen berücksichtigt.
b) Sacherklärungen
Codex Sinaiticus (Aleph): Durch Constantin v. Tischendorf im Katharinenkloster am Berg Sinai entdeckte Handschrift. Alexandrinisch, 4. Jh.
Codex Alexandrinus (A): Zusammen mit C der wertvollste Textzeuge für die Offenbarung. In den Evangelien byzantinisch, Rest alexandrinisch; 5. Jh.
Codex Vaticanus (B): Lt. Aland die mit Abstand beste Handschrift, besonders in den Evangelien. Ab Hebr 9,14 ist der ursprüngliche Text durch Beschädigung verloren. Alexandrinisch, 4. Jh.
Codex Ephraëmi Rescriptus (C): Durch Tischendorf entzifferte Handschrift. Der ursprüngliche Bibeltext war abgewischt und mit Werken des syrischen Kirchenvaters Ephraëm überschrieben worden (lateinisch: „rescriptus“). In den Evangelien byzantinisch, Rest alexandrinisch; 5. Jh.
Codex Bezae (D): Benannt nach seinem früheren Besitzer, dem Reformator Theodor Beza. Es handelt sich dabei genau genommen um zwei Codices: den Codex 05 mit Evangelien und Apg („D-Text“, 5. Jh.) und den Codex 06 mit den Paulusbriefen (alexandrinisch mit Abweichungen, 6. J
Alexandrinischer Text: Benannt nach Alexandria in Ägypten. Die ältesten Handschriften weisen übereinstimmend diesen Texttyp auf (durch Papyrusfunde nachweisbar bis ins frühe 2. Jh.).
Byzantinischer Mehrheitstext: Texttyp, der von der Mehrheit der griechischen Handschriften geboten wird; benannt nach Byzanz, der Hauptstadt des oströmischen Reiches (nachweisbar ab dem 4./5. Jahrhundert). Dieser Text setzte sich im Osten als Norm durch. Seine Merkmale sind: Harmonisierung von Paralleltexten, v.a. der Evangelien, Kombination mehrerer zuvor überlieferter Lesarten zu einer, Verbesserung vermeintlich oder tatsächlich falscher Lesarten und leichte Angleichung der Sprache an das klassische Griechisch.
„D-Text“: Früher aufgrund inzwischen als falsch erkannter Annahmen Westcotts und Horts auch „westlicher Text“ genannt. Hauptzeugen: Codex Bezae (D) in Evangelien und Apostelgeschichte sowie wenige andere Handschriften. Dieser Text weist deutlich redaktionelle Eingriffe auf (Hinzufügungen, Streichungen, Umformulierungen).
Textvarianten
a) Was sind Textvarianten?
Textvarianten sind stellen, an denen verschiedene handgeschriebene Abschriften eines Textes voneinander abweichen. Ein Manuskript mag ,,Montag'' lesen, das andere mag ,,Mittwoch'' lesen, man findet das auch in abweichenden Schreibweisen von Namen oder ob bspw. ein ,,und'' da steht oder nicht. All solches nennt man Textvarianten. Angenommen, ich würde euch heute befehlen: Nehmt eure Zeitungen raus und schreibt auf ein leeres Blatt Papier all das, was ihr in der Zeitung findet. Würden wir hernach diese Abschriften alle sammeln und betrachten, was denkt ihr, würden wir festellen? Die meisten von euch würden Fehler machen. Die meisten von euch würden Dinge falsch schreiben, eine Zeile überspringen oder irgendetwas derartiges tun. Das passiert automatisch, wenn man Texte handschriftlich kopiert. Was denkt ihr nun, wie viele wir solcher Textvarianten in den Antiken Handschriften des Neuen Testaments haben? Wie viele Textvarianten denkt ihr, haben wir, wenn wir an all die Abschriften denken, die wir inzwischen gefunden haben? Die Antwort auf diese Frage hängt von der Person ab, mit der man spricht. Die meisten von uns haben sich wohl darüber niemals ernsthaft Gedanken gemacht. Ihr denkt vielleicht, Einhundert? Eintausend? Nun, nimmt man alle zusammen, kommt man auf geschätzte 400 000 Textvarianten.
Bart Ehrman hält dann kurz inne, um sicherzugehen, dass ihr die Zahl hört und anfangt, darüber nachzudenken. ,,Vier-Hundert-Tausend! Ich dachte, wir sprechen hier über die Zuverlässigkeit des Neuen Testaments? Ich hatte keine Idee davon, dass es so viele sind''. Die Kritiker lieben es, diese Zahl in den Raum zu werfen und wollen es meist auch dabei belassen, besonders, wenn sie erwähnen, dass das Neue Testament lediglich aus ca. 140 000 Worten besteht. Sie sagen: ,,Wenn wir also 400 000 Varianten haben, sind das scheinbar ca. 3 Varianten pro Wort''.
b) Weshalb wird hier diskutiert?
Man hört Leute mit den verschiedensten Hintergründen. Wir denken da an Atheisten, auch an Muslime, die die Argumente der Atheisten lieben, weil sie glauben, dass das Neue Testament fehlerhaft überliefert worden ist. Wir haben Leute mit den verschiedensten Hintergedanken, die diese Informationen nehmen, um damit gleich loslegen zu können: ,,Wie kannst du dem Neuen Testament Glauben schenken, wenn es so ausschaut als ob drei Lesearten für jedes Wort im Neuen Testament exestieren? Offentsichtlich bedeutet das, dass der Text vollständig nutzlos und völlig fehlerhaft und nicht vertrauenswürdig ist, deshalb '', so würde der Atheist sagen, ,,sollst du nicht glauben, was der Text über Jesus und Gott sagt.''
Der Muslim würde sagen: ,,Deshalb brauchst du den Koran, der vollkommen überliefert wurde'' - was nicht wirklich so ist, aber das ist ein anderes Thema. Und der ganze Gedankengang dahinter ist: ,,Hör auf, auf den Text des Neuen Testaments zu vertrauen und fang an, das zu glauben, was ich möchte, dass du es glaubst.'' Und selbst der Atheist hat sein eigenes Weltbild, auch wenn er dieses meist nicht verteidigen möchte und hat daher seine Gründe, uns dahin bringen zu wollen, das zu glauben, was er will, dass du es glaubst''.
Sicherlich hat man schonmal über das ,,Local Community Colleges'' gehört. Dort trifft man immer wieder Professoren, die Religionphilosophie unterrichten. Begegnet man den Professoren auf deren Argumente mit Einwendungen, verlieren einge die Fassung, weil sie es nicht gewohnt sind, auf ihren rationalen Denkens bezüglich des Neuen Testaments eine Antwort zu bekommen. Solche Leute wollen Fakten nehmen um den Leuten selbstsicher einzureden: ,,Niemand, absolut niemand kann Zuversicht haben, dass die neutestamentlichen Texte, die wir heute haben, tatsächlich das widerspiegeln, was ursprünglich geschrieben wurde''. Das ist die Botschaft, die sie an den Mann bringen wollen. Das mag mit den verschiedensten Hintergedanken geschehen, aber das ist die Richtung aus der der Wind weht, den man in unserer Gesellschaft, in unseren Medien spürt.
c) Wie ist dem zu antworten?
Es braucht ein wenig Zeit und ein wenig Nachdenken um das Wesen dieser Vorwürfe und das Wesen der tatsächlichen Fakten zu verstehen. Lasst uns einmal betrachten, was uns nicht gesagt wird.
Erstens ist zu sagen: 99% aller Textvarianten haben keinen Einfluss auf die Bedeutung. Darunter zu sehen sind Variationen hinsichtlich der Schreibweise und der Wortreihenfolge, welchen den Hauptanteil der Textvariationen ausmachen. In seinen Abhandlungen im akademischen Kontext gibt es Bart Ehrman durchaus zu. Wo er für Leute schreibt, die sich mit Textkritik auskennen, da gibt er das auch zu. Er gibt zu, dass 99% der Variationen absolut und vollkommen Bedeutungslos sind für die richtige Übersetzung eines Textes. Das hängt teilweise mit der Struktur der Sprache zusammen, in der das Neue Testament verfasst ist. Im Alt-Griechischen verhält sich die Satzstruktur deutlich anders wie im Deutschen oder Englischen. Obwohl sie der Deutschen ähnlicher ist. Jeder, dem das Griechische geläufig ist, weiß, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, genau dasselbe auszusagen. Man kann im Griechischen die Worte teilweise beliebig verschieben und doch übersetzt man sie ins Englisch oder Deutsche gleich. Also sind die Reihenfolge der Worte oder die Schreibweise bestimmter Wörter nicht wirklich relevant für die Genauigkeit der Überlieferung.
Wenn also 99% der Textvarianten letzlich bedeutunglos sind, steht nicht so wirklich in Frage, wie ursprünlich der Text gelautet haben muss. Denn 1% von über 400 000 Textvarianten sind 4000 Varianten von ca. insgesamt 140 000 Wörter des Neuen Testaments. Das sind ca. 2,9% des Textes oder ander ausgedrückt: Eine bedeutende Abweichung im Text auf jeder dritten Seite im Text des Neuen Testaments. Ich weiß nicht, ob wir so sorgfältig abschreiben würden, wenn wir uns an eine vergleichbare Arbeit machen würden. Würde ich ein 10-Seitiges Schreibmaschinen-geschriebenes Dokument verteilen und ein paar üble Typen an den Ausgang stellen, damit ihr nicht hier rauskommen würdet, bevor ihr den Text handschriftlich kopiert hättet, wette ich, dass wir nicht annähernd in der Nähe der Qualität der neutestamentlichen Überlieferungen kommen würden, obwohl wir hier Klimaanlagen, elektrisches Licht und wohl bessere Augen und Brillen und alles mögliche haben. All solches gab es damals nicht. Ich denke, wir würden nicht sehr nahe an eine solch gute Arbeit, die wir in der Überlieferung des NT finden, herankommen. Wir sehen, das wirft ein deutlich anderes Licht auf die ganze Sache als Ehrman und Co. uns gerne weismachen würden.
Zweitens: Schlichter Fakt ist: Je mehr Abschriften für ein Antikes Werk bestehen, desto mehr Textvarianten wird man haben. Lasst uns das klarmachen: Hätten wir nur ein Manuskript des Neuen Testaments, wie viele Varianten hätten wir dann? Keine. Null. Aber, wenn wir nur eine Abschrift hätten, wie viel Zuversicht könnten wir haben, dass sie tatsächlich beinhaltet, was tatsächlich geschrieben worden war? Fast gar keine Zuversicht. Wenn Leute also mit diesen großen Zahlen jonglieren, dann spiegeln sie damit lediglich wieder, dass wir eine Menge Abschriften von Texten des Neuen Testaments haben! Es gibt mehr als 5500 katalogisierte griechische Manuskripte der Bücher des Neuen Testaments. Nicht alle davon reichen von Matthäus bis zur Offenbarung. Die meisten decken nur einen viel kleineren Teil ab. Besonders die ältesten Abschriften beinhalten meistens nur einzelne Bücher oder Teile von Büchern. Und dennoch liegt die durchschnittliche Größe der insgesamt 5500 griechischen katalogisierten Abschriften bei ca. 200 Textseiten. Das kann man durchaus selber rechnen, man kommt auf ca. 1,1-1,2 Millionen Seiten von Text. Denkt daran: Es sind gerade mal 4000 Varianten. Bekommt ihr langsam einen Eindruck, wie diese Zahlen einzuordnen sind? Ihr wisst, wie das mit Statistiken ist. Jeder kann Statistiken gebrauchen und mit den Zahlen jonglieren, es dürfte bekannt sein, dass man das auch in der Politik macht. Ihr seid sicherlich auch schon Menschen begenet, die Zahlen in manchmal einer durchaus unangebrachten Art und Weise gebrauchen. Deswegen müssen wir bescheid wissen, was da wirklich passiert, wenn einer Zahlen in falscher Weise gebraucht um zu täuschen. Denkt darüber nach: Es sind 4000 Textvarianten auf 1,2 Millionen Seiten handschriftlich kopierten Textes innerhalb von 1500 Jahren, bevor das Drucken erfunden wurde. Das ist eine erstaunlich geringe Quote bei dieser Menge von Text, die eine erstaunlich akkurate Überlierfung des Textes wiederspiegelt, man mag vielleicht sogar das Wort ,,mirakulös'' in den Mund nehmen.
d) Warum gibt es Textvarianten?
Dennoch: Warum gibt es diese Text-Unterschiede? Warum gibt es Unterschiede in solchen Abschriften? Lasst uns einen Blick darauf werfen. Selbst die Zahl der 4000 Varianten muss verstanden werden. Selbst, wenn eine Variante zu verschiedenen Lesarten führt, kann der sorgfältig vorgehende Studierende in vielen Fällen erahnen, welche Textvarianten wohl ursprünglich korrekt war.
Viele dieser Varianten sind auf gewöhnliche Abschreibfehler zurückzuführen, die uns auch heute noch passieren, wenn wir einen Text abschreiben. Ein Beispiel: Ihr müsst bestimmte Facharbeiten schreiben und vielleicht habt ihr, während ihr das tut, ein Buch vor euch liegen, während ihr hinter eurem hübschen MacBook sitzt und müsst einen Paragraphen aus diesem Buch kopieren, ihr habt jedoch keinen Scanner mit Schrifterkennungssoftware zur Hand. Und selbst, wenn ihr das habt, müsst ihr dieses Programm noch überwachen, weil da auch manchmal ganz wilde Fehler bei solcher Texterkennungssoftware geschehen können. Stellen wir uns also vor, ihr tippt da einen Abschnitt aus diesem Buch ab. Jedenfalls tippt ihr vor euch hin und im Textverarbeitungsprogramm habt ihr noch Rechtschreibprüfung, Grammatikprüfung und all solches Zeug und doch müsst ihr zugeben, dass dennoch Fehler geschehen. Man wird abgelenkt, das Handy klingelt, irgendwo läuft Musik, iTunes schaltet plötzlich ein Lied an, das ihr nicht leiden könnt, wie auch immer. Und wenn ihr wieder mit dem Abschreiben weitermacht, dann überspringt ihr eine Zeile, überspringt einen Nebensatz, es geht beim Abschreiben etwas schief. Genau das geschah auch in der antiken Welt.
e) Ein Typischer Abschreibfehler
Wenn wir wissen, zu welchen Fehlern Schreiber neigen, können wir diese 4000 Varianten untersuchen und vielleicht entdecken, dass der Schreiber einen typischen Abschreibfehler begangen hat, was uns dabei hilft, solche Textvarianten zu verstehen. Lasst mich ein wichtiges Beispiel von der Überlieferungsgeschichte des Neuen Testamentes geben. Ihr mögt das auch in eurer Bibel nachschlagen. Schaut einmal nach, was in 1. Johannes 3, 1 steht. Wenn ihr eine King James oder New King James-Übersetzung (deut. alle Bibeln basierend auf den TR wie z.B Schlachter 2000) habt, dann werdet ihr da lesen:
''Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder heißen sollen! Darum erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat.''
( 1. Johannes 3, 1 )
so wurde es in der King James oder der New King James übersetzt. Die NASB, NIV oder ESV-Übersetzung basieren auf einem eher moderneren griechischen Grundtext (deut.alle Bibeln die auf den Nestle-Aland Text basieren wie z.B rev. Elberfelder) , während King James und NKJ auf dem Textus Receptus basieren. Der Textus Receptus, der erstmals 1633 so genannt wurde, basiert lose auf den Ausgaben von Ersamus, Stephanus und anderen. Die modernen englischen Übersetzungen ESV, NASB, NIV basieren auf dem Nestle-Aland-Text und wenn man diese Übersetzungen ließt, wird es folgendermaßen klingen:
''Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen! UND SOLCHE SIND WIR. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.''
( 1. Johannes 3, 1)
Der kleine Satz „Und solche sind wir“, eine Bestärkung, dass wir die Kinder Gottes sind, findet sich nicht in der King James-Übersetzung in 1. Johannes 3, 1. Dieser Satz findet sich nicht im Textus Receptus bei 1. Johannnes 3, 1. Wenn ich euch jetzt in die Irre führen wollte und euch eine saftige Predigt halten wollte, könnte ich folgendes tun: Ich könnte sagen:
„Dieser Satz fehlt, weil die King James-Übersetzer ein Haufen von Anglikanern waren! Und wir wissen ja wie Anglikaner sind! Schaut euch die Anglikaner heute an! Die sind völlig liberal geworden, nein, sie sind es schon immer gewesen und sie haben die Bibel verfälscht und wollen nicht, dass wir an die Lehre der Gotteskindschaft glauben!“ .
Das ist vollkommener Blödsinn. Die Übersetzer haben den Text, den sie hatten übersetzt und dieser Text hat diesen Satz nicht beinhaltet. Warum ist das so? Will da jemand den Text verwässern? Nein. Lasst mich euch das zeigen. Der moderne Text enthält eine wichtige Bekräftigung unserer Annahme als Kinder Gottes. Warum fehlt diese in der King James? Dieser Fall ist ein (ein)leuchtendes Beispiel für das, was man „Fehler aufgrund von Ähnlichkeit in der Endung“ nennt. Denkt darüber nach, wie oft ihr in eurer eigenen Sprache Wörter abschreibt, die eine ähnliche Endung haben wie „ung“ oder „lich“ oder „keit“ . Das sind Endungen, mit denen Worte häufig enden. Und es kommt vor, dass der Schreiber in einem Satz, in dem zwei Worte gleicher Endung vorkommen, das falsche erwischt und dadurch Teile eines Satzes auslässt. Man hat gerade „..ung“ geschrieben, schaut wieder auf die Vorlage, erblickt wieder das „…ung“ und schreibt nach dem „…ung“ weiter ab. Leider hat man das falsche Wort erwischt und so fehlt ein Teil des Textes, weil es zwei Worte im Satz gibt, die auf „ung“ enden. Leider hat man beim ersten Wort abgesetzt gehabt und nach dem zweiten dann weiter geschrieben und somit alles, was zwischen den beiden Worten stand, ausgelassen. Das passiert, weil man Mensch ist. Solche Schreiber waren Menschen. Solche Fehler sind Schreibern der Antike ebenso passiert wie sie uns heute geschehen. Hier zeige ich euch den entsprechenden Abschnitt ( 1. Joh 3,1) im griechischen Grundtext wie er quasi in Neudeutsch „unformatiert“ aussieht. (Auch hier kann ich kein Bild einfügen, bitte selber nachsehen)
Mit „unformatiert“ meine ich, dass die ursprünglichen Manuskripte und die Abschriften des Neuen Testamentes bis ins neunte Jahrhundert lediglich Großbuchstaben, keine Worttrennung und keine Satzzeichen hatten. Oben sieht man wie diese Abschriften aussahen. Seht ihr das Problem? Leider kann ich hier keine weiteren Bilder einfügen, da Technik dies nicht zulässt.
Das, was hier wie „MEN“ in der englischen Sprache ausschaut, das ist hier zwei Mal zu sehen. Ein Schreiber, der abschreibt, dass wir nun „Kinder Gottes heißen SOLLEN“ - also der wandte seinen Blick wieder auf seine Vorlage und sah das folgende Wort was bedeutet „wir sind“ und er sah das „MEN“ und schrieb hinter dem „ECMEN“ weiter und so fehlt in seiner Abschrift die Phrase. Das war ohne böse Absicht. Dieser Fehler wurde wieder und wieder kopiert, weil solche Schreiber sehr akkurat waren und sich streng an ihre Vorlage hielten. Und so ist es für uns recht einfach zu sagen, wenn wir so einen Fall haben, dass es sich um einen typischen Abschreibfehler handelt. Diese Phrase wurde übersehen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Text eingefügt sein sollte, alles weist auf ein versehentliches Auslassen hin – verursacht durch ähnliche Endungen zweier Worte. Solche recht simplen Abschreibfehler findet man sehr oft. Lasst uns weitere Fakten betrachten. Die Mehrheit der über 5500 griechischen Abschriften sind auf nach 1000 n.Chr. datiert. Warum ist das so?
Nun, schaltet euer „historisch Denken“-Programm im Kopf einmal ganz kurz ein. Die griechische Sprache, in der der ursprüngliche Text verfasst wurde, der überall auf der Welt verbreitet wurde, wurde zunehmend bedeutungsloser und Latein wurde zu der Sprache, die für die Leute im damaligen Europa wichtig wurde. Und so ergab es sich, dass lateinische Bibelübersetzungen im Westen vorherrschend wurden. Dann passierte etwas ziemlich Bedeutendes zwischen 632 und 732 n.Chr. . Was geschah? Nun, es kam zur Ausbreitung des Islam. Der Islam nimmt fast all jene Gebiete ein, die griechische Abschriften produzierten, abgesehen von der bemerkenswerten Ausnahme von Konstantinnobel bzw. Byzanz. Über Nord-Afrika, Spanien, das Heilige Land bis zum byzantinischen Herrschaftsgebiet bekommt der Islam die Oberhand. Und nun. Der Islam tut der Produktion von Abschriften des Neuen Testamentes nicht wirklich gut, genauso wenig wie der christlichen Kirche als solchen in der Gegend. So gibt es als historische Gründe dafür, dass die Mehrheit der Abschriften nach 1000 n.Chr. verfasst wurden und quasi alle aus der byzantinischen Gegend und Europa kamen, wo Mönche solche Abschriften immer noch anfertigten. Diese Textgruppe nennt man den „Mehrheitstext“, der hauptsächlich ab 1000 n.Chr. gefertigt wurde.
f) Ein Einzigartige Überlieferungsgüte
Jeder, der sagt, wir wüssten aufgrund der Faktenlage nicht, was das Neue Testament sagt, der muss gleichsam sagen: „Wir wissen absolut gar nichts über die antike Welt. Wir haben absolut keine Ahnung von Geschichte“. Das müssten sie sagen, wenn sie in ihren eigenen Aussagen konsequent sein wollen. Das tun sie aber nicht. Das Einzige, was sie vielleicht akzeptieren würden, wäre wohl ein von den Aposteln in Stein gehauenes Neues Testament. Tatsächlich haben wir 12 Abschriften aus dem zweiten Jahrhundert, also innerhalb von
hundert Jahren nach der Entstehung des Neuen Testamentes. Diese Abschriften enthalten Teile aller 4 Evangelien, 9 Briefe des Paulus, die Apostelgeschichte, den Hebräerbrief und die Offenbarung, zusammen eine Mehrheit des Textes, die wir heute haben. Kein antikes Werk kommt dieser frühen Bekräftigung der Überlieferungsqualität auch nur im Ansatz nahe.
g) Das Flüsterpost-Spiel
Ich weiß nicht, ob ihr das gehört habt, aber auch von Dr. Ehrman wird die Überlieferung dieses Textes mit dem Flüster-Post-Spiel verglichen. Man sitzt im Kreis und der Lehrer flüstert einem der Schüler einen Satz ins Ohr, dann soll dieser der nächsten Person diesen Satz erneut per Flüstern weitergeben und so geht das nacheinander durch Ohren und Mund aller Schüler und alle lachen dabei und am Ende kommt ein völlig falscher Satz an. Warum? Weil der Inhalt sich geändert hat. Oftmals ist nicht einmal mehr eine Ähnlichkeit mit dem vorhanden, was dem ersten Schüler ins Ohr geflüstert wurde. Deswegen hört man Dr. Ehrman gerne sagen: „Wir haben eine Kopie einer Kopie einer Kopie“. Er gebraucht gern jene Illustration, dass ein Mann Christ wurde, weil er von irgendjemandem die christliche Botschaft gehört hat. Sogleich erzählt er es seiner Frau, diese erzählt es jemand anderem und der andere erzählt es noch weiter. Er sagt dann: Woher weiß dann der letzte der Reihe, dass der Inhalt noch stimmt?
h) Wie wurden die Texte verbreitet?
Ist es so geschehen? Nein. Lasst uns betrachten, wie es geschehen ist. Die Texte des Neuen Testamentes werden im Kontext der antiken mediterranen Welt verfasst . Es werden hier also verschiedene Manuskripte geschrieben. Und sagen wir, einer der Apostel schreibt einen Brief in Ephesus. Dieser Text wird dann zur Versammlung von Jerusalem gebracht. Paulus schreibt einen Brief in Rom und dieser Brief wird nach Korinth geschickt. Es werden also Manuskripte verfasst an verschiedenen Orten und von verschiedenen Personen und auch zu verschiedenen Zeiten. Ich betone das absichtlich, bleibt in Gedanken bei mir und ihr werdet sehen, warum. Von diesen Manuskripten werden dann auch wieder Abschriften gemacht. Eine davon mag Richtung Rom geschickt werden, die andere Richtung Karthago usw. . Die Manuskripte zirkulieren also zwischen verschiedenen Orten und werden immer wieder kopiert. Und dann geschieht etwas Wichtiges. Manche dieser Abschriften landen am selben Ort. Und so sammeln sie sich dort und es werden Sammlungen von Manuskripten gemacht im Verlauf dieses Prozesses. Und womöglich gibt es dann eine Sammlung von Paulus Schriften. Und dann wird die ganze Sammlung abgeschrieben und an einen anderen Ort verschickt. Und es mögen neue Sammlungen entstehen, die z.B. aus den Briefen des Paulus und den Evangelien bestehen. Und so entstehen mit der Zeit verschiedene Sammlungen von Texten des Neuen Testamentes. Worauf will ich hier hinweisen? Dieser ganze Prozess der Verbreitung dieser Texte fand innerhalb eines riesigen Gebietes statt und über einen langen Zeitraum. Verschiedene Autoren schreiben zu verschiedenen Zeitpunkten an viele verschiedene Adressaten. Es gab niemals eine Zeit, in der eine einzelne Gruppe die Verbreitung der Manuskripte kontrollierte. Die ganze Verbreitung hätte auch nie unter Kontrolle gehalten werden können. Das frühe Christentum war eine verfolgte Religion. Immer wieder floh und versteckte man sich vor der römischen Staatsgewalt. Man hat dabei wohl kaum Zeit und Interesse, die Manuskriptfluktuation zu erfassen und zu kontrollieren. Das Neue Testament verbreitete sich in der gesamten damals bekannten Welt sehr rasch überall, weil die Christen wollten, dass sich diese Schriften unter den Menschen verbreiteten. Wenn jemand fragte: „Kann ich diesen Text abschreiben?“, dann hat man diese Person nicht erst um Erlaubnis betteln lassen, sondern sie im Gegenteil unterstützt. Und so sind die Manuskripte überall unterwegs und sind letztlich überall verteilt und so sind sehr viele Zeilen an zusammenhängendem Text entstanden.
Denkt daran: Die Überlieferung des Textes funktionierte nicht wie bei der Flüster-Post, dass jeweils nur ein einzelner Satz überliefert wurde. Nicht nur ist es so, dass geschriebene Dokumente Informationen sicherlich besser weitergeben als das Flüstern ins Ohr, sondern auch so, dass Flüster-Post-Spiel so funktioniert, dass man es mit einem einzelnen kurzen Satz spielt, der rund um per Flüstern weitergegeben wird. Das Neue Testament hingegen entstand so, dass verschiedene Autoren zu verschiedenen Zeiten ganze Bücher des Neuen Testamentes zu verschiedenen Adressaten schrieben. Die Idee, die frühe Überlieferung des Neuen Testamentes mit dem Flüster-Post-Spiel zu vergleichen taugt schlicht nicht und passt in keiner Weise als Illustration.
i) Was sind die Argumente, die gegen eine gute Überlieferung vorgebracht werden?
Die Tatsache, dass die Überlieferung so abgelaufen ist, macht die modernen Angriffe auf die neutestamentlichen Texte zunichte. Wie lautet für gewöhnlich der Vorwurf gegenüber dem Text des Neuen Testamentes? Meine muslimischen Freunde sagen: „Die paulinische Christenheit veränderte die Texte und machte aus Jesus einen Gott, erfand das Kreuz und das Konzept der Sühnung und all solches“. Dann gibt es die ganzen Leute, die der New-Age-Bewegung zuzurechnen sind. Man denke z.B. an Shirley McClane, die z.B. Vorstellungen einer Selbstvergötterung verbreitet. Solche Leute sagen: „Wisst ihr, dass die Lehre von der Reinkarnation ursprünglich in der Bibel war? Aber auf dem Konzil von Konstantinopel wurde diese Lehre aus dem Text gestrichen“.
So etwas klingt im ersten Moment sehr gut, denn die meisten von uns würden sagen: „Das Konzil von Wo? Viele von uns wissen nichts über das Konzil von Konstantinopel, Nicäa oder Chalcedon. Wir haben davon nicht wirklich eine Ahnung und wir reden in unserer Gemeinde auch nicht von so was. Wir haben keine Ahnung, was wir dazu sagen sollen“.
j) Texte seien zentralisiert verändert worden
Tatsache ist: Im Allgemeinen läuft der Angriff so, dass gesagt wird, dass es einen zentral gesteuerten Textkörper gegeben habe – so stellt sich das auch Dan Brown in seinem Buch „Der Da Vinci Code“ vor. Falls ihr den davon adaptierten Film gesehen habt: Was ist der Kerngedanke? Nun, man sagt: Kaiser Konstantin schreibt vier Evangelien, lässt dabei 80 andere relevante Evangelien unter den Tisch fallen. Das ist so lächerlich, dass jeder Historiker, der im Kinosaal sitzt, nur noch den Kopf schütteln kann, besonders angesichts von Laien, die solche Darstellungen auch noch faszinierend finden. Der Grundgedanke ist also, dass Kaiser Konstantin alle relevanten Schriftstücke zentralisiert zusammenbringt und diese dann entsprechend seinen Vorstellung umschreiben lässt.
Dazu kann ich nur sagen: Wir haben Satteliten und konnten über Jahre Osama Bin Laden nicht finden. Wie soll Konstantin im frühen vierten Jahrhundert aus der ganzen bekannten Welt die Manuskripte zusammentragen, von denen einige offensichtlich längst im Sand Ägyptens vergraben lagen? Es ist lächerlich zu denken, dass es jemals eine Zeit gab, zu der es einen solch zentralisierten Textkörper gab. Ich bezweifle mit Grund, dass es einen solchen gab, weil die Christen sich bis dahin nie wirklich organisiert haben konnten. Die Manuskripte des Neuen Testamentes großflächig zu editieren war unmöglich. Man konnte die Manuskripte nicht wie ein Handy orten, es gab keine Satteliten, die etwas derartiges hätten tun können. Das war die antike Welt. Da konnte nicht irgendein Kaiser herkommen und bestimmen, dass irgendwelche Texte geändert werden sollten nach dem Motto: „Hmmm… diese Sache mit der Reinkarnation funktioniert nicht, schmeißen wir die raus! Lasst uns stattdessen einmal etwas mit einer Auferstehung ausprobieren, vielleicht wäre das eine gute Idee“. Das hätte nicht passieren können. Es ist lächerlich zu denken, dass solch eine Veränderung des Textes durchgeführt worden sein könnte.
k) Die Unsinnigkeit einer solchen Behauptung
Wir können ohne jeden Zweifel darlegen, dass solch eine zentrale Zensur und Korrekturinstanz nie existiert hat, dass das frühe Christentum eine verfolgte Religion war, die solch eine Korrekturinstanz nie besessen hat, die alle Texte hätte sammeln und umschreiben können und, dass so etwas unmöglich war entsprechend dem, wie die Überlieferung funktioniert hat. Und da wir die frühen antiken Texte nun zur Verfügung haben, würden wir sofort sehen, wenn jemand im fünften Jahrhundert den Text klar abgeändert hätte. Schließlich haben wir Texte aus dem zweiten, dritten und vierten Jahrhundert, die eine solche Änderung sichtbar machen würden. Wir sehen heute, dass der Text über viele Jahrhunderte im Grunde immer derselbe geblieben ist. Wir können also ohne jeden Zweifel nachweisen, dass diese Art von wilden Anschuldigungen völlig aus der Luft gegriffen sind und keine Grundlage in der Geschichte haben. Gerade das Gegenteil der Anschuldigungen ist der Fall.
l) Wie gehen wir aber mit den Textvariationen um?
Alle derartigen Anschuldigungen der Muslime brechen in sich zusammen angesichts des historischen Kontexts und der Faktenlage. Die schnelle, weitreichende und nicht zentral kontrollierte Verbreitung der neutestamentlichen Texte schließt jede nachträgliche Veränderung des Textes aus. Aber die Tatsache, dass die abschreibenden Christen meist Laien waren, zwingt uns dazu, uns mit den zu Beginn erwähnten Abschreibfehlern zu beschäftigen, die wir untersuchen und verstehen können und uns Schlussfolgerungen erlauben. Es gab keine vollkommenen Schreiber. Erinnert ihr euch an Papyrus 72. Ein Christ, der das Wort Gottes liebt, erstellt eine uns heute vorliegende Abschrift. Dieser Schreiber war kein vollkommener Schreiber. Er hat das griechische Wort für „und“ immer mal wieder unterschlagen. Er hat sich nicht immer an die Rechtschreibung gehalten. Deswegen müssen wir diese frühen Manuskripte untersuchen. Aber das ist der Preis dafür, sagen zu können: Unser Text ist nicht verändert worden! Der Text wurde nicht von Menschen manipuliert, die kurzerhand die Entscheidung fällten eine bestimmte Lehre in den Text einzufügen oder eine unpassende Lehre herauszunehmen. So etwas kann nicht geschehen sein. Dazu müsste eine zentrale Stelle existiert haben, die all die Texte unter ihrer Aufsicht hatte und logistisch in der Lage gewesen wäre, Änderungen vorzunehmen. Genau das war beim Koran der Fall. Das ist, was den Muslimen Sorgen machen sollte. Es gab immer eine zentrale Stelle, die den Text des Korans kontrollierte und festlegte. Das war von Beginn an so. Und so muss der Muslim sich fragen: Woher weiß ich, dass Uthman nach dem Tod Mohammeds den Text nicht geändert hat? Woher weiß ich das? Das werde ich in einem anderen Vortrag noch näher besprechen.
Konservative Schreiber
Fazit: Erstens: Es gibt 400 000 Textvarianten. 99% davon folgenlos für den Inhalt des Textes. Wenn ihr also die großen Zahlen hört, lasst euch davon nicht irritieren, denkt darüber nach, was das tatsächlich auszusagen hat. Das Neue Testament ist das am dichtesten belegte Werk der Antike. Wir haben hier mehr Manuskripte, die weit näher an den ursprünglichen Schriften liegen als bei irgend einem anderem antikem Werk und wenn irgendjemand sagt, wir wüssten nicht, was das Neue Testament sagt, dann muss diese Person auch konsequent sagen, dass wir keine Ahnung davon haben können, was irgend ein antiker Autor geschrieben hat. Das müssten sie sagen, wenn sie konsequent wären, was sie aber meistens nicht sind. Die Manuskripte des Neuen Testamentes wurden überall in der bekannten Welt sehr schnell verbreitet. Es gab keine zentrale Stelle, die über den Textkörper verfügt hätte und Lehren einfügen oder rausnehmen hätte können, was auch zu sehen ist, wenn wir sehr frühe Dokumente finden. Außerdem: Jede spätere Änderung wäre klar ersichtlich. Ich denke auch, dass wir in nicht allzu langer Zeit mit unseren Laptops zusammensitzen können und fast jedes antike Manuskript, das wir gefunden haben, ihn hoher Auflösung betrachten können. Die Zeit wird kommen und das ist nicht mehr allzu weit entfernt, wenn all solche Information dermaßen leicht verfügbar sein wird und das ist was wunderbares, was aber von uns auch Verantwortung fordert. Keine Generation vor uns hat zu so viel Information Zugang wie wir es haben. Wenn es zur Zuverlässigkeit unserer Heiligen Texte kommt, so wird hier der Kampf gekämpft. Hier greifen die Bart Ehrmans an, hier greift das Jesus-Seminar an, hier greift der Islam an. Auch die Mormonen haben immer wieder die Qualität der Überlieferung des Bibeltextes in Frage gestellt. Hier werden die apologetischen Diskussionen geführt. Wir müssen wissen, warum wir dieses Buch in unserer Hand als eine geeignete Widerspiegelung dessen akzeptieren, was vor langer Zeit unter göttlicher Inspiration gegeben wurde. Wir leben in einer Kultur, die uns zu schweigenden, beschämten Christen zu machen versucht. Der einzige Weg, auf dem wir zu kühnen Zeugen für Gottes Wahrheit werden können, ist, wenn wir Zuversicht in das Wort Gottes und wie es uns überliefert worden ist, haben. Wenn in einem Vers "Johannes" mit nur einem "n" geschrieben wurde, zählt das als Fehler, ohne dass dabei irgendwelche Kerndoktrinen berührt würden. Kritiker zählen nun derartige unbedeutenden Fehler als Varianten, und darauf basiert ein Großteil ihrer Argumentation. (Übrigens ist das auch die Grundlage der Behauptung der "Zeugen Jehovas", dass die Bibel 50.000 Fehler enthielte, weshalb man doch lieber auf ihre "Revidierte" Bibelausgabe zurückgreifen sollte - ironischerweise wird auch dies von Muslimen als Argument benutzt) Dennoch multipliziert sich die Anzahl der Fehler logischerweise mit der Anzahl der Manuskripte. Ergo : Je mehr Manuskripte, je mehr "Fehler". Hätte zum Beispiel wirklich ein christlicher Alleinherrscher alle Manuskripte einsammeln und verbrennen lassen, bis auf seinen eigenen, standardisierten Text - wie dies zb. durch Kalif Uthman im Islam tatsächlich geschehen ist - dann hätten wir heute erheblich weniger Abschriften, und sie alle würden auf einen Text zurückgehen. Der Preis dafür ist allerdings, dass man den original Text nie wieder rekonstruieren kann. Es ist also ein unermesslicher Vorteil und ein weiterer Beweis dafür, dass Gott Sein Wort erhalten kann, dass Er uns tausende von Manuskripten - und diese geographisch weit verteilt - erhielt.
Durch die schiere Anzahl an frühen Mansuskripten und außerbiblischen Briefen der Kirchenväter, können wir mit absoluter Sicherheit über 99 % des original-Textes des Neuen Testaments rekonstruieren.
''Im Gesamten Text - über 20.000 Verse - bestehen nur bei 40 Versen minimale Unsicherheiten über die Schreibweise einzelner Worte, von diesen 40 Versen berührt nicht ein einziger irgendwelche Kerndoktrinen.''
(Hunter, Archibald M. Introducing the New Testament. Philadelphia: Westminster, 1945)
"Für das Neue Testament haben wir sehr viel früherere Beweise als für jedes andere Buch der Antike" (Aus einer Debatte zwischen James White und Bart Ehrman "“Does the Bible misquote Jesus”, 2009)
Allgemeine Aussagen zur Historischen Glaubwürdigkeit des NT
"Das Neue Testament ist der kulturell und theologisch bedeutendste Text des Abendlandes. Es ist vom 2. Jahrhundert an in einer außergewöhnlich großen Zahl von Handschriften überliefert worden. Allein vom griechischen Urtext besitzen wir heute noch ca. 5.600 Handschriften bzw. Handschriftenteile. Dazu kommen Übersetzungen in alle antiken Kultursprachen, vor allem ins Lateinische. Für die frühesten Handschriften wurde Papyrus als Beschreibstoff benutzt, der vom 3./4. Jahrhundert an von Pergament abgelöst wurde. Die Pergamenthandschriften wurden - ebenso wie die Papyri - in Großbuchstaben geschrieben und werden daher als Majuskeln bezeichnet. Vom 9. Jahrhundert ab setzt sich dann die sog. Minuskel (kursive Kleinbuchstaben) durch, die erst noch auf Pergament, später dann auf Papier geschrieben wurde. Heute sind ca. 2860 Minuskeln bekannt, außerdem über 100 Papyri und über 300 Majuskeln. Dazu kommen noch einmal ca. 2.400 Lektionare, die den Text des Neuen Testaments nicht fortlaufend enthalten, sondern die Texte in der Reihenfolge bieten, wie sie nach der Ordnung des Kirchenjahrs im byzantinischen Gottesdienst vorgetragen wurden." Quelle: www.uni-muenster.de/Rektorat/kalender/FBer/FBdez99.htm
"Kein historischer Text über ein Ereignis der Antike ist so gut und so früh bezeugt wie das Neue Testament" Carsten Peter Thiede, Historiker und Papyrologe, Die Auferstehung Jesu - Fiktion oder Wirklichkeit?, 2001, S.25
a) Hervorragende Bezeugung des NT im Vergleich mit anderen klassischen Werken
Bruce Metzger zog einen Vergleich des NT mit dem bibliographisch am zweitbesten überlieferten Werk, der Ilias: "Die Menge an Manuskripten der neutestamentlichen Schriften ist nahezu beschämend im Vergleich zu anderen antiken Werken. Nach dem Neuen Testament kommt Homers »Ilias«, das Standardwerk der antiken Griechen. Heute haben wir davon weniger als 650 griechische Manuskripte. Manche sind äußerst fragmentarisch. Die meisten stammen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert und aus den nachfolgenden Jahrhunderten. Wenn Sie berücksichtigen, dass Homer wahrscheinlich im achten vorchristlichen Jahrhundert gelebt hat, ist das ein sehr langer Zeitraum." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, Asslar, S. 64
Geisler und Nix: "Hinter dem Neuen Testament hat die Ilias mehr Handschriften (643) vorliegen als jedes andere Buch. Sowohl sie als auch die Bibel wurden für »heilig« geachtet, und beide wurden der Textveränderung und der Textkritik ihrer griechischen Manuskripte unterzogen. Das Neue Testament umfasst ca. 20.000 Zeilen. ... Die Ilias [umfasst] ca. 15.600 Zeilen. Nur 40 Zeilen (oder 400 Wörter) des Neuen Testamentes stehen in Frage, während 764 Zeilen der Ilias zweifelhaft sind. Dieser fünfprozentigen Textentstellung steht eine ähnliche Textkorrektur von [nur] einem halben Prozent im Neuen Testament gegenüber." Norman Geisler, William Nix, A General Introduction to the Bible, 1968, Chicago, Moody Press, S.366+367
40 [fragliche Zeilen des NT] / 20.000 [alle Zeilen des NT] = 0,002 => 0,002 * 100% = 0,2%
764 [fragliche Zeilen der Ilias] / 15.600 [alle Zeilen der Ilias] = 0,049 => 0,049 * 100% = 4,9%
F.F. Bruce, Professor für Bibelkritik und Exegese an der Universität von Manchester schrieb über die textliche Bezeugung des NT im Vergleich mit anderen klassischen Werken:
"Vielleicht können wir am besten ermessen, wie reich die handschriftliche Bezeugung des Neuen Testaments ist, wenn wir das Textmaterial anderer alter, historischer Werke damit vergleichen.
Von Caesars »Gallischem Krieg« (verfaßt zwischen 58 und 50 v.Chr.) gibt es mehrere noch vorhandene Manuskripte, aber nur neun oder zehn sind gut, und das älteste wurde 900 Jahre nach Caesars Lebzeiten geschrieben! Von den 142 Büchern der »Römischen Geschichte« des Livius (55 v. Chr. bis 17 n. Chr.) blieben nur 35 Bücher erhalten; diese sind uns aus nicht mehr als 20 Manuskripten bekannt, die von einiger Bedeutung sind, von denen aber nur eins (welches Fragmente der Bücher III-VI enthält) aus dem 4. Jahrhundert stammt. Von den 14 Büchern der »Geschichte« des Tacitus (ungefähr um das Jahr 100 n. Chr.) sind nur vier vollständig und eins zur Hälfte übriggeblieben; von den 16 Büchern seiner »Annalen« blieben zehn völlig und zwei teilweise erhalten. Der Text der heute noch vorhandenen Teile seiner zwei großen Geschichtswerke stützt sich auf nur zwei Manuskripte, von denen das eine aus dem 9., das andere aus dem 11. Jahrhundert stammt. Die erhalten gebliebenen Manuskripte seiner kleineren Werke »Agricola« »Dialogus de Oratoribus«, »Germania« sind einzig durch einen Codex aus dem 10. Jahrhundert belegt. Die Geschichte des Thucydides (etwa 460-400 v. Chr.) ist uns aus acht Manuskripten und einigen Papyrusfragmenten bekannt. Das früheste Manuskript gehört in das 9. Jahrhundert n. Chr., und die Papyri entstammen dem urchristlichen Zeitalter. Dasselbe gilt für die Geschichte des Herodot (etwa 480-425 v. Chr.). Es würde jedoch kein Altphilologe auf den Gedanken kommen, die Echtheit des Herodot oder Thucydides anzuzweifeln, weil die frühesten brauchbaren Handschriften ihrer Werke mehr als 1300 Jahre jünger sind als die Originale." F. F. Bruce, Die Glaubwürdigkeit der Schriften des Neuen Testamentes. Eine Überprüfung des historischen Befundes, S. 20f
b) Äußerst kurze Zeitspanne zwischen Abfassung und ältester Abschrift beim NT
Bruce M. Metzger, Vorsitzender des Revised Standard Version Bible Comitees und Mitherausgeber der 'New Oxford Annotated Bible with the Apokrypha' und Mitherausgeber des Nestle-Aland Novum Testamentum Graece erläuterte die Handschriftenlage des Neuen Testamentes folgendermassen:
"Die Ältesten [Manuskripte] sind Papyrusfragmente. Papyrus war ein Schreibmaterial, das aus den Fasern der Papyruspflanze gewonnen wurde, die im Nildelta in Ägypten wuchs. Es gibt 99 Papyrusfragmente, die eine oder mehrere Abschnitte oder Bücher des Neuen Testamentes enthalten. [...]
Wir haben so genannte »Unzial-Manuskripte«, die komplett in griechischen Großbuchstaben geschrieben wurden. Heute besitzen wir 306 von diesen Manuskripten, die teilweise bis ins dritte Jahrhundert zurückgehen. Die wichtigsten sind der »Codex Sinaiticus«, das einzige vollständige Neue Testament in griechischen Großbuchstaben, und der »Codex Vaticanus«, der nicht ganz vollständig ist. Beide lassen sich etwa auf 350 nach Christus datieren.
Etwa um 800 entwickelte sich eine neue Schriftart, die eher kursiv gehalten war. Man nennt diese Schrift »Minuskel«. In dieser Schrift haben wir 2 856 Manuskripte. Dann gibt es Lektionare, liturgische Bücher, in denen die neutestamentlichen Texte enthalten waren, die in der Urkirche zu bestimmten Zeiten des Jahres gelesen werden sollten. Von diesen Texten wurden 2 403 katalogisiert. Das bringt uns auf eine Gesamtzahl von 5664 griechischen Manuskripten. ...
Wir können darauf vertrauen, dass dieses Material äußerst zuverlässig überliefert wurde, vor allem, wenn man es mit anderen antiken literarischen Werken vergleicht." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, S.69+71
"...dem resultierenden Text des NTs skeptisch gegenüberzustehen hieße, die gesamte klassische Antike in dunkle Vergangenheit geraten zu lassen; denn keine Dokumente des Altertums sind bibliographisch so gut belegt wie das Neue Testament." John W. Montgomery, Histority and Christianity, 1972, S.29
Der Neutestamentler J. Harold Greenlee schrieb zu dieser kurzen Zeitspanne: "Die ältesten uns bekanntesten Mss. von den meisten griechischen klassischen Autoren datieren eintausend oder mehr Jahre nach dem Tod ihres Verfassers. Das Zeitintervall für die lateinischen Autoren ist etwas kürzer und variiert bis zu einem Minimum von drei Jahrhunderten, wie es bei Vergil der Fall ist. Beim NT jedoch wurden zwei der wichtigsten [erhaltenen] Mss. innerhalb von 300 Jahren nach Abschluss des NT geschrieben, während einige fast vollständige Bücher des NT wie auch umfassende Fragment-Mss. von vielen Teilen des NT innerhalb eines Jahrhunderts nach der Urschrift datieren." Introduction to the New Testament Textual Critisism, 1964, S.16
und weiter: "Da die Wissenschaftler die Klassiker der Antike im allgemeinen für vertrauenswürdig halten, obwohl die frühesten Manuskripte, die wir besitzen aus so viel späterer Zeit stammen, und ihre Zahl zudem verhältnismäßig klein ist, kann wohl die Zuverlässigkeit des Neuen Testamentes als mindestens ebenso gesichert betrachtet werden." Ebd. S.16
Sir Frederic Kenyon, Direktor und Bibliotheksleiter des Britischen Museums und eine Koryphäe für alte Handschriften erläuterte weiter: "Die Zeitspanne zwischen der Datierung der ursprünglichen Texte und der frühesten erhaltenen Belege ist so klein, daß sie vernachlässigt werden kann, womit uns die letzte Grundlage für jeden Zweifel daran entzogen ist, daß der Text der Heiligen Schrift im wesentlichen genauso überliefert wurde, wie er ursprünglich lautete. Damit können sowohl die Authentizität als auch die weitgehende Unverfälschtheit der Schriften des Neuen Testaments als endgültig erwiesen gelten" F. Kenyon, The Bible and Archaeology, 1940, S.288-89
Der Althistoriker Dr. Jürgen Spiess: "Wie groß ist der zeitliche Abstand, wann wurden die Berichte über Jesus verfaßt? Manche denken, die Berichte seien im Laufe von Jahrhunderten entstanden. Die Texte sind aber spätestens dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre nach den Ereignissen so abgefaßt worden, wie wir sie heute vorliegen haben. »Spätestens« heißt, daß die Forschung sich darüber unklar ist. Eine ganze Reihe von Forschern in neuerer Zeit denkt, daß die Evangelien viel älter sind, schon zwanzig bis dreißig Jahre nach den Ereignissen geschrieben. In jedem Fall ist der zeitliche Abstand wesentlich geringer als der von Tacitus zum meisten, worüber er schreibt und was wir auch in unseren Lehrbüchern über römische Geschichte finden, soweit es auf Tacitus zurückgeht oder auf andere antike Historiker.", Dr. Jürgen Spiess, Jesus für Skeptiker, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1990, 7. Auflage 2002, S.36
Die Handschriften (Manuskripte [Mss]) des NT
a) Das bislang älteste bekannte Fragment (P52)
Hier sieht man das früheste Manuskript, bei dem man sich einig ist, dass es so früh zu datieren ist. Es gibt Leute, die argumentieren, und ich denke, das ist nachvollziehbar, dass es noch frühere Fragmente von Abschriften gibt, aber das wird von der Gesamtheit der Gelehrten noch nicht akzeptiert. Aber alle sind sich einig, dass Manuskript P52, was nichts mit einem amerikanischen Kampfflugzeug des zweiten Weltkriegs zu tun hat, sondern das 52. Papyrus-Manuskript meint, das katalogisiert wurde, das Teile des neuen Testamentes enthält. Ihr seht alles, es ist auf der Rückseite beschrieben und hat die Größe einer Kreditkarte und es stammt ungefähr aus dem Jahr 125 n.Chr., was sehr früh ist. Was mich fasziniert, ist, aus welchem Buch des neuen Testamentes es stammt. Denn vor nicht einmal 150 Jahren überzeugte die Elite der deutschen Bibelkritik fast alle, dass die Evangelien sehr spät entstanden sein mussten, dass sie lange nach der Zeit Jesu geschrieben worden sein mussten. Warum? Man sagte, es muss eine gewisse Zeit verstrichen sein, bis sich dieser Jesus-Mythos hatte entwickeln können. Welches der Evangelien hatte jetzt nun die höchste Sicht von Jesus, welches brauchte am meisten „Evolution“ bis es geschrieben werden konnte? Natürlich das Evangelium des Johannes. So kamen die liberalen Gelehrten zum Schluss, dass das Johannes-Evangelium 250-300 Jahre nach Christus hatte verfasst werden müssen. Woher denkt ihr also, stammt P52? Nun, es handelt sich um einen kurzen Ausschnitt aus dem 18. Kapitel des Johannes-Evangeliums. Mir scheint, dass Gott ein wenig Humor hat und dieses kleine Fragment bewahrt hat, damit all jene Gelehrten ziemlich dumm aus der Wäsche schauen würden, wenn sie denn alle noch lebten. Dieses kleine Fragment kann uns natürlich wenig über den Rest des Johannes-Evangeliums sagen, aber es liegt nahe, dass wir heute noch dasselbe Johannes-Evangelium lesen, weil es genau dem Text entspricht, den wir haben. Es wurde in Ägypten entdeckt, 1920 von Bernard P. Grenfell erworben und wird in der John Rylands Library Manchester, England aufbewahrt.
Der abgebildete Text der Vorderseite lautet rekonstruiert:
(Mit installierter Symbol Schrift wird das Griechische korrekt angezeigt, rot sind die auf dem Fragment sichtbaren Buchstaben markiert)
EIPEN OUN AUTOIS O PILATOS LABETE AUTON UMEIS KAI KATA TON NOMON UMWN KRINATE AUTON EIPON AUTW
OI IOUDAIOI HMIN OUK EXESTIN APOKTEINAI
OUDENA INA O LOGOS TOU IHSOU PLHRWQH ON EI-
PEN SHMAINWN POIW QANATW HMELLEN APO-
QNHSKEIN ISHLQEN OUN PALIN EIS TO PRAITW-
RION O PILATOS KAI EFWNHSEN TON IHSOUN
KAI EIPEN AUTW SU EI O BASILEUS TWN IOU-
DAIWN
Rekonstruktion nach Thiede, Die älteste Evangelien Handschrift?, 4. Auflage, 1994, R.Brockhaus, S.32
Übersetzung:
Da sagte Pilatus zu ihnen: Nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz. Die Juden sagten zu ihm: Uns ist es nicht erlaubt jemanden zu töten; damit das Wort Jesu erfüllt wurde, das er gesagt hatte um zu zeigen welchen Tod er sterben sollte. Da ging Pilatus wieder in das Praetorium hinein und rief Jesus und sagte zu ihm: Bist du der König der Juden?
(Joh 18,31-33)
Der Text der ebenfalls rekonstruierten Rückseite lautet:
EIPEN OUN AUTW O PILATOS OUKOUN BASILEUS EI SU APEKRIQH O IHSOUS SU LEGEIS OTI BASI-
LEUS EIMI EGW EIS TOUTOGEGENNHMAI
KAI ELHLUQA EIS TON KOSMONINA MARTU-
RHSW TH ALHQEIA PAS O WN EKTHS ALHQEI-
AS AKOUEI MOU THS FWNHS LEGEI AUTW
O PILATOS TI ESTIN ALHQEIA KAI TOUTO
EIPWN PALIN EXHLQEN PROS TOUS IOU-
DAIOUS KAI LEGEI AUTOIS EGW OUDEMIAN
EURISKW EN AUTW AITIAN
Rekonstruktion nach Thiede, Die älteste Evangelien Handschrift?, 4. Auflage, 1994, R.Brockhaus, S.32
Übersetzung:
Da sagte zu ihm Pilatus: Also bist du doch ein König? [Es] antwortete Jesus: Du sagst [es], daß ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich zeuge für die Wahrheit; jeder der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. [Es] sagt zu ihm Pilatus: Was ist Wahrheit? Und dies gesagt habend, ging er wieder hinaus zu den Juden und sagt zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.
(Joh 18,37-38a)
"Wegen seines frühen Datums und des Fundortes [Ägypten] - in einiger Entfernung von der überlieferten Abfassung [Kleinasien] - dürfte dieser Teil des Johannesevangeliums das traditionell angenommene Abfassungsdatum des Evangeliums [Ende 1. Jhd. n. Chr.] bestätigen". Norman Geisler, William Nix, A General Introduction to the Bible, 1968, S.268
"Wäre dieses kleine Fragment in der Mitte des 19. Jh. bekannt gewesen, dann hätte die von dem brillanten Ferdinand Christian Baur inspirierte Tübinger Schule nicht behaupten können, das vierte Evangelium sei nicht vor dem Jahr 160 n. Chr. entstanden." Bruce M. Metzger, The Text of the New Testament, S.39
b) Das wahrscheinlich älteste bekannte Fragment (7Q5)
In der Höhle 7 in Qumran wurde ein Fragment gefunden, das die Bezeichnung 7Q5 trägt und wahrscheinlich einzelne Buchstaben aus der Passage Mk 6,52-53 enthält. Es ist 3,9 x 2,7 cm groß und nur auf der Vorderseite beschrieben. Mit einem konfokalen Laser Scanning Mikroskop wurde es laut Carsten Peter Thiede (Historiker und Papyrologe, er leitete die lasermikroskopische Schadensanalyse der Schriftrollen vom Toten Meer) möglich mehr Buchstaben relativ zuverlässig zu erkennen als zuvor. Die neu erkannten Buchstaben untermauern die Theorie, dass es sich tatsächlich um Mk 6,52-53 handelt.
Rekonstruierter Vollbestand der fünf Zeilen nach Thiede, Die älteste Evangelien Handschrift?, 4. Auflage, 1994, R.Brockhaus, S.35
Rot sind die sichtbaren Zeichen:
οu γαρ σuνηκαν] ε[πι τοισ αρτοισ
αλλ ην α]uτων η [καρδια πεπωρω-
μεν]η Και τι[απερασαντεσ
ηλθον εις Γε]ννησ[αρετ και
προσωρμισ]θησα[ν
Interlinearübersetzung nach: Das Neue Testament, Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch, übersetzt von Ernst Dietzfelbinger, Hänssler, 1994, S.166
οu (nicht) γαρ (denn) σuνηκαν] (hatten sie verstanden) ε[πι (aufgrund) τοισ (der) αρτοισ (Brote)
αλλ (sondern) ην (es war) α]uτων (ihr) η [καρδια (Herz) πεπωρω-
μεν]η (verhärtet) Και (Und) τι[απερασαντεσ (hinübergefahren)
ηλθον (kamen sie) εις (nach) Γε]ννησ[αρετ (Gennesaret) και (und)
προσωρμισ]θησα[ν (legten an)
Markus 6,52-53
Besonders umstritten war das Ny (v (griech. Kleinbuchstabe) in der Rekonstruktion, N (griech. Grossbuchstabe) im Original) in Zeile 2 (αuτων). Es konnte jedoch mit einem elektronischen Stereomikroskop nachgewiesen werden, dass tatsächlich ein Ny vorliegt.
"Im April 1992 brachte Carsten Peter Thiede den Papyrus zur forensischen Forschungsabteilung der israelischen Staatspolizei in Jerusalem, um ihn dort unter einem elektronischen Stereomikroskop untersuchen zu lassen. Und hier wurden erstmals die Überreste einer diagonalen Linie sichtbar, die am oberen Ende des linken vertikalen Strichs begann (den manche für ein Jota gehalten hatten) und sich nach rechts unten hinzog. Die Linie war nicht vollständig - ihre Spuren brachen schon nach wenigen Millimetern ab, doch war sie lang und gerade genug, um zu überzeugen:
Es mußte sich um den diagonalen mittleren Strich eines Ny gehandelt haben. O‘Callaghan, Hunger und andere hatten recht - der umstrittene Buchstabe war und ist ein Ny, und infolgedessen lautet das betreffende Wort auton, wie es sein muß, wenn es sich um die Stelle Markus 6,52 handelt." Carsten Peter Thiede, Matthew d' Ancona, Der Jesus Papyrus, Luchterhand, 1996, München, S.70
Bemerkenswert ist, dass es bislang nicht gelungen ist, in der gesamten Antike irgend einen anderen griechischen Text zu finden, der zu den sichtbaren Buchstaben passt:
"[...] das Fragment 7Q5, enthält in Zeile 4 eine seltene Buchstabenkombination (Ny/ Ny/ Eta/ Sigma [ννησ]), die O'Callaghans Neugier weckte. Die ersten Herausgeber hatten im Zusammenhang damit an das griechische Wort egennesen (»zeugte«) und damit an einen genealogischen Text (eine Art Stammtafel) gedacht. Das Problem war jedoch, daß es einen solchen Text, zu dem dann auch die anderen Worte des Fragments hätten passen müssen, in der gesamten biblischen oder außerbiblischen griechischen Literatur nicht gab. Dies aber war geradezu eine Herausforderung für O'Callaghan. Er bedachte und prüfte, welche anderen griechischen Wörter die Buchstabenfolge Ny/ Ny/ Eta/ Sigma enthalten könnten, und nachdem er Wörter ausgesondert hatte, die nicht in den inhaltlichen Zusammenhang paßten, kam er auf die überraschend naheliegende Idee, es mit dem griechischen Namen des »Galiläischen Meeres« zu versuchen - des Sees Gennesaret. [...] Für O'Callaghan aber begannen nun erst die Probleme. Denn erstaunlicherweise gibt es in der gesamten griechischen Fassung des Alten Testaments (der Septuaginta) nur eine einzige Stelle, an der der Name des fraglichen Sees in einer Form erscheint, in der die Buchstabenfolge »Ny/ Ny/ Eta/ Sigma« vorkommt. Dies ist das deuterokanonische (nach evangelischer Auffassung: apokryphe) Erste Buch der Makkabäer 11, 67, wo sich die Namensform »Gennesar« findet. An anderen Stellen dagegen heißt der See »Chenereth« oder »Chenara«. Doch keiner der übrigen lesbaren Buchstaben des Fragments 7Q5 paßte zu 1. Makkabäer 11, 67. Was war zu tun? Sollte man die Suche aufgeben? [...]
Da auch das Neue Testament durchweg zum Bestand der in griechischer Sprache abgefaßten antiken Literatur gehört, erschien es O'Callaghan als ein selbstverständlicher Schritt, auch neutestamentliche Texte in seine Forschungen einzubeziehen. Und tatsächlich: O'Callaghan fand eine Passage, in der nicht nur die Bezeichnung »Gennesaret« vorkam, sondern bei der auch alles andere offenbar paßte - Markus 6, 52 - 53" Carsten Peter Thiede, Matthew d' Ancona, Der Jesus Papyrus, Luchterhand, 1996, München, S.57-58
Daraus ergibt sich folgende Schlußfolgerung:
"Da die Qumran-Höhlen im Jahre 68 n. Chr. kurz vor der Eroberung durch die 10. römische Legion »Fretensis« verlassen wurden und auch nach Abzug der römischen Garnison gut sechzig Jahre später dort archäologisch nachweisbar keine Neubesiedlung oder -benutzung durch andere stattfand, muß alles dort gefundene Textmaterial älter sein als 68 n. Chr. Mittlerweile haben zumindest Papyrologen keine Schwierigkeit mehr damit, die Schlußfolgerungen in ihre Arbeit einzubeziehen.
Während die Debatte um das Fragment 7Q4 in jüngster Zeit noch einmal aufflackerte, darf die langanhaltende Kontroverse um 7Q5 als abgeschlossen gelten: Es gibt ein Schriftrollen-Fragment des Markus-Evangeliums, vor 68 n. Chr. in einer Qumran-Höhle deponiert, als Teil einer judenchristlichen Textsammlung, die ursprünglich und wohl über die Zwischenstation Jerusalem aus Rom dorthin kam." Carsten Peter Thiede, Ein Fisch für den römischen Kaiser, Luchterhand Literatur Verlag, München, 1998, S.357
Wenn in Zukunft keine diese Theorie erschütternden Indizien auftauchen, muss das Markus Evangelium deutlich vor 68 n.Chr. datiert werden: wahrscheinlich in die 40er oder 50er Jahre. Laut Stefan Enstes ist die Identität des Fragments mit der Markusstelle in Monographie Kein Markustext in Qumran (2000) als widerlegt. Somit besteht hier diskussionsbedarf.
c) Die Chester-Beatty-Papyri (90-200 n.Chr) (P45 P46 P47)
Diese Sammlung enthält Papyrus-Codizes, von denen drei größere Teile des Neuen Testamentes wiedergeben. Sie befinden sich im C.Beatty-Museum in Dublin, ein Teil ist im Besitz der Universität von Michigan.
Sir Frederic Kenyon schrieb dazu:"Das Nettoresultat dieser Entdeckung - bei weitem die Wichtigste seit der Entdeckung des Sinaiticus - ist eine Verringerung des Zeitabstandes zwischen den früheren Manuskripten und den traditionellen Daten der neutestamentlichen Bücher, und zwar so weit, daß er bei jeglicher Diskussion über ihre Authentizität belanglos geworden ist. Kein anderes Buch der Antike hat ein so frühes und überreiches Textzeugnis, und kein unvoreingenommener Gelehrter würde leugnen, daß der uns überlieferte Text im wesentlichen unverdorben ist." F.G. Kenyon, The Bible and Modern Scholarship, London, 1948
Diese Seite (s.o) aus dem P46 zeigt den Anfang des Hebräerbriefes.
Die Überschrift z.B. lässt sich gut erkennen:
PROS EBRAIOUS
PROS EBRAIOYS (Umschrift)
An (die) Hebräer (Übersetzung)
"Die bedeutendsten Papyri sind die »Chester Beatty Biblical Fragments«, die um 1930 entdeckt wurden. Einer dieser Papyri enthält Teile der vier Evangelien und der Apostelgeschichte und wird auf das dritte Jahrhundert datiert [P45]. Ein weiterer Papyrus enthält große Teile von acht Paulus-Briefen sowie Teile des Hebräer-Briefes und wird etwa auf das Jahr 200 datiert [P46]. Und der dritte Papyrus enthält eine ansehnliche Auswahl aus dem Buch der Offenbarung und stammt ebenfalls aus dem dritten Jahrhundert [P47]." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, S.69
P46 wurde 1988 von Young Kyu Kim nach eingehender paläographischer (die Lehre von den Formen und Mitteln der Schrift; Handschriftenkunde) Untersuchung redatiert auf das spätere 1. Jhd (Nestle-Aland datierte ihn auf 200 n.Chr.). Dazu haben intensive Schrift- und Schreibstilanalysen und -vergleiche mit anderen bekannten Handschriften aus dem 1. Jhd. geführt. Der P46 enthält grosse Teile vom Römer und 1.Thess und fast alles vom 1.Kor, 2.Kor, Gal, Phil, Kol und Hebräerbrief.
d) Die Bodmer Papryi (150-200 n.Chr.) (P66 P72 P75)
Der P66, der üblicherweise auf 200 n.Chr. datiert wird, befindet sich in der Bodmer Bibliothek für Weltliteratur in Cologny und enthält den größten Teil des Johannes Evangeliums und gehört zu den wichtigsten Entdeckungen neutestamentlicher Manuskripte seit dem Ankauf der Chester-Beatty-Papyri.
Herbert Hunger, der Direktor der Papyrus-Sammlungen der Staatsbibliothek Wien, datiert den Papyrus früher, nämlich Mitte bis erste Hälfte des 2. Jhd.; siehe sein Artikel in: Bruce M. Metzger, The Text of the New Testament, S. 39f.
"Der Bodmer-Papyrus II (150-200 n. Chr.) wurde in den 50er und 60er Jahren von einem Händler in Ägypten gekauft und befindet sich heute in der Bodmer-Bibliothek für Weltliteratur. Er enthält den größten Teil des Johannesevangeliums. Die wichtigste Entdeckung neutestamentlicher Papyri seit dem Ankauf der Chester-Beatty-Manuskripte (s. u.) war die Anschaffung der Bodmer-Kollektion durch die Bibliothek für Weltliteratur in Culagny in der Nähe von Genf. P66, datiert von etwa 200 n. Chr. oder noch früher, enthält 104 Blätter von Joh 1,1-6,11; 6,35b-14,26; außerdem Fragmente von 40 anderen Seiten, Joh 14-21. Der Text ist eine Mischung von alexandrinischen und westlichen Schriftarten, und dann gibt es über 20 Abänderungen zwischen den Linien, die allesamt zur westlichen Familie gehören." Norman L. Geisler/William E. Nix, A General Introduction to the Bible, S.390
Abgebildet ist hier nur Joh 1,1-14. Zu erkennen ist auch die Überschrift (Inscriptio):
EUAGGELION KATA IWANNHN
EYAGGELION KATA IOANNEN (Umschrift)
Evangelium nach Johannes (Übersetzung)
Wenn man den P66 mit dem rekonstruierten NT Urtext nach Nestle-Aland (Novum Testamentum Graece, 27. Auflage, 1998, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart), auf dem fast alle heutigen Übersetzungen des NT basieren, vergleicht, dann kann man erkennen, dass beide ziemlich genau übereinstimmen (bis auf ein paar unwesentliche Unterschiede - eigentlich klar, da der rekonstruierte NT Urtext v.a. auf diesen Papyrus Handschriften, wie der P66 eine ist, basiert => es soll damit verdeutlicht werden, dass der rekonstruierte Urtext tatsächlich mit diesen alten Papyri übereinstimmt). Der erste Vers ist beispielhaft, interlinear ins Deutsche übersetzt um zu zeigen, wie dann eine dt. Bibelübersetzung entsteht:
1:1 EN (Im) ARCH (Anfang) HN (war) O (das) LOGOS (Wort) KAI (und) O (das) LOGOS (Wort) HN (war) PROS (bei) TON (-) QEON (Gott) KAI (und) QEOS (Gott) HN (war) O (das) LOGOS (Wort)
1:2 OUTOS HN EN ARCH PROS TON QEON
1:3 PANTA DI AUTOU EGENETO KAI CWRIS AUTOU EGENETO OUDE EN O GEGONEN
1:4 EN AUTW ZWH HN KAI H ZWH HN TO FWS TWN ANQRWPWN
1:5 KAI TO FWS EN TH SKOTIA FAINEI KAI H SKOTIA AUTO OU KATELABEN
1:6 EGENETO ANQRWPOS APESTALMENOS PARA QEOU ONOMA AUTW IWANNHS
1:7 OUTOS HLQEN EIS MARTURIAN INA MARTURHSH PERI TOU FWTOS INA PANTES
PISTEUSWSIN DI AUTOU
1:8 OUK HN EKEINOS TO FWS ALL INA MARTURHSH PERI TOU FWTOS
1:9 HN TO FWS TO ALHQINON O FWTIZEI PANTA ANQRWPON ERCOMENON EIS TON KOSMON
1:10 EN TW KOSMW HN KAI O KOSMOS DI AUTOU EGENETO KAI O KOSMOS AUTON OUK
EGNW
1:11 EIS TA IDIA HLQEN KAI OI IDIOI AUTON OU PARELABON
1:12 OSOI DE ELABON AUTON EDWKEN AUTOIS EXOUSIAN TEKNA QEOU GENESQAI TOIS
PISTEUOUSIN EIS TO ONOMA AUTOU
1:13 OI OUK EX AIMATWN OUDE EK QELHMATOS SARKOS OUDE EK QELHMATOS ANDROS
ALL EK QEOU EGENNHQHSAN
1:14 KAI O LOGOS SARX EGENETO KAI ESKHNWSEN EN HMIN KAI EQEASAMEQA THN
DOXAN AUTOU DOXAN WS MONOGENOUS PARA PATROS PLHRHS CARITOS KAI ALHQEIAS
Quelle des griechischen Textes: www-user.uni-bremen.de/~wie/GNT/John.html aber in griech. Grossbuchstaben, da P66 ist eine Majuskel ist.
Übersetzung: Ernst Dietzfelbinger, Das Neue Testament, Interlinearübersetzung, Griechisch-Deutsch, 5. korrigierte Auflage, 1994, S.385
Vollständig und eng am griechischen Wortlaut in verständliches Deutsch übersetzt, liest es sich dann so:
Joh 1
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Dieses war im Anfang bei Gott.
3 Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.
4 In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt.
6 Da war ein Mensch, von Gott gesandt, sein Name Johannes.
7 Dieser kam zum Zeugnis, daß er zeugte von dem Licht, damit alle durch ihn glaubten.
8 Er war nicht das Licht, sondern <er kam,> daß er zeugte von dem Licht.
9 Das war das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.
10 Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht.
11 Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an;
12 so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben;
13 die nicht aus Geblüt, auch nicht aus dem Willen des Fleisches, auch nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Übersetzung: Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel, 1994, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal und Zürich
Dr. Bruce Metzger erklärte zur Papyrusgruppe, der dieser Papyrus angehört:
"Eine [...] wichtige Gruppe von Papyri wurde von Martin Bodmer, einem Schweizer Bibliophilen, erworben. Die ältesten Papyri stammen etwa aus dem Jahr 200 und enthalten etwa zwei Drittel des Johannes-Evangeliums [einer davon ist P66]." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, S.69
Papyrus 72 wird datiert auf ca. 200 n.Chr. Es ist die frühste Abschrift, die wir vom 1. und 2. Petrus-Brief und vom Judas-Brief besitzen. Enthalten ist 2. Petrus 1,1, welches die Granville Sharp Regel beinhaltet, das ist einer der bedeutenden Hinweise auf die Gottheit Christi, wo von der Gerechtigkeit «unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus» die Rede ist. Zu dieser Zeit war die christliche Gemeinde unter Verfolgung: Der Mann, der dieses Manuskript abschrieb, riskierte sein Leben dabei, als er es abschrieb.Wenn man das mit dem geschulten Auge betrachtet, sieht man, dass dieser Mann kein professioneller Schreiber war. Womöglich war es ein Geschäftsmann, vielleicht ein Sklave, er reiste vermutlich umher, kam in eine Versammlung und hörte vielleicht jemand aus diesem Text vorlesen, den er nicht kannte. Und so fragte er: „Sind das die Petrus-Briefe? Die haben wir in unserer Versammlung nicht, darf ich diese kopieren“? Leute, die man mit christlichen Schriften unterm Arm erwischt hatte, die hat man teilweise den Löwen vorgeworfen aufgrund dieses Vergehens. Wenn ihr ein wenig Kirchengeschichte von dieser Zeit lest, werdet ihr von der wirklich heftigen Verfolgung von Christen damals lesen. Hier haben wir einen Text von jemandem, der das Wort Gottes so sehr liebte, dass er sein Leben riskierte um daran zu kommen. Und was so wunderbar daran ist, ist, dass ich heute diesen Text mit meiner modernen Ausgabe des griechischen Neuen Testamentes rauf und runter lesen kann. Heute haben wir Texte, die vor 1800 Jahren geschrieben worden sind. Wir sehen in P72 den ersten und zweiten Petrus-Brief, geschrieben von einem christlichen Zeitgenossen vor 1800 Jahren. Und da ich den Text dort für mich übersetzt hatte, kann ich euch sagen, dass der Text genau das beinhaltet, was ihr heute in eurer Bibel findet. Toll ist: Wenn ihr einen modernen kritischen Text habt, könnt ihr euch genau anschauen, was in diesem Papyrus stand. Wir haben als Christen nicht zu verbergen, wie wir zu unserem Bibeltext kommen.
"P75, ein weiteres frühes Manuskript, das Bodmer erworben hat, ist ein auf einem einzigen Papyrus zusammengefasster Kodex von Lukas und Johannes … die Herausgeber, Victor Martin und Rodolphe Kaser, datieren dieses Manuskript zwischen 175 und 225 n. Chr. Es ist also die früheste bekannte Kopie des Evangeliums nach Lukas und eine der frühesten des Evangeliums nach Johannes." Bruce M. Metzger, The Text of the New Testament, S. 41
e) Die Lesartenfrage (Unterschiede zwischen NT Handschriften)
Kommen wir nochmal auf die Lesearten zurück.
Fenton John Anthony Hort, dessen Lebenswerk der Erforschung der Handschriften galt und der allgemein als Sachverständiger anerkannt wird, führte dazu folgendes aus:
"Der Anteil der Wörter, die von allen Seiten als so gut wie über alle Zweifel erhaben akzeptiert werden, ist sehr groß: nicht weniger - ungefähr gerechnet - als sieben Achtel des Ganzen. Das restliche Achtel, das zum großen Teil durch Änderungen in der Reihenfolge und ähnliche Trivialitäten gebildet wird, stellt demnach den gesamten Bereich der Kritik dar.
Wenn die in dieser Ausgabe befolgten Grundsätze richtig sind, kann dieser Bereich noch sehr verringert werden. Bei voller Anerkennung der Pflicht, sich in den Fällen, wo das Material das Urteil zwischen zwei oder mehr Lesarten in der Schwebe läßt, jeglicher vorgefaßter Entscheidungen zu enthalten, finden wir - abgesehen von Unterschieden in der Rechtschreibung - ,daß die Wörter, die unserer Meinung nach noch Zweifel offenlassen, nur ungefähr ein Sechzehntel des gesamten Neuen Testaments ausmachen. Bei dieser zweiten Schätzung ist der Anteil der vergleichbar unbedeutenden Unterschiede erheblich größer als bei der ersten; so daß die Summe dessen, was überhaupt wesentliche Unterschiede genannt werden kann, lediglich einen Bruchteil der gesamten Unterschiede ausmacht und kaum mehr als ein Tausendstel des gesamten Textes bilden dürfte." Fenton J.R. Hort, Brooke Foss Westcott, The New Testament in the Original Greek, Bd.1, New York, Macimillian, 1881, S.2
D.h. Hort kommt auf einen Anteil von Worten im NT, die nicht gesichert sind, der im Bereich von 0,1% liegt. D.h. er behauptet umgekehrt, dass 99,9% aller Worte des NT als zuverlässig betrachtet werden können.
Geisler und Nix kommen zu einem etwas höheren Anteil an Worten des NT, die relevante Varianten darstellen. Sie bemerken zu den vorherigen Ausführungen Horts indem sie ebenfalls von einem Achtel an Varianten vom gesamten Text des NT ausgehen: "Nur etwa ein Achtel aller Varianten ist von Gewicht, da die meisten nur mechanische Dinge wie Rechtschreibung oder Stil betreffen. Das heißt, daß nur etwa ein Sechzigstel des Gesamttextes als in seinen Varianten >wesentliche Unterschiede< enthaltend angesehen werden kann. Mathematisch würde das einen Text ergeben, der zu 98,33 Prozent rein ist." Norman L. Geisler, William E. Nix, A General Inroduction to the Bible, Chicago, Moody Press, 1968, S.365
Geisler und Nix rechnen folgendermassen:
Zu 1/8 aller Wörter des NT gibt es Varianten, von denen wiederum 1/8 relevante Varianten sind.
(1/8 [Menge der gesamten Varianten in Bezug auf das NT])*(1/8 [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf die gesamten Varianten]) = 1/(8*8) = 1/64 = 0,015625
=> d.h. dass der Anteil aller relevanten Varianten 1/64 aller Worte des NT beträgt oder in Prozentwerten ausgedrückt: 1/64 = 0,015625 => 0,015625 * 100% = 1,5% [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT]
Nun wird großzügig aufgerundet auf 1/60 = 0,01666 und wieder auf Prozentwerte umgerechnet, es werden dadurch etwas mehr relevante Varianten, nämlich:
0,01666*100% = 1,666% [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT]
=> d.h. 1,666% des NT ist der Anteil der relevanten Varianten [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT].
100% [alle Wörter des NT] - 1,666% [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT] = 98,333%
=> d.h. 98,333% der Wörter des NT sind ohne relevante Varianten.
Von Seiten der Bibelkritik wurde immer wieder behauptet, dass eine "schöpferische Gemeinde" in einer Redaktions- und Editionsgeschichte den resultierenden uns vorliegenden Text des NT in einer langen Überlieferungskette zusammencompiliert hätte. Zu dieser Annahme gibt es jedoch aufgrund der existierenden Lesartenunterschiede keine Grundlage:
Der Texthistoriker Ulrich Victor vom Institut für Urchristentum und Antike an der Humboldt-Universität in Berlin untersuchte hierzu das NT (im besonderen den P66) und verglich die Textgeschichte des NT mit anderen antiken Texten, er kam zu folgendem Schluss:
"Ich fasse zusammen: 1. Es ist nach dem Befund in der handschriftlichen Überlieferung des Neuen Testamentes auszuschließen, daß es je eine Editionsgeschichte der Evangelien gegeben hat. Die Evangelien sind in der Form verfaßt worden, in der sie uns vorliegen. Es ist also Abschied zu nehmen von einem Ur-Markus, einem eschatologischen Ur-Johannes etc. 2. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die vorliegenden Evangelien auf einer mehr oder weniger langen theologisch und literarisch schöpferischen "Gemeinde"-Tradition von sehr zahlreichen mündlich und/oder schriftlich umlaufenden Einzelstücken gründen. Eine solche Tradition hätte sich in einer so großen Zahl von gewichtigen Textvarianten niedergeschlagen, daß deutliche Spuren davon geblieben wären."
Quelle: Was ein Texthistoriker zur Entstehung der Evangelien sagen kann, http://www.bsw.org/project/biblica/bibl79/Comm14.htm
Verfasser der Evangelien
a) Identität der Autoren der Evangelien (Wer schrieb die Evangelien?)
"Die Evangelienerzählungen sind insofern anonym, als sie keine Aussage beinhalten wie: "Ich, Matthäus, schrieb dies," oder so ähnlich. Der Grund für diese Anonymität ist unbekannt. Vielleicht wollten sie dadurch, dass sich die Autoren eher in den Hintergrund stellten, ihr eigentliches Thema, Jesus, hervorheben. Trotzdem waren die Autoren ihren ursprünglichen Lesern und Zuhörern wahrscheinlich bekannt. Der Prolog des Lukas (1,1-4) weist darauf hin, dass der Autor dem Empfänger und Gönner Theophilus bekannt ist. Gleicherweise ist der Autor des Johannesevangeliums einer Gruppe bekannt, die sich für ihn in Johannes 21,24 verbürgt. Somit waren zumindest zwei der Evangelien für ihre Empfänger nicht anonym.
Angesichts dieser Tatsachen ist es bedeutsam, dass die frühchristliche Tradition die kanonischen Evangelien einstimmig Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zuschreibt und dass die frühesten noch erhaltenen Papyri auch Titel haben, die alle nur den traditionellen Autor angeben. Das findet seine natürlichste Erklärung darin, dass diese Männer wirklich die Verfasser sind und dies der christlichen Gemeinschaft allgemein bekannt war. Anderenfalls erfordert der völlige Verlust der richtigen Namen und deren vollständiger Ersatz durch eine einzige Gruppe von Pseudonymen eine Erklärung - einer Gruppe zudem, in welcher drei der vier Namen relativ unbekannt sind. Man würde meinen, dass für erfundene Namen jeder Apostelname geeigneter wäre als Markus und Lukas und jeder der bedeutenderen Apostel -- Petrus, Paulus, Jakobus, Andreas, Philippus oder Thomas -- geeigneter als Matthäus.
Im folgenden fassen wir das von ausserhalb der Evangelien stammende historische Beweismaterial für die traditionellen Verfasser kurz zusammen. Papias, Bischof der Gemeinde von Hierapolis in Kleinasien und ein alter Mann im Jahre 130 n. Chr., nennt Matthäus und Markus als Evangelienautoren und weist darauf hin, dass Matthäus in Hebräisch oder Aramäisch geschrieben hat, und beschreibt Markus als einen, der die Erinnerungen des Petrus aufgeschrieben hat. Papias selber war ein Schüler des Apostels Johannes [Aufgezeichnet bei Eusebius, Kirchengeschichte, 3.39.15-16.].
Justin der Märtyrer bekehrte sich irgendwann vor 130 n. Chr. zum Christentum, nachdem er viele der zeitgenössischen Philosophien studiert hatte. Er spricht über die Evangelien als die "Memoiren der Apostel" [Justin, Apologien, 1.33, 66, 67; Dialog mit Tryphon 100-104, 105, 106, 107.]. Er sagt, dass sie "von den Aposteln und ihren Nachfolgern" geschrieben wurden [Dialog 103.7], was auch dem entspricht, dass sie traditionell zwei Aposteln (Matthäus und Johannes) und zwei Apostelnachfolgern zugeschrieben werden (Markus von Petrus, Lukas von Paulus). Er zitiert oder erwähnt Angelegenheiten aus jedem der vier Evangelien, und spielt anscheinend auf das Markusevangelium als die Memoiren des Petrus an[Dialog 106.3]. Justin schrieb in den fünfziger Jahren des zweiten Jahrhunderts, aber anscheinend fand sein Dialog mit dem Juden Tryphon bereits in den dreissiger Jahren statt.
Der in Italien im späten zweiten Jahrhundert anonym geschriebene Kanon Muratori ist am Anfang beschädigt, aber er führt Lukas als Autor des dritten Evangeliums an und Johannes als Autor des vierten [http://www-user.uni-bremen.de/~wie/texteapo/muratori.html].
Irenäus, Bischof von Lyon in Frankreich um 180, wuchs in Kleinasien auf und studierte bei Polykarp, einem Schüler des Apostels Johannes; er nennt alle vier Verfasser der Evangelien und gibt für drei davon die ungefähren Daten ihrer Enstehung an [Gegen die Häresien 3.1.2.].
Clemens und Origenes, christliche Lehrer in Alexandria um das Jahr 200, erwähnen alle vier Evangelien mit den traditionellen Verfassern [Clemens, Outlines, zitiert bei Eusebius, Kirchengeschichte 6.14.5; Origines, Kommentar zu Matthäus 1, zitiert bei Eusebius 6.25.3ff]. Keiner dieser Männer gibt uns irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass sie nur vermuten, Neuerungen eigeführt oder voneinander abgeschrieben hätten. All dies deutet darauf hin, dass diese Informationen Allgemeinwissen der vorhergehenden Generation waren."
Interdisciplinary Biblical Research Institute (IBRI), DIE BIBLISCHEN ERZÄHLUNGEN DER OSTERWOCHE: SIND SIE GLAUBWÜRDIG?, Robert C. Newman, Biblical Theological Seminary
Quelle: http://www.newmanlib.ibri.org/RRs/Translations/RR01Easter_German.htm
Die Kirchenväter überlieferten folgendes über die Entstehung der Evangelien (ich habe die Evangelisten Mt, Mk, Lk, Jh, der besseren Übersichtlichkeit wegen, fett markiert):
Der Kirchenvater Irenäus, Bischof von Lyon geb. um 135 in Kleinasien, gest. um 202 schrieb über die Entstehung der Evangelien:
"Matthäus verfaßte seine Evangelienschrift bei den Hebräern in hebräischer Sprache, als Petrus und Paulus zu Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche gründeten. Nach deren Tod zeichnete Markus, der Schüler und Dolmetscher Petri, dessen Predigt für uns auf. Ähnlich hat Lukas, der Begleiter Pauli, das von diesem verkündete Evangelium in einem Buch niedergelegt. Zuletzt gab Johannes, der Schüler des Herrn, der an seiner Brust ruhte, während seines Aufenthaltes zu Ephesus in Asien das Evangelium heraus."
Irenäus, Gegen die Häresien III 1,1f, Fünf Bücher gegen die Häresien. Übersetzt von Prof. Dr. E. Klebba. Buch I-III (= BKV 3). Kempten-München 1912, S.209
Dann nochmals über den Evangelisten Johannes:
"Denselben Glauben verkündete Johannes, der Schüler des Herrn. Durch die Verkündigung seines Evangeliums wollte er jenen Irrtum widerlegen, den Kerinthus unter die Menschen gebracht hat und viel vor ihm die sogenannten Nikolaiten, die ein Abzweig der fälschlich so genannten Gnosis sind. [...] Alles Derartige wollte der Schüler des Herrn austilgen und als Richtschnur der Wahrheit in der Kirche aufstellen, daß es nur einen allmächtigen Gott gibt, der durch sein Wort alles gemacht hat, das Sichtbare und das Unsichtbare [...]"
Irenäus, Gegen die Häresien III 11,7, Fünf Bücher gegen die Häresien. Übersetzt von Prof. Dr. E. Klebba. Buch I-III (= BKV 3). München 1912, S.237f.
Und über den Evangelisten Lukas berichtet er:
"Dieser Lukas war unzertrennlich von Paulus und dessen Mitarbeiter im Evangelium, wie er selbst in aller Bescheidenheit kundtut. Nachdem sich nämlich Barnabas und Johannes, mit Beinamen Markus, von Paulus getrennt und nach Cypern eingeschifft hatten, "kamen wir nach Troas" [...] Da Lukas bei all diesem zugegen war, hat er alles sorgfältig verzeichnet, damit er weder als lügnerisch noch als aufgeblasen gescholten werden könne, da ja alle diese Dinge feststehen und er unleugbar älter ist als alle, die jetzt anders lehren und die Wahrheit nicht kennen. War er doch nicht allein ein Begleiter, sondern auch Mitarbeiter der Apostel und besonders des Paulus"
Irenäus, Gegen die Häresien III 14,1, Fünf Bücher gegen die Häresien. Übersetzt von Prof. Dr. E. Klebba. Buch I-III (= BKV 3). München 1912, S.265f.
Der Kirchenvater Eusebius von Cäsarea geb. 260/265 in Palästina, gest. 338/339 in Cäsarea überlieferte folgendes über die Entstehung des Matthäus- und des Johannesevangeliums:
"6Matthäus, der zunächst unter den Hebräern gepredigt hatte, schrieb, als er auch noch zu anderen Völkern gehen wollte, das von ihm verkündete Evangelium in seiner Muttersprache [...] 7Nachdem nun Markus und Lukas die von ihnen gepredigten Evangelien herausgegeben hatten, sah sich nach der Überlieferung auch Johannes, der ständig sich mit der mündlichen Predigt des Evangeliums beschäftigt hatte, zur Niederschrift veranlaßt, und zwar aus folgendem Grunde: Nachdem die zuerst geschriebenen drei Evangelien bereits allen und auch dem Johannes zur Kenntnis gekommen waren, nahm dieser sie, wie man berichtet, an und bestätigte ihre Wahrheit und erklärte, es fehle den Schriften nur noch eine Darstellung dessen, was Jesus zunächst, zu Beginn seiner Lehrtätigkeit, getan habe. Mit dieser Erklärung hatte er auch recht. 8Denn es ist klar, daß die drei Evangelien nur das, was der Heiland nach der Gefangensetzung Johannes des Täufers während eines einzigen Jahres getan hatte, aufgezeichnet haben, und daß sie dies auch am Anfange ihrer Berichte zu erkennen geben. [...] 11Nach der Überlieferung hat nun deshalb der Apostel Johannes auf Bitten hin über die Zeit, über welche die früheren Evangelisten geschwiegen haben, sowie über die in diese Zeit, d. i. vor die Gefangennahme des Täufers, fallenden Taten des Erlösers in einem eigenen Evangelium berichtet [...] 12Johannes erzählt also in seinem Evangelium das, was Christus getan hatte, noch ehe der Täufer ins Gefängnis geworfen wurde; die übrigen drei Evangelisten aber berichten die auf die Einkerkerung des Täufers folgenden Ereignisse." Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte. III 24,6f.11f. Übersetzt von Philipp Haeuser (= BKV II.1). München 1932, S.130-132
Und über die die Abfassung des Markusevangeliums schrieb er:
"1So sehr erleuchtete das Licht der Religion die Herzen der Zuhörer des Petrus, dass sie sich nicht damit begnügen wollten, ihn ein einziges Mal nur gehört zu haben, sie wollten von der Lehre seiner göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher wandten sie sich inständig mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des Evangeliums, den Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen. Und sie standen nicht eher von den Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So wurden sie die Veranlassung zum sogenannten Markusevangelium. 2Nachdem Petrus durch eine Offenbarung des Geistes von dem Vorfall Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im sechsten Buch seiner Hypotyposen berichtet und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis überein. Petrus gedenkt des Markus in seinem ersten Brief, den er in Rom selbst verfasst haben soll, was er selbst andeutet, indem er diese Stadt bildlich Babylon nennt, wenn er sagt: 'Es grüsst euch die miterlesende Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn.' [1.Petr 5,13]" Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte. II 15,1 Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, Studienausgabe 1997, S.131f
und weiter unten:
"15Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, daß er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen. 16So berichtete Papias über Markus. Bezüglich des Matthäusevangeliums überlieferte er weiter: "Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte." Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte III 39,15f. Übersetzt von Philipp Haeuser (= BKV II.1). München 1932, S.153f.
Über die Reihenfolge der Entstehung der Evangelien berichtete erneut Eusebius:
"5In dem gleichen Werke teilt Klemens bezüglich der Reihenfolge der Evangelien eine Überlieferung mit, welche er von den alten Presbytern erhalten hatte. Dieselbe lautet: diejenigen Evangelien, welche die Genealogien enthalten, seien zuerst geschrieben worden [dt. Geschlechtsregister, Matthäus (Mt 1,1-17) und Lukas (Lk 3,23-38) enthalten diese Geschlechtsregister Jesu]. Das Evangelium nach Markus habe folgende Veranlassung gehabt. 6Nachdem Petrus in Rom öffentlich das Wort gepredigt und im Geiste das Evangelium verkündet hatte, sollen seine zahlreichen Zuhörer Markus gebeten haben, er möge, da er schon seit langem Petrus begleitet und seine Worte im Gedächtnis habe, seine Predigten niederschreiben. Markus habe willfahren und ihnen der Bitte entsprechend das Evangelium gegeben. [...]
7Zuletzt habe Johannes in der Erkenntnis, daß die menschliche Natur in den Evangelien (bereits) behandelt sei, auf Veranlassung seiner Schüler und vom Geiste inspiriert ein geistiges Evangelium verfaßt. Soweit Klemens." Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte VI 14,5-7 (= BKV II.1). Übersetzt von Philipp Haeuser. München 1932, S.280f.
b) Die Autoren des NT benutzten Augenzeugenberichte, bzw. waren selbst Augenzeugen
Das NT basiert auf Augenzeugenberichten, wie es die Quellen (d.h. die Jünger Lukas, Johannes und Petrus in ihren Schriften) selbst bezeugen (alles was mit Augenzeugen zu tun hat, ist der Übersichtlichkeit wegen, fett gedruckt):
Lk 1,1-4
1 Da es nun schon viele unternommen haben, einen Bericht von den Ereignissen zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben,
2 wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen[1] und Diener des Wortes gewesen sind,
3 hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, hochedler Theophilus, der Reihe nach zu schreiben,
4 damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.
[1] griech. autopths/autoptes: der Augenzeuge, etw. mit den eigenen Augen sehen oder gesehen haben
=> Lukas, der Arzt, ein Reisegefährte des Paulus, gründete sein Evangelium auf die Aussagen von Augenzeugen.
Joh 19,32-35
32 Da kamen die Soldaten und brachen dem ersten die Beine und auch dem andern, der mit ihm gekreuzigt war.
33 Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, daß er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht;
34 sondern einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus.
35 Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr, und er weiß, daß er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubt.
=> Johannes, ein Jünger, stand selbst unter dem Kreuz und hat mit angesehen, wie Jesus dort gestorben ist.
Joh 20,24-29
24 Thomas aber, einer von den Zwölfen, genannt Zwilling, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
25 Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger in das Mal der Nägel lege und lege meine Hand in seine Seite, so werde ich nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen und Thomas bei ihnen. <Da> kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und trat in die Mitte und sprach: Friede euch!
27 Dann spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
29 Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig <sind>, die nicht gesehen und <doch> geglaubt haben!
=> Der Jünger Thomas konnte erst dann an die Auferstehung Jesu glauben, als er Jesus nach seinem Tod am Kreuz mit eigenen Augen gesehen, und ihn mit eigenen Händen befühlt hatte.
Apg 26,25-26
25 Paulus aber spricht: Ich bin nicht von Sinnen, hochedler Festus, sondern ich rede Worte der Wahrheit und der Besonnenheit.
26 Denn der König weiß um diese Dinge, zu dem ich auch mit Freimütigkeit rede; denn ich bin überzeugt, daß ihm nichts hiervon verborgen ist, denn nicht in einem [verborgenen] Winkel ist dies geschehen.
=> D.h. die Ereignisse um Jesu Leben und Sterben waren offensichtlich so allgemein bekannt, dass sich Paulus vor einem römischen Statthalter (Festus war etwa von 60–62 n.Chr. Statthalter des römischen Kaisers in Palästina) öffentlich darauf beziehen konnte; es war also keine Geheimlehre, die Paulus vertrat.
2.Petr 1,16
16 Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, nicht indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern weil wir Augenzeugen[1] seiner herrlichen Größe gewesen sind.
[1] griech. epoptai/epoptai: der Betrachter, der Beobachter, Augenzeuge von etwas sein
=> Petrus hat als Jünger Jesu miterlebt, was Jesus gesagt und getan hat. Er hatte es aus Jesu Mund selbst gehört und ihn mit eigenen Augen gesehen.
1.Joh 1,1-3
1 Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens
2 - und das Leben ist geoffenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist -,
3 was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.
=> Der Jünger Johannes betonte ebenfalls, dass sie (die Jünger) Jesus ("das Wort des Lebens", siehe Joh 1) gesehen, gehört und betastet haben.
Auch die Kirchenväter überlieferten, dass die Augenzeugen der damaligen Ereignisse um Jesus mit den hl. Schriften (AT und NT) in Übereinstimmung waren:
Irenäus, Bischof von Lyon, ein Schüler des Polycarp, der seinerseits ein Schüler des Apostels Johannes war, geb. um 135 in Kleinasien, gest. um 202, berichtet über seinen Lehrer Polycarp:
"Was auch immer die Dinge waren, die er[2] bezüglich des Herrn gehört hatte, bezüglich beidem, seiner Wunder und seiner Lehren, Polycarp hatte dieses von den Augenzeugen des Wortes des Lebens empfangen, so erzählte er all die Dinge in Übereinstimmung mit den Schriften. Diesen Dingen, hörte ich[3] durch Gottes Gnade, die auf mir war, aufmerksam zu und hielt sie in Ehren, nicht indem ich sie aufschrieb, sondern indem ich sie in meinem Herzen bewahrte und ich fahre durch Gottes Gnade fort, mich an diese Dinge genau zu erinnern." Irenäus Fragmente, II; Eusebius, Kirchengeschichte, 5.20.8 (siehe ausführlicherer Text hier)
[2] Polycarp [3] Irenäus
Ärchäologische Indizien
Es gibt durch die Archäologie zahlreiche Hinweise darauf, dass das NT historisch zuverlässig ist:
a) Pontius Pilatus, Statthalter von Judäa
Pontius Pilatus war nach dem Pilatusstein Präfekt, nach Josephus und Tacitus Prokurator (beides bedeutet in deutsch 'Statthalter') der römischen Provinz Judäa. Das NT (z.B. Lk 3,1: Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war...) bezeichnet ihn einfach als griech. hegemoneuo (hgemoneuw), eine allg. Bezeichnung für Statthalter ohne seinen exakten römischen Titel näher zu benennen.
Ein Prokurator (lat. procurator) regierte eine röm. Provinz für den röm. Kaiser, im Gegensatz zum Prokonsul, der dem röm. Senat unterstellt war. Ein Präfekt (lat. praefectus) wurde von einem Magistrat oder dem Kaiser mit der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe in Verwaltung oder Militär betraut.
Paul L. Maier, Professor für Altertum an der Western State Michigan University, USA, hält Präfekt für den richtigen Titel, da es Prokuratoren erst später gegeben hätte: "Siehe Antonio Frova, »L'Iscrizione di Ponzio Pilato a Cesárea«, Rendiconti Istituto Lombardo (Accademia di Scienze e Lettere), 95 (1961), 419-34. Von großer Bedeutung ist es, daß die Inschrift Pilatus als Präfekten bezeichnet und damit den Anachronismus, Prokurator (Krieg ii, 9, 2) und Tacitus (Annalen xv, 44) korrigiert. Prokuratoren gab es erst seit Claudius. Das Neue Testament benutzt statt Prokurator das griechische Wort für Gouverneur. Frova vermutet, daß das Tiberieum eine »piazza porticata« gewesen sei in der Nähe des Theaters des Herodes, möglicherweise eine Art »porticus post scaenam«. Bei B. Lifshitz (Latomus XXII, 1963, S. 783) und A. Degrassi; (Rendiconti dell'Accademia Nazionale dei Lincei XIX, 1964, S. 59-65) wurden diese Fragen diskutiert."
Paul. L. Maier, Pilatus, 1970, R. Brockhausverlag, Wuppertal, 1. Taschenbuchausgabe 1982, S. 356, engl. Originalausgabe "Pontius Pilate", 1968, Doubleday & Co., New York
"Nachdem Archelaus (Mt2,22 [Als er [Josef, Mann der Maria, Mutter Jesu] aber hörte, daß Archelaus über Judäa herrschte anstelle seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dahin zu gehen; und als er im Traum eine göttliche Weisung empfangen hatte, zog er hin in die Gegenden von Galiläa]) abgesetzt worden war (6 n.Chr.), kam Judäa unter röm. Verwaltung. An der Spitze der Provinz stand ein Prokurator, der dem Prokonsul von Syrien unterstellt war. Der fünfte in der Reihe dieser Statthalter, der Nachfolger des Valerius Gratus, war Pontius Pilatus, der i. J. 26 auf Veranlassung des mächtigen Sejan von Kaiser Tiberius eingesetzt wurde." Fritz Rieneker, Lexikon zur Bibel, 1960 Brockhaus Verlag, Wuppertal, 2. Sonderauflage 1991, 19. Gesamtauflage, S.1079
Josephus berichtete über Pilatus' Einsetzung als Prokurator folgendermassen:
"Nach elf Jahren in Judäa kehrte Gratus nach Rom zurück und wurde von Pontius Pilatus abgelöst. [...]
Nachdem Pilatus von Tiberius als Prokurator nach Judäa gesandt worden war, verlagerte er seine Truppen aus Cäsarea in die Winterquartiere nach Jerusalem und brachte Büsten des Kaisers in die Stadt, die auf den militärischen Standarten aufgestellt wurden, obwohl unser Gesetz es verbietet, Bilder anzufertigen. Aus diesem Grund benutzten die früheren Prokuratoren, wann immer sie die Stadt betraten, Standarten, auf denen sich keine solchen Ornamente befanden. Pilatus war der erste, der diese Büsten nach Jerusalem brachte und dort aufstellte. Dies tat er ohne Wissen des Volkes, da er die Arbeit nachts ausführen ließ. Als die Juden diese Büsten sahen, eilte eine große Menge zu Pilatus nach Cäsarea und flehte ihn tagelang an, die Bilder zu entfernen. Pilatus weigerte sich, weil er diese Bitte als Beleidigung des Kaisers verurteilte. Aber als sie nicht aufhörten, ihn zu bedrängen, befahl er am sechsten Tag seine Truppen in Angriffstellung, als er selbst das Rednerpodium betrat. Dieses war im Stadion gebaut worden, das das Heer, das in Wartestellung lag, verbergen konnte. Als die Juden ihn wieder baten, gab er ein Zeichen. Die Juden wurden plötzlich von dichten Truppenringen umgeben, die ihre Schwerter gezogen hatten, und Pilatus drohte ihnen mit dem Tod, wenn sie ihren Tumult nicht beendeten. Aber sie entblößten ihren Hals und erklärten, sie würden lieber sterben, als ihre Gesetze zu übertreten. Über einen solchen religiösen Eifer gegenüber ihren Gesetzen erstaunt, verlagerte Pilatus die Standbilder sofort von Jerusalem nach Cäsarea." Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, XVIII,55, zit. nach Paul L. Maier, Josephus, eine illustrierte Kurzfassung seiner Hauptwerke, Neuhausen Stuttgart, Hänssler, 1994, S. 267
Im Jüdischen Krieg II,169ff ist eine kürzere Version dieser Erzählung. Sie fügt die Details hinzu, dass die Standarten, die nachts nach Jerusalem gebracht worden waren, auch verhüllt und verborgen wurden, und dass sich die Volksmenge in Cäsarea fünf Tage und Nächte bewegungslos vor Pilatus' »Haus« (möglicherweise Herodes' Palast) auf dem Boden gelagert hatte. Die Truppen, die die Juden im Stadion umringten, waren in der dreifacher Überzahl.
Pilatus wurde 36 n.Chr. auf Veranlassung der Samariter, die sich bei Vitellius, dem Prokonsul von Syrien beschwerten, von ihm abgesetzt.
Josephus berichtete über Pilatus' Absetzung so:
"Die Samariter blieben ebenfalls nicht von Schwierigkeiten verschont. Ein Demagoge überredete sie, mit ihm auf den Berg Garizim zu gehen, wo er ihnen die heiligen Gefäße zeigen wollte, die Mose angeblich dort vergraben hatte. Eine große Menschenmenge traf bewaffnet am Berg ein, aber Pilatus versperrte ihnen mit Kavallerie und schwerbewaffneter Infanterie den Weg nach oben. In dem Zusammenstoss, der folgte, wurden einige getötet, die übrigen verstreut oder gefangengenommen. Pilatus ließ dann die Rädelsführer und bedeutende Mitläufer hinrichten.
Nachdem der Aufstand niedergeschlagen war, ging der samaritische Rat zu Vitellius, dem Statthalter Syriens, und beschuldigte Pilatus des Massakers. Vitellius schickte Marcellus, einen seiner Freunde, der die Kontrolle über Judäa übernehmen sollte, und befahl Pilatus, nach Rom zurückzukehren und sich vor dem Kaiser gegen die samaritischen Vorwürfe zu verteidigen. Pilatus gehorchte Vitellius' Befehlen, da er sich diesen nicht widersetzen konnte, und eilte so nach zehn Jahren in Judäa nach Rom. Aber bevor er in Rom eintraf, war Tiberius bereits gestorben." Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, XVIII,85, zit. nach Paul L. Maier, Josephus, eine illustrierte Kurzfassung seiner Hauptwerke, Neuhausen Stuttgart, Hänssler, 1994, S. 270
Tacitus erwähnt Pilatus, als er über die Christen schrieb:
"Es waren jene Leute, die das Volk wegen ihrer (angeblichen) Schandtaten haßte und mit dem Namen »Christen« belegte. Dieser Name stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. [lat. Christus Tiberio imperante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio affectus erat]"
Tacitus, Annalen XV.44
Auch Philo von Alexandria (Philo Judaeus) (* um 15/10 v. Chr.; † nach 40 n. Chr.) ein jüdisch-hellenistischer Verfasser theologisch-philosophischer und historischer Schriften, berichtet ebenfalls über Pilatus:
"Pilate was one of the emperor's lieutenants, having been appointed governor of Judaea. He, not more with the object of doing honor to Tiberius than with that of vexing the multitude, dedicated some gilt shields in the palace of Herod, in the holy city;"
Philo, ON THE EMBASSY TO GAIUS, XXXVIII.
Der Pilatusstein
"Im Jahr 1961 entdeckte ein italienischer Archäologe, Antonio Frova, in Cäsarea Maritima [einer Hafenstadt am Mittelmeer] eine Inschrift auf einer Steinplatte, die zur Zeit der Entdeckung als ein Teil von Stufen benutzt wurde, die ins Theater von Cäsarea hineinführten. Die lateinische Inschrift hatte vier Zeilen, drei davon waren teilweise entzifferbar. Grob übersetzt lauteten sie so: »Tiberium – Pontius Pilatus – Präfekt von Judäa«.
Dieser beschriebene Stein war vermutlich anfangs im Fundament eines »Tiberiums« (eines Tempels, in dem der Kaiser Tiberius angebetet wurde) und später dann an der Stelle verwandt worden, wo man ihn dann entdeckt hatte. Die Inschrift belegt den Titel »Präfekt« für Pontius Pilatus, zumindest für eine gewisse Zeit während seiner Regierung. Tacitus und Josephus sprechen später von ihm als vom »Prokurator«. Das NT nennt ihn »Statthalter« (Mt 27,2), ein Ausdruck, der beide Titel in sich vereint. Diese Inschrift ist der einzige archäologische Beweis für Namen und Titel von Pilatus." David S. Dockery, Foundations for Biblical Interpretation, S. 360
"Im Sommer 1961 fand eine italienische archöologische Expedition bei Ausgrabungen in Cäsarea einen schzig bis neunzig Zentimeter hohen Stein mit dieser ungeheuer wichtigen Inschrift - der einzige epigraphische Beweis für die Existenz des Pilatus ist damit entdeckt worden." Paul. L. Maier, Pilatus, 1970, R. Brockhausverlag, Wuppertal, 1. Taschenbuchausgabe 1982, S. 86, engl. Originalausgabe "Pontius Pilate", 1968, Doubleday & Co., New York
Der Stein wird im Israelmuseum in Jerusalem aufbewahrt. Die linke Seite des Steines ist weggehauen und weiterverwendet worden, so dass nur "TIUS PILATUS" von Pilatus Namen in der mittleren Zeile übriggeblieben ist.
Die rekonstruierte Inschrift bedeutet (die vermuteten Buchstaben sind in eckige Klammern [] gesetzt):
[DIS AUGUSTI]S TIBERIÉUM
[...PO]NTIUS PILATUS
[...PRAEF]ECTUS IUDA[EA]E
[...FECIT D]E[DICAVIT]
Die Übersetzung der Inschrift vom Lateinischen ins Englische lautet:
To the Divine Augusti [this] Tiberieum
...Pontius Pilate
...prefect of Judea
...has dedicated [this]
Ins Deutsche übersetzt, liest es sich dann so:
Dem göttlichen Augustus [dieses] Tiberieum
...Pontius Pilatus
...Präfekt von Judäa
...hat [dieses] gewidmet
b) Gallio, Prokonsul von Achaja
Apg.18:12-13
12 Als aber Gallio Prokonsul von Achaja war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf und führten ihn vor den Richterstuhl
13 und sagten: Dieser überredet die Menschen, Gott entgegen dem Gesetz zu verehren.
Von Gelehrten wurde bezweifelt, dass Gallio Prokonsul von Achaja gewesen sein soll, da relativ viel über ihn bekannt war (er ist der Bruder des unter Nero wirkenden Philosophen Seneca) aber Tacitus, Seneca und andere berichteten nichts über eine Amtszeit als Prokonsul in Achaia, bis in Delphi in Griechenland zwischen 1885-1910 folgende Inschrift (wiss. Bez.: SIG 2 no. 801 D) auf griechisch gefunden wurde: "... Lusius Junius Gallio, mein Freund, und der Prokonsul von Achaia...".
Sie besteht aus 9 Bruchstücken, wurde in Kalkstein geschrieben und befindet sich im École Francaise d'archéologie in Athen, Griechenland. Das Besondere an dieser Inschrift ist, ist, dass sie relativ genau auf das Jahr 52 n.Chr. datiert werden kann und man somit einen Fixpunkt für die Datierung von Paulus Leben erhält.
Der Professor McRay schrieb über diese Inschrift:
"In Delphi, fanden Archäologen einen Stein welcher einmal wahrscheinlich an der Außenmauer des Tempels des Apollo befestigt war. Beschriftet ist sie mit einer Kopie eines Briefes von Klaudius an die Stadt Delphi, welche Gallio einen Freund von Klaudius und Prokonsul von Achaia nennt." McRay, Archaeology & the New Testament, 1991, S. 226
c) Johanan Ha’galgol ein Kreuzigungsopfer des 1.Jhds.
Dass es im 1.Jhd. in der röm. Provinz Judäa (heutiges Israel) wirklich Kreuzigungen von Juden gegeben hat, wie es das NT bezeugt, zeigen beispielhaft die Überreste eines um ca. 70 n.Chr. gekreuzigten Juden namens Johanan Ha’galgol (J'hochanan Ben Hagkol/Yahanan Ben Ha'galgal). Der Archäologe V. Tzaferis vom Israeli Department of Antiquities and Museums legte in Givát ha-Mivtar (Ras el-Masaref), nördlich von Jerusalem am Skopusberg vier Höhlengräber frei. Diese Familiengräber waren aus weichem Kalkstein herausgehauen. In Grab I, das aufgrund von Tongefäßfunden in das 1. Jhd. n. Chr. datiert wird fanden sich mehrere Ossuarien. Ossuarium 4, das den Namen Yahanan Ben Ha'galgal trägt, enthielt die Knochen eines erwachsenen Mannes und eines Kindes. Die Reste des erwachsenen Skelettes wurden von Dr. N. Haas von der Abteilung für Anatomie an der hebräischen Universität und der Hadassah Medical School untersucht. Er schrieb über den Erwachsenen:
"Beide Fersen waren von einem großen eisernen Nagel durchbohrt. Die Schienbeine waren gebrochen, offenbar mit Absicht. Der Tod war durch Kreuzigung eingetreten." N. Haas, Anthropological Observations on the Skeletal Remains from Giv'at ha-Mivtar. Israel Exploration Journal 20, 1970, S. 20,42
Das nächste Bild ist eine Rekonstruktion der Kreuzigungsszene von Johanan Ha’galgol (oder J'hochanan Ben Hagkol oder auch Yahanan Ben Ha'galgal) mit den Fundsachen: Ossuarium 4 und der von einem 11,5 cm langen Nagel durchbohrte Fersenbeinknochen mit den Resten vom Olivenholz des Kreuzes.
d) Die historische Genauigkeit, besonders des Lukas, ist archäologisch bezeugt
Althistoriker Dr. Jürgen Spieß schreibt zu Lukas:
"Manche Kritiker sagen: Die Bibel will gar nicht historisch verstanden werden. Man schlage einmal den Anfang des Lukasevangeliums auf (Lukas 1,1-4). Dort notiert Lukas für eine bestimmte Person, er sei der Sache sorgfältig nachgegangen und bemühe sich, sie der Reihe nach aufzuschreiben. Da steht auf griechisch »akribisch« (akribos): sorgfältig und geordnet (zeitlich oder thematisch). Also kann man mindestens bei Lukas sagen, daß er historisch ernstgenommen werden will. Wenn man die überlieferten Texte im Neuen Testament mit anderen antiken Texten vergleicht, merkt man, daß sie wirklich historisch sein wollen. Dazu findet man weitere Hinweise in Kapitel 3 des Lukasevangeliums. Da heißt es am Anfang: »Im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus ... und Herodes ...«, und dann werden noch ein paar Namen aufgezählt, die man heute noch entfernt mit der Weihnachtsgeschichte verbindet. Das war die antike Zählweise. »Im fünfzehnten Jahr des X.«, so zählte man in der Antike. Lukas kommt es durchaus auf Genauigkeit an.", Dr. Jürgen Spiess, Jesus für Skeptiker, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1990, 7. Auflage 2002, S.33
Und so geschah es, dass Archäologen in den Berichten des Lukas immer wieder auf historische Fakten stießen. Allein im ersten Vers des dritten Kapitels seines Evangeliums nennt Lukas fünfzehn historische Fakten, die allesamt als echt nachgewiesen wurden:
Lukas 3:1
"Im fünfzehnten Jahr [Fakt Nr.1] der Herrschaft des Kaisers Tiberius [Nr. 2], als Pontius Pilatus [Nr. 3] Statthalter [Nr. 4] in Judäa [Nr. 5] war und Herodes [Nr. 6] Landesfürst [Nr. 7] von Galiläa [Nr. 8] und sein Bruder Philippus [Nr. 9] Landesfürst [Nr. 10] von Ituräa und der Landschaft Trachonitis [Nr. 11 und 12] und Lysanias [Nr. 13] Landesfürst [Nr. 14] von Abilene [Nr. 15] ..."
Bis hinein in die Einzelheiten, zum Beispiel die verschiedenen Rangbezeichnungen römischer Beamter in den verschiedenen Städten und Provinzen des Reiches, ist Lukas als Geschichtsschreiber genau.
So berichtet er, daß es in Thessalonich "Stadtpräfekten" gab (Apostelgeschichte 17,6; politarches , Luther übersetzt: "Oberste"), in Malta einen "Ersten" (28,7; protos, Luther: "Oberster"), in Philippi zwei "Prätoren" (16,20; strategoi, Luther: "Stadtrichter") und in Ephesus einen "Stadtschreiber" (19,35; grammateus, Luther: "Kanzler"). Alle diese unterschiedlichen Bezeichnungen sind aufgrund von archäologischen Funden, von Inschriften die an den jeweiligen Orten entdeckt wurden, bestätigt worden.
Sir William Ramsay, ein bedeutender Archäologe, schrieb über Lukas:
"Lukas ist ein Historiker ersten Ranges; nicht nur seine faktischen Aussagen sind verbürgt, er besitzt eine echte historische Gesinnung; er richtet seine Gedanken fest auf die Idee und den Plan die in der geschichtlichen Entwicklung regieren, und paßt das Ausmaß seiner Abhandlung der Bedeutung jeder Begebenheit an. Er ergreift die wichtigsten und bedeutendsten Geschehnisse und zeigt ausführlich ihr wahres Wesen auf, während er vieles, was für seine Zwecke wertlos war, nur leicht berührte oder ganz ausließ. Kurz gesagt, dieser Autor sollte zu den allergrößten Historikern gerechnet werden." Sir William Ramsay, The Bearing of the Recent Discovery on the Trustworthiness of the New Testament, London, 1915, S.222
F. F. Bruce sagte zur historisch exakten Arbeitsweise von Lukas, die sich durch alle seine Schriften zieht: "Es ist anzunehmen, daß ein Mann, dessen Exaktheit in Angelegenheiten, die uns zur Prüfung offenliegen, erwiesen ist, auch da mit aller Sorgfalt vorgegangen ist, wo wir nicht mehr die Möglichkeit haben, seine Angaben zu überprüfen ... Der Bericht des Lukas erlaubt es uns, ihn als Schriftsteller von gewohnheitsmäßiger Genauigkeit zu bezeichnen.“ F.F.Bruce, Die Glaubwürdigkeit der Schriften des Neuen Testamentes, S.97
Der Tübinger Neutestamentler und Experte für die Geschichte des frühen Judentums zur Zeit des Neuen Testaments Martin Hegel kam über Lukas zu folgendem Ergebnis: "Er ist nicht bloßer >Erbauungsschriftsteller<, sondern ernst zu nehmender Historiker und Theologe zugleich. Seine Berichterstattung hält sich durchaus im Rahmen dessen, was in der Antike als zuverlässig galt. Das bedeutet: Die Versicherung des Verfassers Lk 1,3 [Lk 1,3-4 ...hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, hochedler Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.] ist mehr als bloße Konvention, sie enthält ein echtes theologisch-historisches Programm." Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, Stuttgart, 1979, S.56
Und Hengel nochmals zum lukanischen Gesamtwerk: "Wir wissen zu wenig, als daß wir es uns leisten könnten, in hyperkritischer und d.h. zugleich geschichtsfeindlicher Attitüde Quellenaussagen ohne genau ins Detail gehende Prüfung von vornherein zu verwerfen, d.h. wertvolle, da spärliche Quellen vor eingehender Prüfung zu "zerstören". Dies geschieht, wenn man Lukas ohne wirkliche Begründung vorwirft, er habe diese oder jene Fakten frei erfunden. Eine derartige Haltung müßte heute, nach über 200 Jahren "historisch-kritischer" Arbeit am Neuen Testament und den damit verbundenen Sünden, eher als unkritisch-unhistorisch bezeichnet werden. Die eigentliche Gefahr in der (Evangelien- und) Actaauslegung ist nicht mehr eine ängstliche Apologetik, sie führt inzwischen in der wissenschaftlichen Arbeit weithin ein Schattendasein, sondern die hyperkritische Ignoranz und Arroganz, die - oft in Verbindung mit einer enthemmten Phantasie - jedes Verständnis für die lebendige geschichtliche Wirklichkeit verloren hat.
Die Apostelgeschichte halten wir gegen eine verbreitete Anti-Lukas-Scholastik für ein Werk, das bald nach dem 3. Evangelium von Lukas dem Arzt verfaßt wurde, dem Reisebegleiter des Paulus ab der Kollektenreise nach Jerusalem. D.h., sie ist, zumindest zum Teil, als Augenzeugenbericht für die Spätzeit des Apostels, über die wir aus den Briefen nur wenig erfahren, eine Quelle aus erster Hand." Martin Hengel, Ana Maria Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Mohr Siebeck, S.10
Es gibt noch eine Fülle an weiteren Informationen über die Archälogische Zuverlässigkeit des Neuen Testaments, jedoch würde dies alles auflisten, den Rahmen sprengen. Hier sei bemerkt, dass sich in den Quellen und Referenzen weitere Informationen über diese Themen bieten.
Wären die Evangelien frei erfunden, würden sie völlig anders aussehen
W.S.Peake hinterfragte die Ansicht mancher, die Evangelien würden mit Jesu Lehre nichts Neues bringen, das hätte es alles früher schon einmal bei anderen gegeben:
"Manchmal heisst es: 'Alles was Jesus sagte, war vor ihm schon von anderen gesagt worden.' Nehmen wir einmal an, daß das stimmt; was folgt dann? Originalität kann ein Verdienst sein oder auch nicht. Wenn die Wahrheit bereits ausgedrückt worden ist, liegt der Verdienst in ihrer Wiederholung und darin, sie neu und umfassender anzuwenden. Aber es gibt hier noch andere Dinge, die zu beachten sind. Wir haben keinen anderen Lehrer, der so vollständig das Triviale, das zeitlich Begrenzte, das Falsche aus seinem System entfernte, keinen der nur das Ewige und Universale wählte und zu einer Lehre verband, in der alle diese grossen Wahrheiten ihr angestammtes Zuhause finden. Diese Parallelen von den Lehren anderer zu der Lehre Christi werden aus dieser und aus jener Richtung zusammengetragen; wie kommt es aber, daß keiner dieser Lehrer mit einer Parallele zu der ganzen Lehre Christi aufwarten kann? Wie kommt es, daß von ihnen Wahrheiten mit Trivialem; Großes mit Absurdem vermischt werden? Wie kommt es, daß ein Zimmermann, ohne besondere Bildung, unwissend in der Weisheit und Kultur der Griechen, geboren aus einem Volk, dessen große Lehrer eng, intolerant, pedantisch und gesetzlich waren, der höchste Religionslehrer wurde, den die Welt je kannte, und die bedeutendste Persönlichkeit der Weltgeschichte?" W.S. Peake, Christianity. It's Nature and it's Truths, London, Duckworth, 1908, S.226f
Dr. Parker argumentierte, dass es unmöglich sei, sich einen Jesus auszudenken: „Man messe die religiösen Lehren Jesu an denen der Zeit und des Landes, da er lebte, oder an denen irgendwelcher Zeit und irgendeines Landes! Man bedenke, welche Wirkung seine Worte und Gedanken in der Welt hervorgebracht haben! Die größten Geister, die reichsten Gemüter haben kein erhabeneres Ziel, keinen besseren Weg aufgezeigt als seinen Weg der vollkommenen Gottes- und Nächstenliebe. Wenn uns gesagt wird, daß solch ein Mensch nie gelebt habe, dann ist die ganze Geschichte eine Lüge. Angenommen, Plato und Newton hätten nie gelebt. Aber wer tat ihre Wunder und dachte ihre Gedanken? Welcher Mensch könnte einen Jesus gemacht haben? Kein anderer als Jesus." Dr. Parker zit. bei: Sadhu Sundar Singh, Geheimnisse des inneren Lebens, 6. Auflage, Heinrich Majer
Verlag, Basel, 1958, Kapitel 8. Leben in Christus, S. 39
Ähnlich formulierte der engl. Philosoph und Logiker John Stuart Mill: "Aber wer unter seinen Schülern oder unter den von ihnen Bekehrten war imstande, die Jesus zugeschriebenen Reden zu erfinden oder das Leben und den Charakter, wie sie uns in den Evangelien entgegentreten, zu erfinden?" John Stuart Mill, Drei Essays über Religion, Stuttgart, Reclam, 1984, S.209f
Auch C.S. Lewis nahm Stellung gegen jene, die meinten, die Evangelien würden hauptsächlich aus erfundenen Legenden bestehen:
"Als Literaturhistoriker bin ich restlos davon überzeugt, daß die Evangelien keine Legenden sind - was immer sie auch sonst sein mögen. Ich habe sehr viele Legenden gelesen, und es ist für mich eindeutig, daß die Jesusgeschichten nicht in diese Gattung passen. Sie sind nicht kunstvoll genug, um Legenden zu sein. In der Darstellung ihrer Inhalte sind sie unbeholfen, sie arbeiten die Dinge nicht sauber heraus. Der größte Teil des Lebens Jesu bleibt uns genau so unbekannt wie das Leben irgendeines seiner Zeitgenossen. Kein Volk, das einen seiner Helden zum legendären Heiligen erheben wollte, würde so etwas zulassen. Auch kenne ich, außer einigen Teilen aus den platonischen Dialogen, in der Literatur des Altertums keinerlei Gespräche, wie sie etwa im Johannesevangelium vorkommen. Bis fast in unsere Zeit gab es sie einfach nicht. Erst vor etwas hundert Jahren, mit dem Aufkommen des realistischen Romans, fand das Gespräch Eingang in die Literatur.
Und noch ein anderer Aspekt: In der Geschichte von der Ehebrecherin wird uns erzählt, Jesus habe sich gebückt und mit dem Finger etwas in den Staub gekritzelt. Joh 8:6 Dies aber sagten sie, ihn zu versuchen, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.] Dieser Hinweis bringt nichts ein. Niemand hat je eine Lehre darauf gegründet. Aber solch kleine unbedeutende Details nur zu erfinden - das wäre ein ganz moderner Kunstgriff. Ist nicht die einzige Erklärung für diese Schilderung die, daß es sich wirklich so zugetragen hat? Der Schreiber erzählte es, einfach weil er es gesehen hatte." - Gott aus der Anklagebank, C.S Lewis
Im engl. Original ist dieses Essay entnommen aus Asking Them Questions, Third series, herausgegeben von Ronald Selby Wright (Oxford University Press, 1950), S.95-104
Der Historiker Will Durant besaß große Erfahrung im Umgang mit der Überprüfung historischer Ereignisse und analysierte sein Leben lang antike Aufzeichnungen. Er schrieb über die Meinung einiger, die Evangelien seien erfunden worden:
"Obwohl die Schreiber der Evangelien sich ganz klar zu Jesus bekennen, berichten sie doch von vielen Begebenheiten, die verschwiegen worden wären, wenn es sich bei den Evangelien um reine Dichtung handeln würde, zum Beispiel das Buhlen der Apostel um die höchsten Plätze im Himmelreich [Mt 20,20–28; Mk 10,35–45], ihre Flucht nach Jesu Festnahme [Mt 26,47-56; Mk 14,43–50], die Verleugnung des Petrus [Mt 26,69-75; Mk 14,66–72; Lk 22,56–62; Joh 18,15–18.25–27], die Bemerkungen einiger Zuhörer Jesu gegenüber bezüglich seines möglichen Wahnsinns [Mk 3,21; Joh 10,20], sein verzweifelter Schrei am Kreuz [Mt 27,46; Mk 15,34]. Beim Lesen spürt man, wie real die Szenen und Handelnden beschrieben werden. Sollte eine Handvoll einfacher Männer tatsächlich eine solch gewaltige Persönlichkeit wie Jesus, eine solch erhabene Ethik und eine solch beeindruckende Idee von Brüderschaft unter den Menschen aus dem Nichts erfunden haben, grenzte dies an ein weit unglaublicheres Wunder als irgendein in den Evangelien beschriebenes Wunder. Auch nach zwei Jahrhunderten historischer Bibelkritik sind das Leben, Reden und Wesen Christi unbeschadet geblieben. Er ist die faszinierendste Person in der Geschichte der westlichen Welt." Will Durant, Caesar and Christ, the Story of Civilisation, New York, 1944, S.557
Ben Witherington III, Professor für Neues Testament in Wilmore, Kentucky: "Ein jüdischer Handwerker wurde von einem römischen Statthalter namens Pontius Pilatus gekreuzigt. Er stand von den Toten auf, erschien mehreren Personen und gründete eine neue Gemeinschaft von Nachfolgern, nachdem seine früheren Anhänger fast alle Hoffnung verloren hatten. Und das im damaligen Orient - einer Kultur, in der sich alles um Ehre und Schande drehte und heute noch dreht. Der Tod am Kreuz war zu dieser Zeit die schändlichste Art zu sterben und absolut kein Märtyrertod, der Ruhm einbrachte. Damals glaubte man, dass die Art des Todes den Charakter der betroffenen Person am besten widerspiegele. Demnach war Jesus ein Schurke, ein Landesverräter - einer, der eine Strafe verdient hatte, die sonst nur aufständischen Sklaven zugemutet wurde. Für die Römer war es die extremste Strafe, und kein römischer Bürger durfte so getötet werden.
Es hätte keinen Sinn ergeben, eine Geschichte von einem gekreuzigten und auferstandenen Mann zu erfinden, der der Retter der Welt sein soll. Es sein denn, man ist überzeugt davon, dass es den geschichtlichen Tatsachen entspricht. Denn die spontane Reaktion auf diese Botschaft wäre so, wie es der früheste Verfasser neutestamentlicher Briefe, Paulus, beschrieben hat: "Für Juden ist das eine Gotteslästerung, für die anderen barer Unsinn." (1. Korinther 1,23)" Ben Witherington III, Biblical Archaeology Review 37/2, 2011, zit. nach: Faszination Bibel, März-Mai 2012, S.20
Schlussfolgerung
F.F.Bruce, Professor für Bibelkritik und Exegese an der University of Manchester, schrieb: "Es gibt keine Sammlung antiker Literatur in der Welt, die sich einer so guten textlichen Bezeugung erfreut wie das Neue Testament." The Books and the Parchments, 1963, S.178
und an einer anderen Stelle: "Wir haben viel mehr Unterlagen für die neutestamentlichen Schriften als für die meisten Schriften der klassischen Autoren, deren Echtheit anzuzweifeln niemand einfallen würde. Wäre das Neue Testament eine Sammlung von weltlichen Schriften, so wäre seine Echtheit im allgemeinen über allen Zweifel hoch erhaben. Es ist eine seltsame Tatsache, dass Historiker den neutestamentlichen Schriften oft viel bereitwilliger Vertrauen geschenkt haben als viele Theologen." F.F. Bruce, Das Neue Testament: glaubwürdig, wahr, verläßlich, Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell, 1997, übs. des engl. Originals: The New Testament Documents - are they reliable?, 1943
"Es gibt kein anderes Dokument in der Antike, das literarisch so gut bezeugt und durch so viele historische Daten abgesichert ist, anhand derer eine vernünftige Entscheidung getroffen werden kann. Wer ehrlich ist, kann eine solche Quelle nicht einfach abtun. Jegliche Skepsis hinsichtlich der historischen Gewährsleute des Christentums basiert auf irrationalen [d.h. in diesem Fall alles Übernatürliche von vornherein ablehnenden] Vorurteilen." Dr. Clark Pinnock, Set Forth Your Case, 1968, S.58
John Warwick Montgomery, Professor für Rechts- und Geisteswissenschaften, Geschichte, Kirchengeschichte und Christliche Philosophie: "…dem so entstandenen Text des Neuen Testamentes skeptisch gegenüberzustehen hieße, die gesamte klassische Antike in dunkle Vergessenheit geraten zu lassen; denn kein Dokument des Altertums ist bibliographisch so gut belegt wie das Neue Testament." History and Christianity (1971), S. 29.
Fenton John Anthony Hort, einer der bedeutendsten Textkritiker aller Zeiten, er verbrachte 28 Jahre seines Lebens mit der Erforschung des neutestamentlichen Textes, schrieb: "In der Vielfalt und Fülle der Belege, auf die er sich stützt, ist der Text des Neuen Testamentes absolut unantastbar und damit einzigartig unter den Prosaschriften des Altertums." Way, Truth and the Life, 1894, S.561
Sir Frederic G. Kenyon, ehemaliger Direktor und Bibliotheksleiter des Britischen Museums und unbestrittene Autorität auf dem Gebiet der biblischen Handschriften, erklärt: "Es kann nicht stark genug betont werden, dass der Text der Bibel seiner Substanz nach gesichert ist, dies gilt besonders fürs Neue Testament. Die Zahl der Manuskripte des Neuen Testaments, seiner ersten Übersetzungen und seiner Zitate seitens der ältesten kirchlichen Verfasser ist so gross, dass es praktisch feststeht, dass die echte Lesart jeder strittigen Stelle in dem einen oder anderen dieser alten Manuskripte erhalten geblieben ist. Das kann man von keinem anderen Buch der Welt sagen." F.G. Kenyon, Our Bible and The Ancient Manuscripts, New York, 1941, S.23
Howard F. Vos, Professor für Geschichte und Archäologie:
"Vom Standpunkt der literarischen Fakten aus ergibt sich als einzig logische Schlußfolgerung, daß die Zuverläßigkeit des Neuen Testamentes wesentlich sicherer ist als bei jedem anderen Schriftstück der Antike." Howard Vos, Can I Trust My Bible, Chicago, 1963, S.176
Nach 40jähriger Forschungsarbeit stellte Prof. Kurt Aland vom Institut für neutestamentliche Textforschung an der Universität Münster zur Überlieferung des Neuen Testaments fest: "Der Text des Neuen Testaments ist hervorragend überliefert, besser als der jeder anderen Schrift der Antike; die Aussicht, dass sich Handschriften finden, die seinen Text grundlegend verändern, ist gleich Null." Kurt Aland, Das Neue Testament zuverlässig überliefert. Die Geschichte des neutestamentlichen Textes und die Ergebnisse der modernen Textforschung, Reihe: Wissenswertes zur Bibel, Teil 4, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, 1986, S.28
Schliesslich wurde auch der Atheist C.S.Lewis Christ:
"Sie müssen sich vorstellen, wie ich allein Abend für Abend in jenem Zimmer in Magdalen saß und, wann immer mein Geist sich auch nur für eine Sekunde von meiner Arbeit erhob, das stetige, unaufhaltsame Nahen dessen spürte, dem nicht zu begegnen ich mir so ernstlich wünschte. Was ich so sehr fürchtete, hatte mich endlich eingeholt.
Im Trinity Term 1929 lenkte ich ein und gab zu, daß Gott Gott war, und kniete nieder und betete; vielleicht in jener Nacht der niedergeschlagenste und widerwilligste Bekehrte in ganz England.
Ich sah damals noch nicht, was mir heute als das Leuchtendste und Offensichtlichste erscheint; nämlich die göttliche Demut, die einen Bekehrten selbst unter solchen Bedingungen annimmt. Der verlorene Sohn [Lk 15: 11-32] ging wenigstens auf seinen eigenen Füßen nach Hause. Doch wer könnte jene Liebe gebührend anbeten, die die hohen Tore einem Abtrünnigen öffnet, der um sich tretend, sich windend, trotzig und in allen Richtungen nach einer Chance zur Flucht Ausschau haltend hereingebracht wird?
Die Worte compelle intrare [Lk 14,16-24: "Da sagte der Herr zu dem Diener: '[...] und nötige die Leute zu kommen, damit mein Haus voll wird'"], zwinge sie einzutreten sind von bösen Menschen so mißbraucht worden, daß uns bei ihnen schaudert; doch richtig verstanden loten sie die Tiefe der Gnade Gottes aus. Die Härte Gottes ist freundlicher als die Weichherzigkeit der Menschen, und sein Zwang ist unsere Befreiung."
C.S.Lewis, Überrascht von Freude, 1992, Brunnen Verlag, Gießen, übs. der engl. Ausgabe »Surprised by Joy. The shape of my early life«, S.274
Quellen: http://cms.bibelbund.de/theologische-aufsaetze/690-textus-receptus-oder-nestle-aland.html
http://lannopez.files.wordpress.com/2011/05/zuverlaessigkeit-des-neuen-testamentes1.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Novum_Testamentum_Graece
http://apologia.de/
http://jesus-der-christus.info/histnt.htm
Referenzen: Der Text des Neuen Testaments - Einführung in die wissenschaftliche Ausgaben und in Theorie wie Praxis der modernen Textkritik, Kurt Aland und Babara Aland
http://jesus-der-christus.info/histnt.htm
Dr. Ehrman hat einige Bücher geschrieben, eines davon hieß „Misquoting Jesus“, das in der New York-Times als Bestseller geführt wurde. Hier hören wir ein Beispiel von der Art von Präsentation, die in unserer Gesellschaft und Kultur oft von Leuten wie Dr. Ehrman gegeben wird.
Was sagt Dr. Bart Ehrman?
Interviewer:
Ich möchte euch hier den bekannten Gelehrten Dr. Bart Ehrman vorstellen, der an der heute
Professor
an der Universität North Carolina ist und Bücher schrieb wie
„Abgeschrieben, falsch zitiert und missverstanden: Wie die Bibel wurde,
was sie ist.“.
Dr.
Ehrman, sie zählten sich früher zu den sogenannten „wiedergeborenen
Christen“ und fingen an Ihren Glauben im Laufe Ihres Studiums in Frage
zu stellen.
Dr. Ehrman:
Ich
fing an, mich mehr für die Bibel zu interessieren, weil ich damals ein
wiedergeborener, bibelgläubiger Christ war und dachte, dass die Worte,
die wir in der Bibel finden, von Gott gegeben waren und so studierte ich
Altgriechisch, der Sprache, in der die Bibel geschrieben ist und
beschäftigte mich mit der Bibel im Grundtext. Und je mehr ich studierte,
umso mehr sah ich dieses große Problem. Wir haben nicht die originalen
Texte oder diesen einen „Urtext“ sondern wir haben lediglich tausende
einzelner Manuskripte aus Jahrhunderten später, die all diese
Veränderungen im Text beinhalten. Wir haben keine Originale und wissen
an mancher Stelle nicht, was in den Originalen stand. Das nahm mir mit
der Zeit den Glauben, dass diese Worte von Gott gegeben wurden...
Was sollen wir davon halten?
Diese Art von Präsentation, die ein Mann abliefert, der als einer der führenden Gelehrten im Bereich der Textkritik gilt, hat viele dazu veranlasst, ihren Glauben an die Zuverlässigkeit des Textes des Neuen Testamentes an sich zu verlieren. Wir sehen hier einen Mann, der sich vom christlichen Glauben abgewandt hat. Man mag sagen: Nun, dafür muss es ja einen Grund geben. Oft, wenn ich mit Leuten spreche, die sich vom Glauben abgewandt haben, stellt sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass die Gründe nicht unbedingt da lagen, wo zuerst behauptet. Tatsache ist, dass ,,Gelehrte'' für ihre Beweise gerne Fakten verdreht darstellen, besonders im Kontext mit den Massenmedien. Bart Ehrman war überall zu hören über das ,,National Public Radio''. Wenn er irgendeinen Gedankenanflut hat, muss das ins Radio. Unglaublich. Aber sie wollen dort keine Gegenstimme geben, die auf das eingeht, was er sagt. Leute, die den Christlichen glauben verteidigen, wird kaum eine Plattform gegeben, denn unsere Gesellschaft will nicht glauben. Die Leute wollen Gründe um den Glauben abzulehnen und Leute wie Bart Ehrman liefern diese Gründe. Ihr habt Dr. Ehrman gerade gehört, wie er sagte: ,,Alles, was wir haben sind Kopien von Kopien von Kopien von Kopien Jahrhunderte nach den urspünglich verfassten Texten.''
Ich
habe sehr viele von Barts Ehrman Präsentationen gehört und wieder und
wieder hört man: ,,Alles, was wir haben ist eine Kopie einer Kopie einer
Kopie, die hundert Jahre später entstand. Es gibt schlicht keine
Möglichkeit zu wissen, was die Orginalen tatsächlich einst gesagt
haben.''
Mitte
der 90er hat Ehrman tatsächlich ein Buch veröffentlicht, das eher ein
Werk für Gelehrte war als für Laien, das er ,,The Orthodox Corruption of
Scripture - The Effect of Early Christiological Controversies on the
Text of the New Testament'' nannte. Dieses Buch hatte in der
akademischen Welt Auswirkungen, weil das alles auf einer zu technischen
und zu schwer verständlichen Ebene geschrieben war, aber solches
Material wird heute regelmäßig veröffentlicht.
Ca. 1750 Jahre nach Irenäus schrieb C.S. Lewis, engl. Literaturhistoriker an der Universität Cambridge und ehemaliger, überzeugter Atheist, über sein inneres Ringen, als er anfing die Wahrheit des NT zu erkennen, es aber nicht wahrhaben wollte: "Anfang 1926 saß mir in meinem Zimmer der hartgesottenste aller Atheisten, die ich je kannte, am Kamin gegenüber und bemerkte, die Beweislage für die Historizität der Evangelien sei überraschend gut. 'Komische Sache', fuhr er fort. 'Dieses ganze Zeug von Frazer über den sterbenden Gott. Komische Sache. Es sieht fast so aus, als wäre es tatsächlich einmal geschehen.'. Um die niederschmetternde Wirkung auf mich zu begreifen, die das auf mich hatte, müßten sie den Mann kennen (der seither bestimmt niemals wieder irgendein Interesse am Christentum zeigte). Wenn er, der Zynischte aller Zyniker, der Zäheste aller Zähen, nicht - wie ich es immer noch ausgedrückt hätte - »gefeit« war, wohin sollte ich mich wenden? Gab es denn keinen Fluchtweg?" (C.S.Lewis, Überrascht von Freude, 1992, Brunnen Verlag, Gießen, übs. der engl. Ausgabe »Surprised by Joy. The shape of my early life«, S. 268)
Die Ausgaben des Neuen Testaments
a) Entstehung des Textus receptus und seine Entwicklung
Bevor wir die Historische/-allg. Zuverlässigkeit, sowie angebliche Fehler im NT besprechen, sollten wir uns erstmal mit den Ausgaben des NT vertraut machen.
Der Bibeldruck beginnt mit einer lateinischen Bibel, zwischen 1452-56 (das genaue Datum lässt sich allerdings nicht festlegen) kam Gutenbergs sog. 42zeilige Bibel in Mainz auf den Markt. Nur noch wenige Dutzende von Examplaren existieren heute, mehrere Millionen Mark muss man für eines davon bezahlen. Mit der Erfindung des Buchdrucks beginnt ein neues Zeitalter - aber nicht für das griechische Neue Testament. Bis in den Anfang des 16 Jahrhunderts musste man warten, bis es gedruckt vorlag - inzwischen waren über 100 Drucke der lateinischen Bibel, mindesten drei des hebräischen Alten Testaments, ja sogar mehrere Drucke des griechischen Psalters erschienen ebenso wie nicht wenige von Bibelübersetzungen ins Deutsche, Französische, Italienische, usw. Anscheinend waren die Theologen der Zeit mit dem lateinischen Text des Neuen Testaments vollauf zufrieden, wer den griechischen heranziehen wollte, musste sich eine Handschrift beschaffen. Dafür erschienen im Anfang des 16. Jahrunderts gleich zwei Ausgaben: Am 10. Januar 1514 wurde der Druck des neutestamentlich Teils der sog. Complutensis beendet, am 1. März 1516 wurde das Novum Instrumentum omne des Humanistenfürsten Erasmus von Rotterdam bei Froben in Basel veröffentlich und in den Handel gebracht. Die Ausgabe des Erasmus, obwohl später fertiggestellt, hat den Ruhm der Erstausgabe (editio princeps) des griechischen Neuen Testaments davongetragen. Welche Handschriften benutzte Erasmus? Er nahm die ihm in Basel bequem zugänglichen Handschriften, für jede Schriftengruppe des Neuen Testaments (Evangelien, Apostolos - d.h Apostelgeschichte und Katholische Briefe -, Paulus, Offenbarung) eine, korrigierte in sie hinein, was er für erforderlich hielt, und gab sie dann direkt in die Druckerei. Für die Offenbarung des Johannes war Erasmus in Basel keine Handschrift zugänglich, er entlieh sie bei seinem Freund Reuchlin. Hier fehlte der Schluss der Offenbarung, Erasmus übersetzte daraufhin 22:16-21 einfach aus dem Lateinischen ins Griechische zurück (undzwar mit verschiedenen Fehlern). Nun sind die zahlreichen Fehler, die die Erstausgabe des griechischen Neuen Testaments enthielt, nicht das entscheidene Manko der Ausgabe, sondern die Textform, die sie hat. Erasmus hatte Handschriften des 12. / 13. Jahrhunderts zugrundegelegt, die sämtlich den byzantinischen Reichstext, die Koine, den Mehrheitstext - und wie man diese Textform immer nennen will - enthielten, d.h. den spätesten und schlechtesten der verschiedenen Texttypen, in denen das Neue Testament überliefert ist - und seine Nachfolger haben das gleiche getan. Das erklärt sich daraus, dass diese Textform im 14./15. Jahrhundert die handschriftliche Überlieferung beherrschte, so ging man selbst da nicht auf die Majuskel zurück, wo man Zugang zu ihnen hatte: Erasmus hätte in Basel daurchaus die Majuskel E aus dem 8. Jahrhundert benutzen können (allerdings hätte er in ihr auch nur einen Zeugen für den - wenn auch frühen - byzantinischen Text gefunden), Beza den Codex Bezae Cantabrigiensis (D EA) und den Codex Claromontanus (DP), die beide in seinem persönlichen Besitzt waren - beide haben es unterlassen. Nun müssen wir im Falle von Beza (Freund und Nachfolger Calvins in der Leitung der Genfer Kirche, der 1565-1604 nicht weniger als 9 Ausgaben des griechischen Neuen Testaments veröffentlichte) dafür sogar dankbar sein, denn wenn der Text des Codex Bezae Cantabrigiensis die Ausgaben der Frühzeit beherrscht hätte, wäre es noch schwieriger gewesen, ihn zu überwinden, als das beim Textus Receptus der Fall war, wofür die Wissenschaft über 300 Jahre gebraucht hat. Als Textus Receptus wird der Text jener Ausgaben von Erasmus ab bezeichnet, seit ein geschäftstüchtiger Verleger (Elzevier 1633) ihn folgendermaßen anpries: Textum ergo habes, nunc ab omnibus receptum: in quo nihil immutatum aut corruptum damus (= du hast hier einen Text in der Hand, der von allen angenommen ist und in dem wir nicht verändert oder verdorben wiedergeben). Tatsächlich sind die Ausgaben von Erasmus an keineswegs im Text gleich, schon die erste nach dessen insgesamt fünft (immer erneut revidierten) Ausgaben erschienene von Colinaeus 1534 (Simon de Colines) wich von ihnen an nicht wenigen Stellen ab, und zwar infolge des Rückgangs teils auf die Complutensis, teils auf neu herangezogene Handschriften. Den größten Einfluss nach Erasmus haben auf das 16. Jahrhundert die Ausgaben des Franzosen Robert Estienne (Stephanus, 1503-1559) und auf das 17. Jahrhundert die der holländischen Verlegerfamilie Elzevier gehabt. Wir überspringen Estienne und Elzevier und gehen zu den Polyglotten. Das sind Bibelausgaben, die nach dem Vorbild der Complutensis nicht nur den hebräischen und griechischen Urtext mit begleitender lateinischer Übersetzung, sondern parallel zu ihnen auch alle sonst erreichbaren alten Übersetzungen wiedergaben. Diese Polyglotten zeigen, welche Mühe in die Feststellung des Textes des Neuen Testaments investiert wurde - aber ohne eigentlichen Erfolg. Denn solange man bei der Grundlage des Textus Receptus blieb, der damals kanonische Bedeutung gewann, war ein eigentlicher Fortschritt nicht möglich. Die Anschauung von der Verbalinspiration, d.h. der irrtumsfreien Eingebung, welche die Orthodoxie beider evangelischer Konfessionen mit Nachdruck verfocht, setzt den Textus Receptus vorraus, mit allen - von heute aus gesehen - Irrtümern, z.B mit allen Zusätzen, über deren sekundären Charakter kein Zweifel sein kann. Der damalige Dekan von Christ Church und spätere Bischof von Oxford, John Fell, hatte für seine Ausgabe des griechischen Neuen Testaments von 1675 bereits mehr als 100 Handschriften benutzt und von den Übersetzungen über die für die Londoner Polyglotte genannte hinaus auch die koptische und gotische. Aber diese indirekte Kritik am Textus Receptus hatte noch zu keinen Änderungen an ihm geführt. Zwar wurde sie zunehmend stärker - schon 1672 hatte der Helmstedter Professor Johann Saubert Varianten dazu gesammelt, aber erst im 18. Jahrhundert beginnt man, den Textus receptus direkt dadurch anzugreifen, dass man nicht nur einen immer umfangreicher werdenden kritischen Apparat zu ihm aus den Lesearten der Handschriften und Übersetzungen hinzufügt, sondern auch entweder angibt, welche Lesearten besser ist als der Text, oder durch ihre Einfügung den Textus Receptus direkt korrigiert. Zuerst waren es die Engländer, die diese Entwicklung vorantrieben: John Mill mit seiner Ausgabe von 1707, Richard Bentley mit seinen Proposals von 1720, Edward Wells und Daniel Mace mit ihren Ausgaben von 1709/19 und 1729 (hier wird der Textus receptus bereits an einer Reihe von Stellen verändert). Dann übernahmen die Deutschen Bengel und Griesbach sowie der in Holland lebende Schweizer Wettstein die Führung. Johann Albrecht Bengel (1687-1752) druckt in seiner Ausgabe von 1734 zwar den Textus receptus ab (allerdings nicht nach einer Ausgabe, wie seine Vorgänger und Nachfolger, sondern unter Heranziehung mehrere, aus denen er jeweils die ihm richtig erscheinende Leseart auswählt). Aber er gibt jeder Leseart des Apparates eine Klassifizierung mit, deren beide ersten (a= sicher für ursprünglich zu halten; ß = dem Textus receptus überlegen, ohne dass man das allerdings mit absoluter Sicherheit sagen könne) praktisch einer Revision des Textus receptus gleichkamen. Bei der Offenbarung schritt Bengel von vornherein zu einer Neukonstituierung des Textes, wobei er - ganz modern - dem Codex Alexandrius (A), aber auch dem Kommentar des Andreas von Cäsarea zur Apolkalypse eine besondere Stellung einräumte. Johann Jakob Wettstein (1693-1754) hat mit seiner zweibändigen Ausgabe von 1751/52 die Bengels dann in den Schatten gestellt. Die Zahl der von ihm dafür herangezogenen Handschriften übertraf alles bis dahin Dagewesene entscheidend, sein Apparat an Parallelstellen aus den jüdischen und heidnischen Schriftstellern zum Neuen Testament wird bis heute noch benutzt. Er hat auch die Bezeichnung der Handschriften durch Sigla eingeführt: der Majuskeln durch Buchstaben, der Minuskel durch Zahlen. Dieses System hat bis ins 20. Jahrhundert forbestanden, erst damals hat Gregory es (unter Beibehaltung der Grundsätze) zur heute üblichen Form fortentwickelt. Johann Jakob Griesbach (1745-1812) hat dann die Editionen des 18. Jahrhunderts mit seiner Ausgabe von 1775/77 (zweite Ausgabe 1796/1806) auf die abschließende Höhe geführt. Seine Wirkungen sind außerodentlich (zahlreiche Ausgaben folgen seinem Vorbild), aber sie sind in der Gegenwart in der Gefahr der Überschätzung: gewiss redete er als erster von den Synoptikern, aber seine damit zusammenhängende Theorie ist nicht aufrecht zu erhalten. Gewiss spricht er von drei Textformen: der abendländischen (= westlichen), der alexandrinischen und der byzantinischen, so wie wir es bis tun, aber er ist dabei von Semler abhängig, der seinerseits auf Bengel zurückgeht. Gewiss hat Griesbach den Textus receptus abgeändert, aber keineswegs in solchem Maße, dass er damit wesentlich über die von Bengel in seinen beiden ersten Gruppen gegebenen Änderungsvorschläge himkäme (auch Wettstein, der die nach seiner Meinung richtigen Lesearten zwischen den von ihm abgedruckten Textus receptus und den kritischen Apparat stellt, bleibt zahlenmäßig hinter Bengel zurück). Die entscheidenen - und bis heute geltenden - Grundsätze der Textkritik sind bereits von Bengel formuliert worden. Ihm wird für das 18. Jahrhundert die Palme gereicht werden müssen.
b) Die Wendung
Die entscheidene Schlacht gegen den Textus receptus und für eine Rückkehr zur frühen Textform wurde erst im 19. Jahrhundert geschlagen, und zwar durch den Berliner Professor der klassischen Philologie Karl Lachmann (1793-1851). Bereits 1830 trug er sein Programm vor: weg vom späten Text des Textus receptus und zurück zum Text der Kirche des ausgehenden 4. Jahrhunderts! Diese Losung bestimmte die Arbeit der folgenden Generationen. Was Lachmann als Programm vortrug, ist dann von Constantin von Tischendorf (1815-1874) verwirklicht worden. Die erste Großtat, die er vollbrachte, war die Entzifferung des Codex Ephraemi Syri rescriptus (C), einer Handschrift des griechischen Neuen Testaments aus dem 5. Jahrhundert, die später abgewaschen und neu mit Abhandlungen des syrischen Kirchenvaters Ephraem überschrieben worden war (eines sog. Palimpsestes).Am spektakulärsten war seine Entdeckung des Codex Sinaiticus im Katharinenkloster auf dem Sinai. Seit 2009 lässt sich der Codex Sinaiticus im Internet vollständig einsehen. Daneben steht noch die Auffindung zahlreicher anderer Majuskel (21, wenn wir richtig Zählen), wenn auch kleineren Umfangs und geringer Bedeutung, auf seinen (mit Unterstützung des Zaren Nikolaus I. unternommen) Reisen in den Orient, sowie der Auswertung von vielen (23?) anderen bisher vernachlässigten. Die Krönung seiner Ausgaben des Neuen Testaments stellt die editio octava critica maior von 1869/72 dar. Dass vor kurzem noch (1965) ein Nachdruck der Ausgabe erschien, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie auch nach über 100 Jahren von aktueller Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit ist. Tischendorf bietet das Material, das zu seiner Zeit bekannt war, vollständig und zuverlässig, wobei das zweite keineswegs selbstverständlich ist. Welche Leistung das war, zeigt sich daran, dass die in der Vergangenheit mehrfach unternommenen Versuche, Tischendorf durch eine Ausgabe zu ersetzten, die auf die gleiche Weise alles bekannte Material an griechischen Handschriften, alten Übersetzungen und Kirchenväterzitaten bot, sämtlich gescheitert sind, in neuster Zeit begenonne Versuche sind noch weit vom Abschluss entfernt. Gewiss verwertet Tischendorf nur etwa 64 Majuskel - wir kennen heute über 300-, nur einen Papyrus (und zwar unvollständig)- wir kennen heute 116 - und von den uns heute bekannten 2812 Minuskeln nur einen ganz geringen Bruchteil, aber - wie schon gesagt - was er bietet, ist vollständig und zuverlässig. Welche Bedeutung Tischendorf dem von ihm gefundenen Codex Sinaiticus zuschrieb, ergibt sich schon aus der Tatsache,
dass er ihm das Siegel א gab. Manche Neutestamentler haben ihm das verübelt und führen den Sinaiticus unter dem Siegel S (wodurch nur Konfusion hervorgerufen wird, denn mit S wird seit vielen Generationen eine Evangelienmajuskel in Rom aus dem Jahre 949 bezeichnet). Für Tischendorf bedeutet das Siegel (s.o) auch die entscheidene Norm bei seiner Festlegung des Textes - hier spielt nicht nur der Entdeckerstolz eine gehörige Rolle, sondern bis zu einem gewissen Maß sind es auch Sachgründe: zum Codex Vaticanus (B) erhielt Tischendorf in den Anfängen seiner Arbeit nun sehr unvollkommen Zugang, denn der Kadinal Mai, welcher selbst eine Ausgabe der Handschrift veröffentlichten wollte, behinderte ihn nach Kräften an ihrem Studium. Als dessen Ausgabe dann 1857 (erneuert und verbessert 1859) erschien und völlig als die erste Reproduktions-Ausgabe 1868/72 veröffentlich wurde, war es zu spät, die Grundlage der Ausgabe zu ändern, ganz abgesehen davon, dass Tischendorfs Grundüberzeugungen damals schon viel zu fest geprägt waren. Anders war die Situation für die Engländer Brooke Foss Westcott (1825-1901, Professor in Cambridge, später Bischof von Durham) und Fenton John Anthony Hort (1828-1892, Professor in Cambridge), deren Ausgabe: The New Testament in the Original Greek 1881 erschien. Für sie bedeutete der Codex Vaticanus den Leitstern, meinten sie doch, in ihm den Repräsentanten des neutralen Textes gefunden zu haben, der über die drei Textformen des alexandrinischen, byzantinischen und westlichen Textes hinaus dem Urtext ganz nahe kam, vor allen Dingen dann, wenn er mit Sinaiticus zusammen ging. Nun gibt es für das Neue Testament keinen neutralen Text. Nicht einmal P75, der dem Codex Vaticanus textlich so nahe steht, dass er in den von ihm überlieferten Teilen von Lukas und Johannes beinahe als dessen Vorlage angesehen werden könnte, kann so bezeichnet werden, obwohl er über 150 Jahre älter ist - alle Handschriften des Neuen Testaments bieten einen lebendigen Text. Außerdem gilt für den Codex Vaticanus, dass er in der Textqualität in den Paulusbriefen abfällt; in den Evangelien und sonst ist er dem Codex Sinaiticus (und allen andern Majuskeln) weit überlegen, in den Paulinen gilt das nicht. Nun stammt der Codex Vaticanus (wie der Codex Sinaiticus) aus der 2.Hälfte des 4.Jahrhunderts, so muss es verwundern, mit welchem Mut Westcott/Hort behaupten, ihre Ausgabe biete das Neue Testament in the original Greek. Denn im Gegensatz zu unserer Generation, die über eine Fülle von Zeugen aus der Zeit davor bis in den Anfang des 2. Jahrhunderts verfügt, endete für Westcott/Horz die direkte Bezeugung des neutestamentlichen Textes im 4. Jahrhundert. Nun machen wir einen kleinen Zeitsprung über Tregelles zu Eberhard Nestle.
c) Novum Testamentum Graece
Im Jahre 1898 wurde die erste Ausgabe des Novum Testamentum Graece von dem deutschen Theologen und Orientalist Eberhard Nestle rausgebracht. Die Ausgabe verfolgte das Ziel, die damals neuen wissenschaftlichen Textausgaben von Tischendorf, Westcott/Hort und Weymouth zusammenzufassen. Der Text konstituierte sich jeweils durch die Mehrheit der drei Ausgaben (ab der 3. Auflage wurde Weymouth durch Bernhard Weiß ersetzt). Damit begann die Bedeutung des bis dahin beherrschenden Textus receptus zu schwinden. Nestle verwendete bereits einen Textapparat, der die von ihm benutzten Textausgaben verzeichnete. Sein Sohn Erwin Nestle entwickelte dann in der 13. Auflage von 1927 die Grundlagen des auch heute noch verwendeten Textapparates. Dort wurden vor allem erstmals die Lesarten der Handschriften, Übersetzungen und antiken Verweisstellen selbst in den Vordergrund gestellt. Ab der 17. Auflage begann er auch, von dem rein mechanischen Mehrheitstext der oben erwähnten drei Ausgaben abzuweichen und Änderungen, basierend auf neuen Erkenntnissen, zuzulassen. Mit der 21. Auflage von 1952 wurde Kurt Aland Mitarbeiter der Edition. Hier wurde der Apparat durchgängig mit den Originalhandschriften abgeglichen. Vor allem wurden auch die seit 1930 neu gefundenen Papyri aus dem 2. und 3. Jahrhundert einbezogen. Mit der 26. Auflage von 1979 ist der Text des Novum Testamentum Graece identisch mit der Textausgabe des Greek New Testament. Es bietet aber den wesentlich umfangreicheren Apparat und unterscheidet sich in Absatzgliederung, Orthographie und Zeichensetzung. Beide Ausgaben werden heute vom Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster betreut. In der 26. Auflage wurde von Kurt Aland auch die heute noch gültige Form von Text und Apparat neu gestaltet. Die 27. Auflage behielt den Text der 26. Auflage bei, erweiterte aber den Apparat, die 28. Auflage veränderte den Text an ca. 30 Stellen in den katholischen Briefen.
Die Hauptquellen für das Novum Testamentum Graece werden von den Herausgebern wegen ihres Alters und ihrer Wichtigkeit als ständige Zeugen bezeichnet. Dazu gehören vor allem folgende Handschriften in griechischer Sprache:
die Papyri P45, P66 und P75 (2. bis 3. Jahrhundert)
der Codex Sinaiticus (ℵ, 4. Jahrhundert),
der Codex Vaticanus (B, 4. Jahrhundert)
der Codex Bezae (auch Codex Cantabrigiensis genannt, D, 5. oder 6. Jahrhundert)
Bis auf den Codex Vaticanus (seit 1475 im Vatikan) und den Codex Bezae sind die genannten Handschriften erst wieder im 19. oder 20. Jahrhundert aufgefunden worden und bieten daher heute eine seit den neutestamentlichen Anfängen nicht mehr da gewesene Qualität an Textüberlieferungen, die seit der 26. Auflage auch dem Novum Testamentum Graece zu Grunde liegen. Die neusten Schriften der Bibel basieren zuweit alle auf der Grundlage der modernen textkritischen Ausgabe des Novum Testamentum Graece 28. Soweit ein Grundbau der Geschichte.
*Für eine ausführliche Studie s.u die aufgenannten Quellen
Textus Receptus oder Nestle-Aland?
a) Welches ist der richtige Text des Neuen Testaments?
Nachdem es in den USA schon geraume Zeit eine Auseinandersetzung über die Frage gibt, ob der Urtext des Neuen Testaments durch den sog. Textus Receptus (d.h. der „anerkannte Text“, der zur Reformationszeit vorlag) oder durch moderne wissenschaftliche Ausgaben wie etwa der Nestle-Aland richtig wiedergeben wird, hat dieser Streit seit kurzem auch im deutschsprachigen Raum Fuß gefasst. Weil zahlreiche Gläubige dadurch im Vertrauen auf die Bibel als das inspirierte und unfehlbare Wort Gottes verunsichert sind, soll ihnen mit der vorliegenden kurzen Gegenüberstellung der Hauptargumente eine Hilfe geboten werden.
Behauptung:
Die sog. „Lukianische Rezension“ im 4. Jahrhundert, auf die der Mehrheitstext zurückgehen soll, ist eine willkürliche Annahme, für die es keine geschichtlichen Beweise gibt.
Tatsache:
Diese Beweise gibt es durchaus. Hieronymus z.B. berichtet im Vorwort zu seiner Revision der Evangelien, dass er die Hand- schriften, die auf Lukian und Hesych zurückgehen, nicht verwendet habe, da diese den griechischen Text „korrigiert“ und durch Zusätze erweitert hätten
(Merkmale des Mehrheitstextes und des sog. „D-Textes“!); doch ein Vergleich mit älteren (!) Handschriften und Übersetzungen zeige, dass ihre Korrekturen falsch seien.
Der Textus Receptus [nachfolgend TR abgekürzt] ist der von Gott bewahrte Text. Er ist eine getreue Wiedergabe des inspirierten Originaltextes.
1. Wäre der TR der Urtext, dann müsste es durch die ganze Kirchengeschichte Handschriften von ihm geben. Doch die ältesten bekannten Handschriften sind alle eindeutig vom alexandrinischen Texttyp.
2. Erst 1516 schuf Erasmus von Rotterdam in nur fünf Monaten den TR als Bearbeitung weniger später Handschriften des Mehrheitstextes.
3. Da ihm nur eine griechische Handschrift der Offenbarung vorlag, welcher der Schluß fehlte, übersetzte Erasmus diesen aus dem Lateinischen zurück ins Griechische. Auch ergänzte er den griechischen Text von Apg 9,5f durch die damals verbreitete erweiterte lateinische Fassung. Erasmus schuf so Lesarten, die es in keiner einzigen griechischen Handschrift gibt.
4. Es gibt verschiedene Ausgaben des TR, die in zahlreichen Einzelheiten voneinander abweichen. Welche davon ist der „wahre Urtext“?
Der TR überliefert die reine Lehre des Evangeliums, während der Nestle-Aland [nachfolgend NA abgekürzt] Irrlehren unterstützt.
1. Das Evangelium wird insgesamt sowohl vom TR als auch vom NA zuverlässig und unverfälscht überliefert. Die Unterschiede zwischen beiden Textausgaben sind minimal (ca. 1-2% des Gesamttextbestands).
2. Keine einzige christliche Lehre wird durch die unterschiedlichen Lesarten in Frage gestellt.
3. Die von Befürwortern des TR angeführten Beispiele beruhen meist auf einem falschen bzw. einseitigen Verständnis der betreffenden Bibelstellen. In Einzelfällen ist es sogar genau umgekehrt, dass der TR lehrmäßig falsche Lesarten bietet.
Textkritik ist Bibelkritik bzw. zeigt eine geistliche Wesensverwandtschaft zur Bibelkritik auf.
1. Textkritik will nicht die Bibel kritisieren, sondern den Urtext durch Vergleich der vorliegenden Handschriften ermitteln, wo es durch Abschreibfehler zu unterschiedlichen Lesarten gekommen ist.
2. Für bibeltreue Christen, die an die Inspiration und Unfehlbarkeit der Bibel glauben, ist Textkritik deshalb sogar von größter Wichtigkeit, um den ursprünglichen Wortlaut der Bibel zu rekonstruieren.
3. Auch die Herausgeber des TR bzw. von TR-Bibeln haben Textkritik betrieben, indem sie verschiedene Handschriften bzw. Textausgaben verglichen und die ihrer Meinung nach ursprüngliche Lesart übernommen haben.
Die Vertreter der modernen textkritischen Ausgaben des griechischen NT waren bzw. sind Irrlehrer oder zumindest irregeführt, die des TR hingegen rechtgläubig.
1. Rechtgläubige wie auch Liberale finden sich sowohl unter Befürwortern des Mehrheitstextes bzw. TR als auch unter Befürwortern eines anhand älterer Handschriften revidierten Textes.
2. Rechtgläubigkeit ist kein Argument dafür, ob der Standpunkt einer Person sachlich richtig ist. Gläubige können irren, wie auch Ungläubige etwas richtig erkennen können.
Westcott und Hort waren Spiritisten.
Diese Behauptung ist nachweislich falsch.
Die alexandrinischen Textzeugen stammen aus Ägypten. Ägypten aber war das Zentrum gnostischer Irrlehren, was sich auf diese Handschriften niederschlug. Irrlehrer gab und gibt es auf der ganzen Welt – auch in Byzanz, woher der Mehrheitstext stammt! Würde diese Logik stimmen, dann könnten wir keiner einzigen Bibelhandschrift mehr trauen.
Auch wenn die griechisch-orthodoxe Kirche einen ganz ähnlichen geistlichen Niedergang und Abfall vom wahren Glauben durchmachte wie die katholische Kirche des Westens, wurde sie doch durch Gottes Vorsehung und Wirken zur Hüterin des ursprünglichen Textes [...]
Seltsam: Die alexandrinischen Handschriften sind also zwangsläufig korrupt, weil sie aus einer Gegend stammen, in der Irrlehrer dominierten; die griechisch-orthodoxe Kirche hingegen ist trotz ihrer Irrlehren die „Hüterin des ursprünglichen Textes“?Aus welchem objektiv nachvollziehbaren Grund soll es nur so und nicht anders sein?
Die alexandrinischen Lesarten waren Erasmus und den Reformatoren bekannt, doch sie verwarfen diese als minderwertig.
1. Die alexandrinischen Handschriften lagen den Reformatoren noch nicht vor. Sie wurden meist erst später, vor allem im 19. Jahrhundert entdeckt.
2. Erasmus stellte vielmehr Lesarten in Frage, die auch im Mehrheitstext gar nicht oder nur schlecht bezeugt wurden (z. B. Joh 7,53-8,11; Apg 9,5f; 1Jo 5,7f).
Einige wenige Handschriften [damit sind wohl vor allem der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus gemeint] können unmöglich die überwiegende Mehrheit korrigieren.
1. Hat die Mehrheit immer recht? Wird ein Fehler dadurch richtig, dass er tausendfach vervielfältigt wird?
2. Auch der TR weicht an einigen Stellen vom Mehrheitstext ab; dennoch sollen dann die Lesarten des TR statt des Mehrheitstextes den Urtext richtig wiedergeben. – Eine seltsame Inkonsequenz!
Die Textkritik behandelt die Mehrheit der griechischen Handschriften unfair, da sie diese in der Regel unberücksichtigt lässt.
In der Textkritik wird der Mehrheitstext nicht ignoriert, sondern meist wie ein einziger Zeuge behandelt, gerade weil die Übereinstimmung aufgrund der gemeinsamen Abstammung der Handschriften so groß ist. Nicht deren Menge ist ausschlaggebend, sondern ihre Qualität. Diese muss durch sorgfältiges Vergleichen und Abwägen ermittelt werden, nicht durch bloßes Zählen.
Die alexandrinischen Handschriften lassen viele von 90% der Handschriften bezeugten Worte der Heiligen Schrift aus, ersetzen andere durch dunkle und schwer verständliche Wendungen, enthalten zahlreiche Widersprüche und grammatikalische Fehler.
1. Hier wird als Tatsache behauptet, was erst zu beweisen wäre: Wenn der TR bzw. der Mehrheitstext nämlich nicht der Urtext ist, können die alexandrinischen Handschriften auch nichts von ihm auslassen oder ersetzen.
2. Dass manches in der Schrift schwer verständlich ist, bescheinigt bereits 2Pt 3,15f.
3. Viele angebliche Widersprüche erklären sich auch als Missverständnisse seitens des Lesers.
4. Viele angebliche grammatikalische Fehler sind Eigenheiten der im NT verwendeten Koiné, der Sprache des einfachen Volkes – und nicht der Philosophen und Gelehrten.(Wenn es Gott gefallen hat, das von der Welt Verachtete zu erwählen, warum wird dann lupenreines klassisches Griechisch verlangt?)
5. Genau umgekehrt passt gerade der spätere Mehrheitstext das scheinbar „falsche“ Griechisch der älteren Handschriften dem klassischen Griechisch an.
6. Fehler kommen zudem in jeder Handschrift vor (auch im Mehrheitstext!), was sich einfach aus der Natur der Sache erklärt, da das Abschreiben von Hand ermüdend ist.
Der Mehrheitstext kommt aus der Gegend, wo die ursprünglichen Empfänger der neutestamentlichen Briefe zuhause waren (Kleinasien und Syrien). Er steht deshalb den Originalen am nächsten, da die Abschriften problemlos mit diesen verglichen werden konnten.
Diese Meinung lässt völlig außer acht, dass gerade in dieser Gegend die schwersten Christenverfolgungen stattfanden. Hierdurch wurden neben den Originalen auch zahlreiche Abschriften vernichtet. Zudem sind die ältesten Handschriften durchwegs alexandrinisch. Es gibt keine Handschriften des Mehrheitstextes aus der Zeit vor dem 4. Jahrhundert!
Die Funde alter Papyrushandschriften zeigen ebenso wie alte „Kirchenväter“-Zitate und Übersetzungen, dass die „Mehrheitstext“-Überlieferung schon vor dem 4. Jahrhundert existiert haben muss.
1. Die frühen Papyri und Übersetzungen weisen nur vereinzelt Lesarten auf, die sich im Mehrheitstext bzw. TR wiederfinden, sonst sind sie alexandrinisch. Der Mehrheitstext hingegen kombiniert nahezu alle bis dahin bekannten Lesarten.
2. Die Kirchenväter zitierten in ihren Kommentaren erst den Bibeltext und legten ihn dann aus. Spätere Abschreiber pflegten die Schriftzitate „nach denen bei ihnen selbst in Gebrauch stehenden Handschriften – und nicht nach der Vorlage – wiederzugeben ... die vom betr. Kirchenvater benutzte Textform ... kann nur aus dem anschließenden Kommentar mühsam im Wortlaut herausdestilliert werden.“ Die Zitate des Mehrheitstextes gehen also nicht auf die Kirchenväter im Original zurück, sondern auf die Abschreiber.
Dass es keine Handschriften des Mehrheitstextes vor dem 4. Jahrhundert gibt, liegt am feuchtwarmen Mittelmeerklima, in dem Hand- schriften nur eine Lebensdauer von normalerweise 150-200 Jahren haben. Die alexandrinischen Handschriften hingegen blieben im trocken-heißen Wüstenklima Ägyptens erhalten.
Im Mittelmeerraum ist es nicht feucht-warm, sondern überwiegend trocken. Noch heute lagern viele sehr alte Handschriften in Griechenland und Italien.Die ältesten uns erhaltenen Handschriften des Mehrheitstextes (der Codex Alexandrinus und der Codex Ephraëmi Rescriptus jeweils in den Evangelien), sind aus dem 5. Jh., also nur rund 100 Jahre jünger als der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus.
Die sog. „Lukianische Rezension“ im 4. Jahrhundert, auf die der Mehrheitstext zurückgehen soll, ist eine willkürliche Annahme, für die es keine geschichtlichen Beweise gibt.
Diese Beweise gibt es durchaus. Hieronymus z.B. berichtet im Vorwort zu seiner Revision der Evangelien, dass er die Hand- schriften, die auf Lukian und Hesych zurückgehen, nicht verwendet habe, da diese den griechischen Text „korrigiert“ und durch Zusätze erweitert hätten (Merkmale des Mehrheitstextes und des sog. „D-Textes“!); doch ein Vergleich mit älteren (!) Handschriften und Übersetzungen zeige, dass ihre Korrekturen falsch seien.
Fazit: Weder der Textus Receptus noch der Nestle-Aland geben Anlass dazu, das Evangelium neu zu definieren. Die Behauptung, moderne textkritische Ausgaben des Griechischen NT beruhten auf gnostisch gefärbten Handschriften und verfälschten das Wort Gottes, muss als unhaltbar zurückgewiesen werden.
Obwohl der Textus Receptus eine relativ schlechte Bearbeitung nur weniger später Handschriften ist, stimmt er mit dem Nestle-Aland insgesamt doch in erstaunlich hohem Maß überein. Man kann daher nur dankbar anerkennen, dass Gott sein Wort durch die Jahrhunderte trotz aller menschlichen Fehler bewahrt hat. Wo beide Ausgaben voneinander abweichen, ist in der Regel dem Nestle-Aland-Text der Vorzug zu geben, da dieser als Ergebnis jahrzehntelanger gründlicher Forschung nahezu alle bekannten Handschriften, insbesondere die ältesten und zuverlässigsten Textzeugen berücksichtigt.
b) Sacherklärungen
Codex Sinaiticus (Aleph): Durch Constantin v. Tischendorf im Katharinenkloster am Berg Sinai entdeckte Handschrift. Alexandrinisch, 4. Jh.
Codex Alexandrinus (A): Zusammen mit C der wertvollste Textzeuge für die Offenbarung. In den Evangelien byzantinisch, Rest alexandrinisch; 5. Jh.
Codex Vaticanus (B): Lt. Aland die mit Abstand beste Handschrift, besonders in den Evangelien. Ab Hebr 9,14 ist der ursprüngliche Text durch Beschädigung verloren. Alexandrinisch, 4. Jh.
Codex Ephraëmi Rescriptus (C): Durch Tischendorf entzifferte Handschrift. Der ursprüngliche Bibeltext war abgewischt und mit Werken des syrischen Kirchenvaters Ephraëm überschrieben worden (lateinisch: „rescriptus“). In den Evangelien byzantinisch, Rest alexandrinisch; 5. Jh.
Codex Bezae (D): Benannt nach seinem früheren Besitzer, dem Reformator Theodor Beza. Es handelt sich dabei genau genommen um zwei Codices: den Codex 05 mit Evangelien und Apg („D-Text“, 5. Jh.) und den Codex 06 mit den Paulusbriefen (alexandrinisch mit Abweichungen, 6. J
Alexandrinischer Text: Benannt nach Alexandria in Ägypten. Die ältesten Handschriften weisen übereinstimmend diesen Texttyp auf (durch Papyrusfunde nachweisbar bis ins frühe 2. Jh.).
Byzantinischer Mehrheitstext: Texttyp, der von der Mehrheit der griechischen Handschriften geboten wird; benannt nach Byzanz, der Hauptstadt des oströmischen Reiches (nachweisbar ab dem 4./5. Jahrhundert). Dieser Text setzte sich im Osten als Norm durch. Seine Merkmale sind: Harmonisierung von Paralleltexten, v.a. der Evangelien, Kombination mehrerer zuvor überlieferter Lesarten zu einer, Verbesserung vermeintlich oder tatsächlich falscher Lesarten und leichte Angleichung der Sprache an das klassische Griechisch.
„D-Text“: Früher aufgrund inzwischen als falsch erkannter Annahmen Westcotts und Horts auch „westlicher Text“ genannt. Hauptzeugen: Codex Bezae (D) in Evangelien und Apostelgeschichte sowie wenige andere Handschriften. Dieser Text weist deutlich redaktionelle Eingriffe auf (Hinzufügungen, Streichungen, Umformulierungen).
Textvarianten
a) Was sind Textvarianten?
Textvarianten sind stellen, an denen verschiedene handgeschriebene Abschriften eines Textes voneinander abweichen. Ein Manuskript mag ,,Montag'' lesen, das andere mag ,,Mittwoch'' lesen, man findet das auch in abweichenden Schreibweisen von Namen oder ob bspw. ein ,,und'' da steht oder nicht. All solches nennt man Textvarianten. Angenommen, ich würde euch heute befehlen: Nehmt eure Zeitungen raus und schreibt auf ein leeres Blatt Papier all das, was ihr in der Zeitung findet. Würden wir hernach diese Abschriften alle sammeln und betrachten, was denkt ihr, würden wir festellen? Die meisten von euch würden Fehler machen. Die meisten von euch würden Dinge falsch schreiben, eine Zeile überspringen oder irgendetwas derartiges tun. Das passiert automatisch, wenn man Texte handschriftlich kopiert. Was denkt ihr nun, wie viele wir solcher Textvarianten in den Antiken Handschriften des Neuen Testaments haben? Wie viele Textvarianten denkt ihr, haben wir, wenn wir an all die Abschriften denken, die wir inzwischen gefunden haben? Die Antwort auf diese Frage hängt von der Person ab, mit der man spricht. Die meisten von uns haben sich wohl darüber niemals ernsthaft Gedanken gemacht. Ihr denkt vielleicht, Einhundert? Eintausend? Nun, nimmt man alle zusammen, kommt man auf geschätzte 400 000 Textvarianten.
Bart Ehrman hält dann kurz inne, um sicherzugehen, dass ihr die Zahl hört und anfangt, darüber nachzudenken. ,,Vier-Hundert-Tausend! Ich dachte, wir sprechen hier über die Zuverlässigkeit des Neuen Testaments? Ich hatte keine Idee davon, dass es so viele sind''. Die Kritiker lieben es, diese Zahl in den Raum zu werfen und wollen es meist auch dabei belassen, besonders, wenn sie erwähnen, dass das Neue Testament lediglich aus ca. 140 000 Worten besteht. Sie sagen: ,,Wenn wir also 400 000 Varianten haben, sind das scheinbar ca. 3 Varianten pro Wort''.
b) Weshalb wird hier diskutiert?
Man hört Leute mit den verschiedensten Hintergründen. Wir denken da an Atheisten, auch an Muslime, die die Argumente der Atheisten lieben, weil sie glauben, dass das Neue Testament fehlerhaft überliefert worden ist. Wir haben Leute mit den verschiedensten Hintergedanken, die diese Informationen nehmen, um damit gleich loslegen zu können: ,,Wie kannst du dem Neuen Testament Glauben schenken, wenn es so ausschaut als ob drei Lesearten für jedes Wort im Neuen Testament exestieren? Offentsichtlich bedeutet das, dass der Text vollständig nutzlos und völlig fehlerhaft und nicht vertrauenswürdig ist, deshalb '', so würde der Atheist sagen, ,,sollst du nicht glauben, was der Text über Jesus und Gott sagt.''
Der Muslim würde sagen: ,,Deshalb brauchst du den Koran, der vollkommen überliefert wurde'' - was nicht wirklich so ist, aber das ist ein anderes Thema. Und der ganze Gedankengang dahinter ist: ,,Hör auf, auf den Text des Neuen Testaments zu vertrauen und fang an, das zu glauben, was ich möchte, dass du es glaubst.'' Und selbst der Atheist hat sein eigenes Weltbild, auch wenn er dieses meist nicht verteidigen möchte und hat daher seine Gründe, uns dahin bringen zu wollen, das zu glauben, was er will, dass du es glaubst''.
Sicherlich hat man schonmal über das ,,Local Community Colleges'' gehört. Dort trifft man immer wieder Professoren, die Religionphilosophie unterrichten. Begegnet man den Professoren auf deren Argumente mit Einwendungen, verlieren einge die Fassung, weil sie es nicht gewohnt sind, auf ihren rationalen Denkens bezüglich des Neuen Testaments eine Antwort zu bekommen. Solche Leute wollen Fakten nehmen um den Leuten selbstsicher einzureden: ,,Niemand, absolut niemand kann Zuversicht haben, dass die neutestamentlichen Texte, die wir heute haben, tatsächlich das widerspiegeln, was ursprünglich geschrieben wurde''. Das ist die Botschaft, die sie an den Mann bringen wollen. Das mag mit den verschiedensten Hintergedanken geschehen, aber das ist die Richtung aus der der Wind weht, den man in unserer Gesellschaft, in unseren Medien spürt.
c) Wie ist dem zu antworten?
Es braucht ein wenig Zeit und ein wenig Nachdenken um das Wesen dieser Vorwürfe und das Wesen der tatsächlichen Fakten zu verstehen. Lasst uns einmal betrachten, was uns nicht gesagt wird.
Erstens ist zu sagen: 99% aller Textvarianten haben keinen Einfluss auf die Bedeutung. Darunter zu sehen sind Variationen hinsichtlich der Schreibweise und der Wortreihenfolge, welchen den Hauptanteil der Textvariationen ausmachen. In seinen Abhandlungen im akademischen Kontext gibt es Bart Ehrman durchaus zu. Wo er für Leute schreibt, die sich mit Textkritik auskennen, da gibt er das auch zu. Er gibt zu, dass 99% der Variationen absolut und vollkommen Bedeutungslos sind für die richtige Übersetzung eines Textes. Das hängt teilweise mit der Struktur der Sprache zusammen, in der das Neue Testament verfasst ist. Im Alt-Griechischen verhält sich die Satzstruktur deutlich anders wie im Deutschen oder Englischen. Obwohl sie der Deutschen ähnlicher ist. Jeder, dem das Griechische geläufig ist, weiß, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, genau dasselbe auszusagen. Man kann im Griechischen die Worte teilweise beliebig verschieben und doch übersetzt man sie ins Englisch oder Deutsche gleich. Also sind die Reihenfolge der Worte oder die Schreibweise bestimmter Wörter nicht wirklich relevant für die Genauigkeit der Überlieferung.
Wenn also 99% der Textvarianten letzlich bedeutunglos sind, steht nicht so wirklich in Frage, wie ursprünlich der Text gelautet haben muss. Denn 1% von über 400 000 Textvarianten sind 4000 Varianten von ca. insgesamt 140 000 Wörter des Neuen Testaments. Das sind ca. 2,9% des Textes oder ander ausgedrückt: Eine bedeutende Abweichung im Text auf jeder dritten Seite im Text des Neuen Testaments. Ich weiß nicht, ob wir so sorgfältig abschreiben würden, wenn wir uns an eine vergleichbare Arbeit machen würden. Würde ich ein 10-Seitiges Schreibmaschinen-geschriebenes Dokument verteilen und ein paar üble Typen an den Ausgang stellen, damit ihr nicht hier rauskommen würdet, bevor ihr den Text handschriftlich kopiert hättet, wette ich, dass wir nicht annähernd in der Nähe der Qualität der neutestamentlichen Überlieferungen kommen würden, obwohl wir hier Klimaanlagen, elektrisches Licht und wohl bessere Augen und Brillen und alles mögliche haben. All solches gab es damals nicht. Ich denke, wir würden nicht sehr nahe an eine solch gute Arbeit, die wir in der Überlieferung des NT finden, herankommen. Wir sehen, das wirft ein deutlich anderes Licht auf die ganze Sache als Ehrman und Co. uns gerne weismachen würden.
Zweitens: Schlichter Fakt ist: Je mehr Abschriften für ein Antikes Werk bestehen, desto mehr Textvarianten wird man haben. Lasst uns das klarmachen: Hätten wir nur ein Manuskript des Neuen Testaments, wie viele Varianten hätten wir dann? Keine. Null. Aber, wenn wir nur eine Abschrift hätten, wie viel Zuversicht könnten wir haben, dass sie tatsächlich beinhaltet, was tatsächlich geschrieben worden war? Fast gar keine Zuversicht. Wenn Leute also mit diesen großen Zahlen jonglieren, dann spiegeln sie damit lediglich wieder, dass wir eine Menge Abschriften von Texten des Neuen Testaments haben! Es gibt mehr als 5500 katalogisierte griechische Manuskripte der Bücher des Neuen Testaments. Nicht alle davon reichen von Matthäus bis zur Offenbarung. Die meisten decken nur einen viel kleineren Teil ab. Besonders die ältesten Abschriften beinhalten meistens nur einzelne Bücher oder Teile von Büchern. Und dennoch liegt die durchschnittliche Größe der insgesamt 5500 griechischen katalogisierten Abschriften bei ca. 200 Textseiten. Das kann man durchaus selber rechnen, man kommt auf ca. 1,1-1,2 Millionen Seiten von Text. Denkt daran: Es sind gerade mal 4000 Varianten. Bekommt ihr langsam einen Eindruck, wie diese Zahlen einzuordnen sind? Ihr wisst, wie das mit Statistiken ist. Jeder kann Statistiken gebrauchen und mit den Zahlen jonglieren, es dürfte bekannt sein, dass man das auch in der Politik macht. Ihr seid sicherlich auch schon Menschen begenet, die Zahlen in manchmal einer durchaus unangebrachten Art und Weise gebrauchen. Deswegen müssen wir bescheid wissen, was da wirklich passiert, wenn einer Zahlen in falscher Weise gebraucht um zu täuschen. Denkt darüber nach: Es sind 4000 Textvarianten auf 1,2 Millionen Seiten handschriftlich kopierten Textes innerhalb von 1500 Jahren, bevor das Drucken erfunden wurde. Das ist eine erstaunlich geringe Quote bei dieser Menge von Text, die eine erstaunlich akkurate Überlierfung des Textes wiederspiegelt, man mag vielleicht sogar das Wort ,,mirakulös'' in den Mund nehmen.
d) Warum gibt es Textvarianten?
Dennoch: Warum gibt es diese Text-Unterschiede? Warum gibt es Unterschiede in solchen Abschriften? Lasst uns einen Blick darauf werfen. Selbst die Zahl der 4000 Varianten muss verstanden werden. Selbst, wenn eine Variante zu verschiedenen Lesarten führt, kann der sorgfältig vorgehende Studierende in vielen Fällen erahnen, welche Textvarianten wohl ursprünglich korrekt war.
Viele dieser Varianten sind auf gewöhnliche Abschreibfehler zurückzuführen, die uns auch heute noch passieren, wenn wir einen Text abschreiben. Ein Beispiel: Ihr müsst bestimmte Facharbeiten schreiben und vielleicht habt ihr, während ihr das tut, ein Buch vor euch liegen, während ihr hinter eurem hübschen MacBook sitzt und müsst einen Paragraphen aus diesem Buch kopieren, ihr habt jedoch keinen Scanner mit Schrifterkennungssoftware zur Hand. Und selbst, wenn ihr das habt, müsst ihr dieses Programm noch überwachen, weil da auch manchmal ganz wilde Fehler bei solcher Texterkennungssoftware geschehen können. Stellen wir uns also vor, ihr tippt da einen Abschnitt aus diesem Buch ab. Jedenfalls tippt ihr vor euch hin und im Textverarbeitungsprogramm habt ihr noch Rechtschreibprüfung, Grammatikprüfung und all solches Zeug und doch müsst ihr zugeben, dass dennoch Fehler geschehen. Man wird abgelenkt, das Handy klingelt, irgendwo läuft Musik, iTunes schaltet plötzlich ein Lied an, das ihr nicht leiden könnt, wie auch immer. Und wenn ihr wieder mit dem Abschreiben weitermacht, dann überspringt ihr eine Zeile, überspringt einen Nebensatz, es geht beim Abschreiben etwas schief. Genau das geschah auch in der antiken Welt.
e) Ein Typischer Abschreibfehler
Wenn wir wissen, zu welchen Fehlern Schreiber neigen, können wir diese 4000 Varianten untersuchen und vielleicht entdecken, dass der Schreiber einen typischen Abschreibfehler begangen hat, was uns dabei hilft, solche Textvarianten zu verstehen. Lasst mich ein wichtiges Beispiel von der Überlieferungsgeschichte des Neuen Testamentes geben. Ihr mögt das auch in eurer Bibel nachschlagen. Schaut einmal nach, was in 1. Johannes 3, 1 steht. Wenn ihr eine King James oder New King James-Übersetzung (deut. alle Bibeln basierend auf den TR wie z.B Schlachter 2000) habt, dann werdet ihr da lesen:
''Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder heißen sollen! Darum erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat.''
( 1. Johannes 3, 1 )
so wurde es in der King James oder der New King James übersetzt. Die NASB, NIV oder ESV-Übersetzung basieren auf einem eher moderneren griechischen Grundtext (deut.alle Bibeln die auf den Nestle-Aland Text basieren wie z.B rev. Elberfelder) , während King James und NKJ auf dem Textus Receptus basieren. Der Textus Receptus, der erstmals 1633 so genannt wurde, basiert lose auf den Ausgaben von Ersamus, Stephanus und anderen. Die modernen englischen Übersetzungen ESV, NASB, NIV basieren auf dem Nestle-Aland-Text und wenn man diese Übersetzungen ließt, wird es folgendermaßen klingen:
''Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen! UND SOLCHE SIND WIR. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.''
( 1. Johannes 3, 1)
Der kleine Satz „Und solche sind wir“, eine Bestärkung, dass wir die Kinder Gottes sind, findet sich nicht in der King James-Übersetzung in 1. Johannes 3, 1. Dieser Satz findet sich nicht im Textus Receptus bei 1. Johannnes 3, 1. Wenn ich euch jetzt in die Irre führen wollte und euch eine saftige Predigt halten wollte, könnte ich folgendes tun: Ich könnte sagen:
„Dieser Satz fehlt, weil die King James-Übersetzer ein Haufen von Anglikanern waren! Und wir wissen ja wie Anglikaner sind! Schaut euch die Anglikaner heute an! Die sind völlig liberal geworden, nein, sie sind es schon immer gewesen und sie haben die Bibel verfälscht und wollen nicht, dass wir an die Lehre der Gotteskindschaft glauben!“ .
Das ist vollkommener Blödsinn. Die Übersetzer haben den Text, den sie hatten übersetzt und dieser Text hat diesen Satz nicht beinhaltet. Warum ist das so? Will da jemand den Text verwässern? Nein. Lasst mich euch das zeigen. Der moderne Text enthält eine wichtige Bekräftigung unserer Annahme als Kinder Gottes. Warum fehlt diese in der King James? Dieser Fall ist ein (ein)leuchtendes Beispiel für das, was man „Fehler aufgrund von Ähnlichkeit in der Endung“ nennt. Denkt darüber nach, wie oft ihr in eurer eigenen Sprache Wörter abschreibt, die eine ähnliche Endung haben wie „ung“ oder „lich“ oder „keit“ . Das sind Endungen, mit denen Worte häufig enden. Und es kommt vor, dass der Schreiber in einem Satz, in dem zwei Worte gleicher Endung vorkommen, das falsche erwischt und dadurch Teile eines Satzes auslässt. Man hat gerade „..ung“ geschrieben, schaut wieder auf die Vorlage, erblickt wieder das „…ung“ und schreibt nach dem „…ung“ weiter ab. Leider hat man das falsche Wort erwischt und so fehlt ein Teil des Textes, weil es zwei Worte im Satz gibt, die auf „ung“ enden. Leider hat man beim ersten Wort abgesetzt gehabt und nach dem zweiten dann weiter geschrieben und somit alles, was zwischen den beiden Worten stand, ausgelassen. Das passiert, weil man Mensch ist. Solche Schreiber waren Menschen. Solche Fehler sind Schreibern der Antike ebenso passiert wie sie uns heute geschehen. Hier zeige ich euch den entsprechenden Abschnitt ( 1. Joh 3,1) im griechischen Grundtext wie er quasi in Neudeutsch „unformatiert“ aussieht. (Auch hier kann ich kein Bild einfügen, bitte selber nachsehen)
Mit „unformatiert“ meine ich, dass die ursprünglichen Manuskripte und die Abschriften des Neuen Testamentes bis ins neunte Jahrhundert lediglich Großbuchstaben, keine Worttrennung und keine Satzzeichen hatten. Oben sieht man wie diese Abschriften aussahen. Seht ihr das Problem? Leider kann ich hier keine weiteren Bilder einfügen, da Technik dies nicht zulässt.
Das, was hier wie „MEN“ in der englischen Sprache ausschaut, das ist hier zwei Mal zu sehen. Ein Schreiber, der abschreibt, dass wir nun „Kinder Gottes heißen SOLLEN“ - also der wandte seinen Blick wieder auf seine Vorlage und sah das folgende Wort was bedeutet „wir sind“ und er sah das „MEN“ und schrieb hinter dem „ECMEN“ weiter und so fehlt in seiner Abschrift die Phrase. Das war ohne böse Absicht. Dieser Fehler wurde wieder und wieder kopiert, weil solche Schreiber sehr akkurat waren und sich streng an ihre Vorlage hielten. Und so ist es für uns recht einfach zu sagen, wenn wir so einen Fall haben, dass es sich um einen typischen Abschreibfehler handelt. Diese Phrase wurde übersehen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Text eingefügt sein sollte, alles weist auf ein versehentliches Auslassen hin – verursacht durch ähnliche Endungen zweier Worte. Solche recht simplen Abschreibfehler findet man sehr oft. Lasst uns weitere Fakten betrachten. Die Mehrheit der über 5500 griechischen Abschriften sind auf nach 1000 n.Chr. datiert. Warum ist das so?
Nun, schaltet euer „historisch Denken“-Programm im Kopf einmal ganz kurz ein. Die griechische Sprache, in der der ursprüngliche Text verfasst wurde, der überall auf der Welt verbreitet wurde, wurde zunehmend bedeutungsloser und Latein wurde zu der Sprache, die für die Leute im damaligen Europa wichtig wurde. Und so ergab es sich, dass lateinische Bibelübersetzungen im Westen vorherrschend wurden. Dann passierte etwas ziemlich Bedeutendes zwischen 632 und 732 n.Chr. . Was geschah? Nun, es kam zur Ausbreitung des Islam. Der Islam nimmt fast all jene Gebiete ein, die griechische Abschriften produzierten, abgesehen von der bemerkenswerten Ausnahme von Konstantinnobel bzw. Byzanz. Über Nord-Afrika, Spanien, das Heilige Land bis zum byzantinischen Herrschaftsgebiet bekommt der Islam die Oberhand. Und nun. Der Islam tut der Produktion von Abschriften des Neuen Testamentes nicht wirklich gut, genauso wenig wie der christlichen Kirche als solchen in der Gegend. So gibt es als historische Gründe dafür, dass die Mehrheit der Abschriften nach 1000 n.Chr. verfasst wurden und quasi alle aus der byzantinischen Gegend und Europa kamen, wo Mönche solche Abschriften immer noch anfertigten. Diese Textgruppe nennt man den „Mehrheitstext“, der hauptsächlich ab 1000 n.Chr. gefertigt wurde.
f) Ein Einzigartige Überlieferungsgüte
Jeder, der sagt, wir wüssten aufgrund der Faktenlage nicht, was das Neue Testament sagt, der muss gleichsam sagen: „Wir wissen absolut gar nichts über die antike Welt. Wir haben absolut keine Ahnung von Geschichte“. Das müssten sie sagen, wenn sie in ihren eigenen Aussagen konsequent sein wollen. Das tun sie aber nicht. Das Einzige, was sie vielleicht akzeptieren würden, wäre wohl ein von den Aposteln in Stein gehauenes Neues Testament. Tatsächlich haben wir 12 Abschriften aus dem zweiten Jahrhundert, also innerhalb von
hundert Jahren nach der Entstehung des Neuen Testamentes. Diese Abschriften enthalten Teile aller 4 Evangelien, 9 Briefe des Paulus, die Apostelgeschichte, den Hebräerbrief und die Offenbarung, zusammen eine Mehrheit des Textes, die wir heute haben. Kein antikes Werk kommt dieser frühen Bekräftigung der Überlieferungsqualität auch nur im Ansatz nahe.
g) Das Flüsterpost-Spiel
Ich weiß nicht, ob ihr das gehört habt, aber auch von Dr. Ehrman wird die Überlieferung dieses Textes mit dem Flüster-Post-Spiel verglichen. Man sitzt im Kreis und der Lehrer flüstert einem der Schüler einen Satz ins Ohr, dann soll dieser der nächsten Person diesen Satz erneut per Flüstern weitergeben und so geht das nacheinander durch Ohren und Mund aller Schüler und alle lachen dabei und am Ende kommt ein völlig falscher Satz an. Warum? Weil der Inhalt sich geändert hat. Oftmals ist nicht einmal mehr eine Ähnlichkeit mit dem vorhanden, was dem ersten Schüler ins Ohr geflüstert wurde. Deswegen hört man Dr. Ehrman gerne sagen: „Wir haben eine Kopie einer Kopie einer Kopie“. Er gebraucht gern jene Illustration, dass ein Mann Christ wurde, weil er von irgendjemandem die christliche Botschaft gehört hat. Sogleich erzählt er es seiner Frau, diese erzählt es jemand anderem und der andere erzählt es noch weiter. Er sagt dann: Woher weiß dann der letzte der Reihe, dass der Inhalt noch stimmt?
h) Wie wurden die Texte verbreitet?
Ist es so geschehen? Nein. Lasst uns betrachten, wie es geschehen ist. Die Texte des Neuen Testamentes werden im Kontext der antiken mediterranen Welt verfasst . Es werden hier also verschiedene Manuskripte geschrieben. Und sagen wir, einer der Apostel schreibt einen Brief in Ephesus. Dieser Text wird dann zur Versammlung von Jerusalem gebracht. Paulus schreibt einen Brief in Rom und dieser Brief wird nach Korinth geschickt. Es werden also Manuskripte verfasst an verschiedenen Orten und von verschiedenen Personen und auch zu verschiedenen Zeiten. Ich betone das absichtlich, bleibt in Gedanken bei mir und ihr werdet sehen, warum. Von diesen Manuskripten werden dann auch wieder Abschriften gemacht. Eine davon mag Richtung Rom geschickt werden, die andere Richtung Karthago usw. . Die Manuskripte zirkulieren also zwischen verschiedenen Orten und werden immer wieder kopiert. Und dann geschieht etwas Wichtiges. Manche dieser Abschriften landen am selben Ort. Und so sammeln sie sich dort und es werden Sammlungen von Manuskripten gemacht im Verlauf dieses Prozesses. Und womöglich gibt es dann eine Sammlung von Paulus Schriften. Und dann wird die ganze Sammlung abgeschrieben und an einen anderen Ort verschickt. Und es mögen neue Sammlungen entstehen, die z.B. aus den Briefen des Paulus und den Evangelien bestehen. Und so entstehen mit der Zeit verschiedene Sammlungen von Texten des Neuen Testamentes. Worauf will ich hier hinweisen? Dieser ganze Prozess der Verbreitung dieser Texte fand innerhalb eines riesigen Gebietes statt und über einen langen Zeitraum. Verschiedene Autoren schreiben zu verschiedenen Zeitpunkten an viele verschiedene Adressaten. Es gab niemals eine Zeit, in der eine einzelne Gruppe die Verbreitung der Manuskripte kontrollierte. Die ganze Verbreitung hätte auch nie unter Kontrolle gehalten werden können. Das frühe Christentum war eine verfolgte Religion. Immer wieder floh und versteckte man sich vor der römischen Staatsgewalt. Man hat dabei wohl kaum Zeit und Interesse, die Manuskriptfluktuation zu erfassen und zu kontrollieren. Das Neue Testament verbreitete sich in der gesamten damals bekannten Welt sehr rasch überall, weil die Christen wollten, dass sich diese Schriften unter den Menschen verbreiteten. Wenn jemand fragte: „Kann ich diesen Text abschreiben?“, dann hat man diese Person nicht erst um Erlaubnis betteln lassen, sondern sie im Gegenteil unterstützt. Und so sind die Manuskripte überall unterwegs und sind letztlich überall verteilt und so sind sehr viele Zeilen an zusammenhängendem Text entstanden.
Denkt daran: Die Überlieferung des Textes funktionierte nicht wie bei der Flüster-Post, dass jeweils nur ein einzelner Satz überliefert wurde. Nicht nur ist es so, dass geschriebene Dokumente Informationen sicherlich besser weitergeben als das Flüstern ins Ohr, sondern auch so, dass Flüster-Post-Spiel so funktioniert, dass man es mit einem einzelnen kurzen Satz spielt, der rund um per Flüstern weitergegeben wird. Das Neue Testament hingegen entstand so, dass verschiedene Autoren zu verschiedenen Zeiten ganze Bücher des Neuen Testamentes zu verschiedenen Adressaten schrieben. Die Idee, die frühe Überlieferung des Neuen Testamentes mit dem Flüster-Post-Spiel zu vergleichen taugt schlicht nicht und passt in keiner Weise als Illustration.
i) Was sind die Argumente, die gegen eine gute Überlieferung vorgebracht werden?
Die Tatsache, dass die Überlieferung so abgelaufen ist, macht die modernen Angriffe auf die neutestamentlichen Texte zunichte. Wie lautet für gewöhnlich der Vorwurf gegenüber dem Text des Neuen Testamentes? Meine muslimischen Freunde sagen: „Die paulinische Christenheit veränderte die Texte und machte aus Jesus einen Gott, erfand das Kreuz und das Konzept der Sühnung und all solches“. Dann gibt es die ganzen Leute, die der New-Age-Bewegung zuzurechnen sind. Man denke z.B. an Shirley McClane, die z.B. Vorstellungen einer Selbstvergötterung verbreitet. Solche Leute sagen: „Wisst ihr, dass die Lehre von der Reinkarnation ursprünglich in der Bibel war? Aber auf dem Konzil von Konstantinopel wurde diese Lehre aus dem Text gestrichen“.
So etwas klingt im ersten Moment sehr gut, denn die meisten von uns würden sagen: „Das Konzil von Wo? Viele von uns wissen nichts über das Konzil von Konstantinopel, Nicäa oder Chalcedon. Wir haben davon nicht wirklich eine Ahnung und wir reden in unserer Gemeinde auch nicht von so was. Wir haben keine Ahnung, was wir dazu sagen sollen“.
j) Texte seien zentralisiert verändert worden
Tatsache ist: Im Allgemeinen läuft der Angriff so, dass gesagt wird, dass es einen zentral gesteuerten Textkörper gegeben habe – so stellt sich das auch Dan Brown in seinem Buch „Der Da Vinci Code“ vor. Falls ihr den davon adaptierten Film gesehen habt: Was ist der Kerngedanke? Nun, man sagt: Kaiser Konstantin schreibt vier Evangelien, lässt dabei 80 andere relevante Evangelien unter den Tisch fallen. Das ist so lächerlich, dass jeder Historiker, der im Kinosaal sitzt, nur noch den Kopf schütteln kann, besonders angesichts von Laien, die solche Darstellungen auch noch faszinierend finden. Der Grundgedanke ist also, dass Kaiser Konstantin alle relevanten Schriftstücke zentralisiert zusammenbringt und diese dann entsprechend seinen Vorstellung umschreiben lässt.
Dazu kann ich nur sagen: Wir haben Satteliten und konnten über Jahre Osama Bin Laden nicht finden. Wie soll Konstantin im frühen vierten Jahrhundert aus der ganzen bekannten Welt die Manuskripte zusammentragen, von denen einige offensichtlich längst im Sand Ägyptens vergraben lagen? Es ist lächerlich zu denken, dass es jemals eine Zeit gab, zu der es einen solch zentralisierten Textkörper gab. Ich bezweifle mit Grund, dass es einen solchen gab, weil die Christen sich bis dahin nie wirklich organisiert haben konnten. Die Manuskripte des Neuen Testamentes großflächig zu editieren war unmöglich. Man konnte die Manuskripte nicht wie ein Handy orten, es gab keine Satteliten, die etwas derartiges hätten tun können. Das war die antike Welt. Da konnte nicht irgendein Kaiser herkommen und bestimmen, dass irgendwelche Texte geändert werden sollten nach dem Motto: „Hmmm… diese Sache mit der Reinkarnation funktioniert nicht, schmeißen wir die raus! Lasst uns stattdessen einmal etwas mit einer Auferstehung ausprobieren, vielleicht wäre das eine gute Idee“. Das hätte nicht passieren können. Es ist lächerlich zu denken, dass solch eine Veränderung des Textes durchgeführt worden sein könnte.
k) Die Unsinnigkeit einer solchen Behauptung
Wir können ohne jeden Zweifel darlegen, dass solch eine zentrale Zensur und Korrekturinstanz nie existiert hat, dass das frühe Christentum eine verfolgte Religion war, die solch eine Korrekturinstanz nie besessen hat, die alle Texte hätte sammeln und umschreiben können und, dass so etwas unmöglich war entsprechend dem, wie die Überlieferung funktioniert hat. Und da wir die frühen antiken Texte nun zur Verfügung haben, würden wir sofort sehen, wenn jemand im fünften Jahrhundert den Text klar abgeändert hätte. Schließlich haben wir Texte aus dem zweiten, dritten und vierten Jahrhundert, die eine solche Änderung sichtbar machen würden. Wir sehen heute, dass der Text über viele Jahrhunderte im Grunde immer derselbe geblieben ist. Wir können also ohne jeden Zweifel nachweisen, dass diese Art von wilden Anschuldigungen völlig aus der Luft gegriffen sind und keine Grundlage in der Geschichte haben. Gerade das Gegenteil der Anschuldigungen ist der Fall.
l) Wie gehen wir aber mit den Textvariationen um?
Alle derartigen Anschuldigungen der Muslime brechen in sich zusammen angesichts des historischen Kontexts und der Faktenlage. Die schnelle, weitreichende und nicht zentral kontrollierte Verbreitung der neutestamentlichen Texte schließt jede nachträgliche Veränderung des Textes aus. Aber die Tatsache, dass die abschreibenden Christen meist Laien waren, zwingt uns dazu, uns mit den zu Beginn erwähnten Abschreibfehlern zu beschäftigen, die wir untersuchen und verstehen können und uns Schlussfolgerungen erlauben. Es gab keine vollkommenen Schreiber. Erinnert ihr euch an Papyrus 72. Ein Christ, der das Wort Gottes liebt, erstellt eine uns heute vorliegende Abschrift. Dieser Schreiber war kein vollkommener Schreiber. Er hat das griechische Wort für „und“ immer mal wieder unterschlagen. Er hat sich nicht immer an die Rechtschreibung gehalten. Deswegen müssen wir diese frühen Manuskripte untersuchen. Aber das ist der Preis dafür, sagen zu können: Unser Text ist nicht verändert worden! Der Text wurde nicht von Menschen manipuliert, die kurzerhand die Entscheidung fällten eine bestimmte Lehre in den Text einzufügen oder eine unpassende Lehre herauszunehmen. So etwas kann nicht geschehen sein. Dazu müsste eine zentrale Stelle existiert haben, die all die Texte unter ihrer Aufsicht hatte und logistisch in der Lage gewesen wäre, Änderungen vorzunehmen. Genau das war beim Koran der Fall. Das ist, was den Muslimen Sorgen machen sollte. Es gab immer eine zentrale Stelle, die den Text des Korans kontrollierte und festlegte. Das war von Beginn an so. Und so muss der Muslim sich fragen: Woher weiß ich, dass Uthman nach dem Tod Mohammeds den Text nicht geändert hat? Woher weiß ich das? Das werde ich in einem anderen Vortrag noch näher besprechen.
Konservative Schreiber
Fazit: Erstens: Es gibt 400 000 Textvarianten. 99% davon folgenlos für den Inhalt des Textes. Wenn ihr also die großen Zahlen hört, lasst euch davon nicht irritieren, denkt darüber nach, was das tatsächlich auszusagen hat. Das Neue Testament ist das am dichtesten belegte Werk der Antike. Wir haben hier mehr Manuskripte, die weit näher an den ursprünglichen Schriften liegen als bei irgend einem anderem antikem Werk und wenn irgendjemand sagt, wir wüssten nicht, was das Neue Testament sagt, dann muss diese Person auch konsequent sagen, dass wir keine Ahnung davon haben können, was irgend ein antiker Autor geschrieben hat. Das müssten sie sagen, wenn sie konsequent wären, was sie aber meistens nicht sind. Die Manuskripte des Neuen Testamentes wurden überall in der bekannten Welt sehr schnell verbreitet. Es gab keine zentrale Stelle, die über den Textkörper verfügt hätte und Lehren einfügen oder rausnehmen hätte können, was auch zu sehen ist, wenn wir sehr frühe Dokumente finden. Außerdem: Jede spätere Änderung wäre klar ersichtlich. Ich denke auch, dass wir in nicht allzu langer Zeit mit unseren Laptops zusammensitzen können und fast jedes antike Manuskript, das wir gefunden haben, ihn hoher Auflösung betrachten können. Die Zeit wird kommen und das ist nicht mehr allzu weit entfernt, wenn all solche Information dermaßen leicht verfügbar sein wird und das ist was wunderbares, was aber von uns auch Verantwortung fordert. Keine Generation vor uns hat zu so viel Information Zugang wie wir es haben. Wenn es zur Zuverlässigkeit unserer Heiligen Texte kommt, so wird hier der Kampf gekämpft. Hier greifen die Bart Ehrmans an, hier greift das Jesus-Seminar an, hier greift der Islam an. Auch die Mormonen haben immer wieder die Qualität der Überlieferung des Bibeltextes in Frage gestellt. Hier werden die apologetischen Diskussionen geführt. Wir müssen wissen, warum wir dieses Buch in unserer Hand als eine geeignete Widerspiegelung dessen akzeptieren, was vor langer Zeit unter göttlicher Inspiration gegeben wurde. Wir leben in einer Kultur, die uns zu schweigenden, beschämten Christen zu machen versucht. Der einzige Weg, auf dem wir zu kühnen Zeugen für Gottes Wahrheit werden können, ist, wenn wir Zuversicht in das Wort Gottes und wie es uns überliefert worden ist, haben. Wenn in einem Vers "Johannes" mit nur einem "n" geschrieben wurde, zählt das als Fehler, ohne dass dabei irgendwelche Kerndoktrinen berührt würden. Kritiker zählen nun derartige unbedeutenden Fehler als Varianten, und darauf basiert ein Großteil ihrer Argumentation. (Übrigens ist das auch die Grundlage der Behauptung der "Zeugen Jehovas", dass die Bibel 50.000 Fehler enthielte, weshalb man doch lieber auf ihre "Revidierte" Bibelausgabe zurückgreifen sollte - ironischerweise wird auch dies von Muslimen als Argument benutzt) Dennoch multipliziert sich die Anzahl der Fehler logischerweise mit der Anzahl der Manuskripte. Ergo : Je mehr Manuskripte, je mehr "Fehler". Hätte zum Beispiel wirklich ein christlicher Alleinherrscher alle Manuskripte einsammeln und verbrennen lassen, bis auf seinen eigenen, standardisierten Text - wie dies zb. durch Kalif Uthman im Islam tatsächlich geschehen ist - dann hätten wir heute erheblich weniger Abschriften, und sie alle würden auf einen Text zurückgehen. Der Preis dafür ist allerdings, dass man den original Text nie wieder rekonstruieren kann. Es ist also ein unermesslicher Vorteil und ein weiterer Beweis dafür, dass Gott Sein Wort erhalten kann, dass Er uns tausende von Manuskripten - und diese geographisch weit verteilt - erhielt.
Durch die schiere Anzahl an frühen Mansuskripten und außerbiblischen Briefen der Kirchenväter, können wir mit absoluter Sicherheit über 99 % des original-Textes des Neuen Testaments rekonstruieren.
''Im Gesamten Text - über 20.000 Verse - bestehen nur bei 40 Versen minimale Unsicherheiten über die Schreibweise einzelner Worte, von diesen 40 Versen berührt nicht ein einziger irgendwelche Kerndoktrinen.''
(Hunter, Archibald M. Introducing the New Testament. Philadelphia: Westminster, 1945)
"Für das Neue Testament haben wir sehr viel früherere Beweise als für jedes andere Buch der Antike" (Aus einer Debatte zwischen James White und Bart Ehrman "“Does the Bible misquote Jesus”, 2009)
Allgemeine Aussagen zur Historischen Glaubwürdigkeit des NT
"Das Neue Testament ist der kulturell und theologisch bedeutendste Text des Abendlandes. Es ist vom 2. Jahrhundert an in einer außergewöhnlich großen Zahl von Handschriften überliefert worden. Allein vom griechischen Urtext besitzen wir heute noch ca. 5.600 Handschriften bzw. Handschriftenteile. Dazu kommen Übersetzungen in alle antiken Kultursprachen, vor allem ins Lateinische. Für die frühesten Handschriften wurde Papyrus als Beschreibstoff benutzt, der vom 3./4. Jahrhundert an von Pergament abgelöst wurde. Die Pergamenthandschriften wurden - ebenso wie die Papyri - in Großbuchstaben geschrieben und werden daher als Majuskeln bezeichnet. Vom 9. Jahrhundert ab setzt sich dann die sog. Minuskel (kursive Kleinbuchstaben) durch, die erst noch auf Pergament, später dann auf Papier geschrieben wurde. Heute sind ca. 2860 Minuskeln bekannt, außerdem über 100 Papyri und über 300 Majuskeln. Dazu kommen noch einmal ca. 2.400 Lektionare, die den Text des Neuen Testaments nicht fortlaufend enthalten, sondern die Texte in der Reihenfolge bieten, wie sie nach der Ordnung des Kirchenjahrs im byzantinischen Gottesdienst vorgetragen wurden." Quelle: www.uni-muenster.de/Rektorat/kalender/FBer/FBdez99.htm
"Kein historischer Text über ein Ereignis der Antike ist so gut und so früh bezeugt wie das Neue Testament" Carsten Peter Thiede, Historiker und Papyrologe, Die Auferstehung Jesu - Fiktion oder Wirklichkeit?, 2001, S.25
a) Hervorragende Bezeugung des NT im Vergleich mit anderen klassischen Werken
Bruce Metzger zog einen Vergleich des NT mit dem bibliographisch am zweitbesten überlieferten Werk, der Ilias: "Die Menge an Manuskripten der neutestamentlichen Schriften ist nahezu beschämend im Vergleich zu anderen antiken Werken. Nach dem Neuen Testament kommt Homers »Ilias«, das Standardwerk der antiken Griechen. Heute haben wir davon weniger als 650 griechische Manuskripte. Manche sind äußerst fragmentarisch. Die meisten stammen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert und aus den nachfolgenden Jahrhunderten. Wenn Sie berücksichtigen, dass Homer wahrscheinlich im achten vorchristlichen Jahrhundert gelebt hat, ist das ein sehr langer Zeitraum." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, Asslar, S. 64
Geisler und Nix: "Hinter dem Neuen Testament hat die Ilias mehr Handschriften (643) vorliegen als jedes andere Buch. Sowohl sie als auch die Bibel wurden für »heilig« geachtet, und beide wurden der Textveränderung und der Textkritik ihrer griechischen Manuskripte unterzogen. Das Neue Testament umfasst ca. 20.000 Zeilen. ... Die Ilias [umfasst] ca. 15.600 Zeilen. Nur 40 Zeilen (oder 400 Wörter) des Neuen Testamentes stehen in Frage, während 764 Zeilen der Ilias zweifelhaft sind. Dieser fünfprozentigen Textentstellung steht eine ähnliche Textkorrektur von [nur] einem halben Prozent im Neuen Testament gegenüber." Norman Geisler, William Nix, A General Introduction to the Bible, 1968, Chicago, Moody Press, S.366+367
40 [fragliche Zeilen des NT] / 20.000 [alle Zeilen des NT] = 0,002 => 0,002 * 100% = 0,2%
764 [fragliche Zeilen der Ilias] / 15.600 [alle Zeilen der Ilias] = 0,049 => 0,049 * 100% = 4,9%
F.F. Bruce, Professor für Bibelkritik und Exegese an der Universität von Manchester schrieb über die textliche Bezeugung des NT im Vergleich mit anderen klassischen Werken:
"Vielleicht können wir am besten ermessen, wie reich die handschriftliche Bezeugung des Neuen Testaments ist, wenn wir das Textmaterial anderer alter, historischer Werke damit vergleichen.
Von Caesars »Gallischem Krieg« (verfaßt zwischen 58 und 50 v.Chr.) gibt es mehrere noch vorhandene Manuskripte, aber nur neun oder zehn sind gut, und das älteste wurde 900 Jahre nach Caesars Lebzeiten geschrieben! Von den 142 Büchern der »Römischen Geschichte« des Livius (55 v. Chr. bis 17 n. Chr.) blieben nur 35 Bücher erhalten; diese sind uns aus nicht mehr als 20 Manuskripten bekannt, die von einiger Bedeutung sind, von denen aber nur eins (welches Fragmente der Bücher III-VI enthält) aus dem 4. Jahrhundert stammt. Von den 14 Büchern der »Geschichte« des Tacitus (ungefähr um das Jahr 100 n. Chr.) sind nur vier vollständig und eins zur Hälfte übriggeblieben; von den 16 Büchern seiner »Annalen« blieben zehn völlig und zwei teilweise erhalten. Der Text der heute noch vorhandenen Teile seiner zwei großen Geschichtswerke stützt sich auf nur zwei Manuskripte, von denen das eine aus dem 9., das andere aus dem 11. Jahrhundert stammt. Die erhalten gebliebenen Manuskripte seiner kleineren Werke »Agricola« »Dialogus de Oratoribus«, »Germania« sind einzig durch einen Codex aus dem 10. Jahrhundert belegt. Die Geschichte des Thucydides (etwa 460-400 v. Chr.) ist uns aus acht Manuskripten und einigen Papyrusfragmenten bekannt. Das früheste Manuskript gehört in das 9. Jahrhundert n. Chr., und die Papyri entstammen dem urchristlichen Zeitalter. Dasselbe gilt für die Geschichte des Herodot (etwa 480-425 v. Chr.). Es würde jedoch kein Altphilologe auf den Gedanken kommen, die Echtheit des Herodot oder Thucydides anzuzweifeln, weil die frühesten brauchbaren Handschriften ihrer Werke mehr als 1300 Jahre jünger sind als die Originale." F. F. Bruce, Die Glaubwürdigkeit der Schriften des Neuen Testamentes. Eine Überprüfung des historischen Befundes, S. 20f
b) Äußerst kurze Zeitspanne zwischen Abfassung und ältester Abschrift beim NT
Bruce M. Metzger, Vorsitzender des Revised Standard Version Bible Comitees und Mitherausgeber der 'New Oxford Annotated Bible with the Apokrypha' und Mitherausgeber des Nestle-Aland Novum Testamentum Graece erläuterte die Handschriftenlage des Neuen Testamentes folgendermassen:
"Die Ältesten [Manuskripte] sind Papyrusfragmente. Papyrus war ein Schreibmaterial, das aus den Fasern der Papyruspflanze gewonnen wurde, die im Nildelta in Ägypten wuchs. Es gibt 99 Papyrusfragmente, die eine oder mehrere Abschnitte oder Bücher des Neuen Testamentes enthalten. [...]
Wir haben so genannte »Unzial-Manuskripte«, die komplett in griechischen Großbuchstaben geschrieben wurden. Heute besitzen wir 306 von diesen Manuskripten, die teilweise bis ins dritte Jahrhundert zurückgehen. Die wichtigsten sind der »Codex Sinaiticus«, das einzige vollständige Neue Testament in griechischen Großbuchstaben, und der »Codex Vaticanus«, der nicht ganz vollständig ist. Beide lassen sich etwa auf 350 nach Christus datieren.
Etwa um 800 entwickelte sich eine neue Schriftart, die eher kursiv gehalten war. Man nennt diese Schrift »Minuskel«. In dieser Schrift haben wir 2 856 Manuskripte. Dann gibt es Lektionare, liturgische Bücher, in denen die neutestamentlichen Texte enthalten waren, die in der Urkirche zu bestimmten Zeiten des Jahres gelesen werden sollten. Von diesen Texten wurden 2 403 katalogisiert. Das bringt uns auf eine Gesamtzahl von 5664 griechischen Manuskripten. ...
Wir können darauf vertrauen, dass dieses Material äußerst zuverlässig überliefert wurde, vor allem, wenn man es mit anderen antiken literarischen Werken vergleicht." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, S.69+71
"...dem resultierenden Text des NTs skeptisch gegenüberzustehen hieße, die gesamte klassische Antike in dunkle Vergangenheit geraten zu lassen; denn keine Dokumente des Altertums sind bibliographisch so gut belegt wie das Neue Testament." John W. Montgomery, Histority and Christianity, 1972, S.29
Der Neutestamentler J. Harold Greenlee schrieb zu dieser kurzen Zeitspanne: "Die ältesten uns bekanntesten Mss. von den meisten griechischen klassischen Autoren datieren eintausend oder mehr Jahre nach dem Tod ihres Verfassers. Das Zeitintervall für die lateinischen Autoren ist etwas kürzer und variiert bis zu einem Minimum von drei Jahrhunderten, wie es bei Vergil der Fall ist. Beim NT jedoch wurden zwei der wichtigsten [erhaltenen] Mss. innerhalb von 300 Jahren nach Abschluss des NT geschrieben, während einige fast vollständige Bücher des NT wie auch umfassende Fragment-Mss. von vielen Teilen des NT innerhalb eines Jahrhunderts nach der Urschrift datieren." Introduction to the New Testament Textual Critisism, 1964, S.16
und weiter: "Da die Wissenschaftler die Klassiker der Antike im allgemeinen für vertrauenswürdig halten, obwohl die frühesten Manuskripte, die wir besitzen aus so viel späterer Zeit stammen, und ihre Zahl zudem verhältnismäßig klein ist, kann wohl die Zuverlässigkeit des Neuen Testamentes als mindestens ebenso gesichert betrachtet werden." Ebd. S.16
Sir Frederic Kenyon, Direktor und Bibliotheksleiter des Britischen Museums und eine Koryphäe für alte Handschriften erläuterte weiter: "Die Zeitspanne zwischen der Datierung der ursprünglichen Texte und der frühesten erhaltenen Belege ist so klein, daß sie vernachlässigt werden kann, womit uns die letzte Grundlage für jeden Zweifel daran entzogen ist, daß der Text der Heiligen Schrift im wesentlichen genauso überliefert wurde, wie er ursprünglich lautete. Damit können sowohl die Authentizität als auch die weitgehende Unverfälschtheit der Schriften des Neuen Testaments als endgültig erwiesen gelten" F. Kenyon, The Bible and Archaeology, 1940, S.288-89
Der Althistoriker Dr. Jürgen Spiess: "Wie groß ist der zeitliche Abstand, wann wurden die Berichte über Jesus verfaßt? Manche denken, die Berichte seien im Laufe von Jahrhunderten entstanden. Die Texte sind aber spätestens dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre nach den Ereignissen so abgefaßt worden, wie wir sie heute vorliegen haben. »Spätestens« heißt, daß die Forschung sich darüber unklar ist. Eine ganze Reihe von Forschern in neuerer Zeit denkt, daß die Evangelien viel älter sind, schon zwanzig bis dreißig Jahre nach den Ereignissen geschrieben. In jedem Fall ist der zeitliche Abstand wesentlich geringer als der von Tacitus zum meisten, worüber er schreibt und was wir auch in unseren Lehrbüchern über römische Geschichte finden, soweit es auf Tacitus zurückgeht oder auf andere antike Historiker.", Dr. Jürgen Spiess, Jesus für Skeptiker, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1990, 7. Auflage 2002, S.36
Die Handschriften (Manuskripte [Mss]) des NT
a) Das bislang älteste bekannte Fragment (P52)
Hier sieht man das früheste Manuskript, bei dem man sich einig ist, dass es so früh zu datieren ist. Es gibt Leute, die argumentieren, und ich denke, das ist nachvollziehbar, dass es noch frühere Fragmente von Abschriften gibt, aber das wird von der Gesamtheit der Gelehrten noch nicht akzeptiert. Aber alle sind sich einig, dass Manuskript P52, was nichts mit einem amerikanischen Kampfflugzeug des zweiten Weltkriegs zu tun hat, sondern das 52. Papyrus-Manuskript meint, das katalogisiert wurde, das Teile des neuen Testamentes enthält. Ihr seht alles, es ist auf der Rückseite beschrieben und hat die Größe einer Kreditkarte und es stammt ungefähr aus dem Jahr 125 n.Chr., was sehr früh ist. Was mich fasziniert, ist, aus welchem Buch des neuen Testamentes es stammt. Denn vor nicht einmal 150 Jahren überzeugte die Elite der deutschen Bibelkritik fast alle, dass die Evangelien sehr spät entstanden sein mussten, dass sie lange nach der Zeit Jesu geschrieben worden sein mussten. Warum? Man sagte, es muss eine gewisse Zeit verstrichen sein, bis sich dieser Jesus-Mythos hatte entwickeln können. Welches der Evangelien hatte jetzt nun die höchste Sicht von Jesus, welches brauchte am meisten „Evolution“ bis es geschrieben werden konnte? Natürlich das Evangelium des Johannes. So kamen die liberalen Gelehrten zum Schluss, dass das Johannes-Evangelium 250-300 Jahre nach Christus hatte verfasst werden müssen. Woher denkt ihr also, stammt P52? Nun, es handelt sich um einen kurzen Ausschnitt aus dem 18. Kapitel des Johannes-Evangeliums. Mir scheint, dass Gott ein wenig Humor hat und dieses kleine Fragment bewahrt hat, damit all jene Gelehrten ziemlich dumm aus der Wäsche schauen würden, wenn sie denn alle noch lebten. Dieses kleine Fragment kann uns natürlich wenig über den Rest des Johannes-Evangeliums sagen, aber es liegt nahe, dass wir heute noch dasselbe Johannes-Evangelium lesen, weil es genau dem Text entspricht, den wir haben. Es wurde in Ägypten entdeckt, 1920 von Bernard P. Grenfell erworben und wird in der John Rylands Library Manchester, England aufbewahrt.
Der abgebildete Text der Vorderseite lautet rekonstruiert:
(Mit installierter Symbol Schrift wird das Griechische korrekt angezeigt, rot sind die auf dem Fragment sichtbaren Buchstaben markiert)
EIPEN OUN AUTOIS O PILATOS LABETE AUTON UMEIS KAI KATA TON NOMON UMWN KRINATE AUTON EIPON AUTW
OI IOUDAIOI HMIN OUK EXESTIN APOKTEINAI
OUDENA INA O LOGOS TOU IHSOU PLHRWQH ON EI-
PEN SHMAINWN POIW QANATW HMELLEN APO-
QNHSKEIN ISHLQEN OUN PALIN EIS TO PRAITW-
RION O PILATOS KAI EFWNHSEN TON IHSOUN
KAI EIPEN AUTW SU EI O BASILEUS TWN IOU-
DAIWN
Rekonstruktion nach Thiede, Die älteste Evangelien Handschrift?, 4. Auflage, 1994, R.Brockhaus, S.32
Übersetzung:
Da sagte Pilatus zu ihnen: Nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz. Die Juden sagten zu ihm: Uns ist es nicht erlaubt jemanden zu töten; damit das Wort Jesu erfüllt wurde, das er gesagt hatte um zu zeigen welchen Tod er sterben sollte. Da ging Pilatus wieder in das Praetorium hinein und rief Jesus und sagte zu ihm: Bist du der König der Juden?
(Joh 18,31-33)
Der Text der ebenfalls rekonstruierten Rückseite lautet:
EIPEN OUN AUTW O PILATOS OUKOUN BASILEUS EI SU APEKRIQH O IHSOUS SU LEGEIS OTI BASI-
LEUS EIMI EGW EIS TOUTOGEGENNHMAI
KAI ELHLUQA EIS TON KOSMONINA MARTU-
RHSW TH ALHQEIA PAS O WN EKTHS ALHQEI-
AS AKOUEI MOU THS FWNHS LEGEI AUTW
O PILATOS TI ESTIN ALHQEIA KAI TOUTO
EIPWN PALIN EXHLQEN PROS TOUS IOU-
DAIOUS KAI LEGEI AUTOIS EGW OUDEMIAN
EURISKW EN AUTW AITIAN
Rekonstruktion nach Thiede, Die älteste Evangelien Handschrift?, 4. Auflage, 1994, R.Brockhaus, S.32
Übersetzung:
Da sagte zu ihm Pilatus: Also bist du doch ein König? [Es] antwortete Jesus: Du sagst [es], daß ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich zeuge für die Wahrheit; jeder der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. [Es] sagt zu ihm Pilatus: Was ist Wahrheit? Und dies gesagt habend, ging er wieder hinaus zu den Juden und sagt zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.
(Joh 18,37-38a)
"Wegen seines frühen Datums und des Fundortes [Ägypten] - in einiger Entfernung von der überlieferten Abfassung [Kleinasien] - dürfte dieser Teil des Johannesevangeliums das traditionell angenommene Abfassungsdatum des Evangeliums [Ende 1. Jhd. n. Chr.] bestätigen". Norman Geisler, William Nix, A General Introduction to the Bible, 1968, S.268
"Wäre dieses kleine Fragment in der Mitte des 19. Jh. bekannt gewesen, dann hätte die von dem brillanten Ferdinand Christian Baur inspirierte Tübinger Schule nicht behaupten können, das vierte Evangelium sei nicht vor dem Jahr 160 n. Chr. entstanden." Bruce M. Metzger, The Text of the New Testament, S.39
b) Das wahrscheinlich älteste bekannte Fragment (7Q5)
In der Höhle 7 in Qumran wurde ein Fragment gefunden, das die Bezeichnung 7Q5 trägt und wahrscheinlich einzelne Buchstaben aus der Passage Mk 6,52-53 enthält. Es ist 3,9 x 2,7 cm groß und nur auf der Vorderseite beschrieben. Mit einem konfokalen Laser Scanning Mikroskop wurde es laut Carsten Peter Thiede (Historiker und Papyrologe, er leitete die lasermikroskopische Schadensanalyse der Schriftrollen vom Toten Meer) möglich mehr Buchstaben relativ zuverlässig zu erkennen als zuvor. Die neu erkannten Buchstaben untermauern die Theorie, dass es sich tatsächlich um Mk 6,52-53 handelt.
Rekonstruierter Vollbestand der fünf Zeilen nach Thiede, Die älteste Evangelien Handschrift?, 4. Auflage, 1994, R.Brockhaus, S.35
Rot sind die sichtbaren Zeichen:
οu γαρ σuνηκαν] ε[πι τοισ αρτοισ
αλλ ην α]uτων η [καρδια πεπωρω-
μεν]η Και τι[απερασαντεσ
ηλθον εις Γε]ννησ[αρετ και
προσωρμισ]θησα[ν
Interlinearübersetzung nach: Das Neue Testament, Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch, übersetzt von Ernst Dietzfelbinger, Hänssler, 1994, S.166
οu (nicht) γαρ (denn) σuνηκαν] (hatten sie verstanden) ε[πι (aufgrund) τοισ (der) αρτοισ (Brote)
αλλ (sondern) ην (es war) α]uτων (ihr) η [καρδια (Herz) πεπωρω-
μεν]η (verhärtet) Και (Und) τι[απερασαντεσ (hinübergefahren)
ηλθον (kamen sie) εις (nach) Γε]ννησ[αρετ (Gennesaret) και (und)
προσωρμισ]θησα[ν (legten an)
Markus 6,52-53
Besonders umstritten war das Ny (v (griech. Kleinbuchstabe) in der Rekonstruktion, N (griech. Grossbuchstabe) im Original) in Zeile 2 (αuτων). Es konnte jedoch mit einem elektronischen Stereomikroskop nachgewiesen werden, dass tatsächlich ein Ny vorliegt.
"Im April 1992 brachte Carsten Peter Thiede den Papyrus zur forensischen Forschungsabteilung der israelischen Staatspolizei in Jerusalem, um ihn dort unter einem elektronischen Stereomikroskop untersuchen zu lassen. Und hier wurden erstmals die Überreste einer diagonalen Linie sichtbar, die am oberen Ende des linken vertikalen Strichs begann (den manche für ein Jota gehalten hatten) und sich nach rechts unten hinzog. Die Linie war nicht vollständig - ihre Spuren brachen schon nach wenigen Millimetern ab, doch war sie lang und gerade genug, um zu überzeugen:
Es mußte sich um den diagonalen mittleren Strich eines Ny gehandelt haben. O‘Callaghan, Hunger und andere hatten recht - der umstrittene Buchstabe war und ist ein Ny, und infolgedessen lautet das betreffende Wort auton, wie es sein muß, wenn es sich um die Stelle Markus 6,52 handelt." Carsten Peter Thiede, Matthew d' Ancona, Der Jesus Papyrus, Luchterhand, 1996, München, S.70
Bemerkenswert ist, dass es bislang nicht gelungen ist, in der gesamten Antike irgend einen anderen griechischen Text zu finden, der zu den sichtbaren Buchstaben passt:
"[...] das Fragment 7Q5, enthält in Zeile 4 eine seltene Buchstabenkombination (Ny/ Ny/ Eta/ Sigma [ννησ]), die O'Callaghans Neugier weckte. Die ersten Herausgeber hatten im Zusammenhang damit an das griechische Wort egennesen (»zeugte«) und damit an einen genealogischen Text (eine Art Stammtafel) gedacht. Das Problem war jedoch, daß es einen solchen Text, zu dem dann auch die anderen Worte des Fragments hätten passen müssen, in der gesamten biblischen oder außerbiblischen griechischen Literatur nicht gab. Dies aber war geradezu eine Herausforderung für O'Callaghan. Er bedachte und prüfte, welche anderen griechischen Wörter die Buchstabenfolge Ny/ Ny/ Eta/ Sigma enthalten könnten, und nachdem er Wörter ausgesondert hatte, die nicht in den inhaltlichen Zusammenhang paßten, kam er auf die überraschend naheliegende Idee, es mit dem griechischen Namen des »Galiläischen Meeres« zu versuchen - des Sees Gennesaret. [...] Für O'Callaghan aber begannen nun erst die Probleme. Denn erstaunlicherweise gibt es in der gesamten griechischen Fassung des Alten Testaments (der Septuaginta) nur eine einzige Stelle, an der der Name des fraglichen Sees in einer Form erscheint, in der die Buchstabenfolge »Ny/ Ny/ Eta/ Sigma« vorkommt. Dies ist das deuterokanonische (nach evangelischer Auffassung: apokryphe) Erste Buch der Makkabäer 11, 67, wo sich die Namensform »Gennesar« findet. An anderen Stellen dagegen heißt der See »Chenereth« oder »Chenara«. Doch keiner der übrigen lesbaren Buchstaben des Fragments 7Q5 paßte zu 1. Makkabäer 11, 67. Was war zu tun? Sollte man die Suche aufgeben? [...]
Da auch das Neue Testament durchweg zum Bestand der in griechischer Sprache abgefaßten antiken Literatur gehört, erschien es O'Callaghan als ein selbstverständlicher Schritt, auch neutestamentliche Texte in seine Forschungen einzubeziehen. Und tatsächlich: O'Callaghan fand eine Passage, in der nicht nur die Bezeichnung »Gennesaret« vorkam, sondern bei der auch alles andere offenbar paßte - Markus 6, 52 - 53" Carsten Peter Thiede, Matthew d' Ancona, Der Jesus Papyrus, Luchterhand, 1996, München, S.57-58
Daraus ergibt sich folgende Schlußfolgerung:
"Da die Qumran-Höhlen im Jahre 68 n. Chr. kurz vor der Eroberung durch die 10. römische Legion »Fretensis« verlassen wurden und auch nach Abzug der römischen Garnison gut sechzig Jahre später dort archäologisch nachweisbar keine Neubesiedlung oder -benutzung durch andere stattfand, muß alles dort gefundene Textmaterial älter sein als 68 n. Chr. Mittlerweile haben zumindest Papyrologen keine Schwierigkeit mehr damit, die Schlußfolgerungen in ihre Arbeit einzubeziehen.
Während die Debatte um das Fragment 7Q4 in jüngster Zeit noch einmal aufflackerte, darf die langanhaltende Kontroverse um 7Q5 als abgeschlossen gelten: Es gibt ein Schriftrollen-Fragment des Markus-Evangeliums, vor 68 n. Chr. in einer Qumran-Höhle deponiert, als Teil einer judenchristlichen Textsammlung, die ursprünglich und wohl über die Zwischenstation Jerusalem aus Rom dorthin kam." Carsten Peter Thiede, Ein Fisch für den römischen Kaiser, Luchterhand Literatur Verlag, München, 1998, S.357
Wenn in Zukunft keine diese Theorie erschütternden Indizien auftauchen, muss das Markus Evangelium deutlich vor 68 n.Chr. datiert werden: wahrscheinlich in die 40er oder 50er Jahre. Laut Stefan Enstes ist die Identität des Fragments mit der Markusstelle in Monographie Kein Markustext in Qumran (2000) als widerlegt. Somit besteht hier diskussionsbedarf.
c) Die Chester-Beatty-Papyri (90-200 n.Chr) (P45 P46 P47)
Diese Sammlung enthält Papyrus-Codizes, von denen drei größere Teile des Neuen Testamentes wiedergeben. Sie befinden sich im C.Beatty-Museum in Dublin, ein Teil ist im Besitz der Universität von Michigan.
Sir Frederic Kenyon schrieb dazu:"Das Nettoresultat dieser Entdeckung - bei weitem die Wichtigste seit der Entdeckung des Sinaiticus - ist eine Verringerung des Zeitabstandes zwischen den früheren Manuskripten und den traditionellen Daten der neutestamentlichen Bücher, und zwar so weit, daß er bei jeglicher Diskussion über ihre Authentizität belanglos geworden ist. Kein anderes Buch der Antike hat ein so frühes und überreiches Textzeugnis, und kein unvoreingenommener Gelehrter würde leugnen, daß der uns überlieferte Text im wesentlichen unverdorben ist." F.G. Kenyon, The Bible and Modern Scholarship, London, 1948
Diese Seite (s.o) aus dem P46 zeigt den Anfang des Hebräerbriefes.
Die Überschrift z.B. lässt sich gut erkennen:
PROS EBRAIOUS
PROS EBRAIOYS (Umschrift)
An (die) Hebräer (Übersetzung)
"Die bedeutendsten Papyri sind die »Chester Beatty Biblical Fragments«, die um 1930 entdeckt wurden. Einer dieser Papyri enthält Teile der vier Evangelien und der Apostelgeschichte und wird auf das dritte Jahrhundert datiert [P45]. Ein weiterer Papyrus enthält große Teile von acht Paulus-Briefen sowie Teile des Hebräer-Briefes und wird etwa auf das Jahr 200 datiert [P46]. Und der dritte Papyrus enthält eine ansehnliche Auswahl aus dem Buch der Offenbarung und stammt ebenfalls aus dem dritten Jahrhundert [P47]." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, S.69
P46 wurde 1988 von Young Kyu Kim nach eingehender paläographischer (die Lehre von den Formen und Mitteln der Schrift; Handschriftenkunde) Untersuchung redatiert auf das spätere 1. Jhd (Nestle-Aland datierte ihn auf 200 n.Chr.). Dazu haben intensive Schrift- und Schreibstilanalysen und -vergleiche mit anderen bekannten Handschriften aus dem 1. Jhd. geführt. Der P46 enthält grosse Teile vom Römer und 1.Thess und fast alles vom 1.Kor, 2.Kor, Gal, Phil, Kol und Hebräerbrief.
d) Die Bodmer Papryi (150-200 n.Chr.) (P66 P72 P75)
Der P66, der üblicherweise auf 200 n.Chr. datiert wird, befindet sich in der Bodmer Bibliothek für Weltliteratur in Cologny und enthält den größten Teil des Johannes Evangeliums und gehört zu den wichtigsten Entdeckungen neutestamentlicher Manuskripte seit dem Ankauf der Chester-Beatty-Papyri.
Herbert Hunger, der Direktor der Papyrus-Sammlungen der Staatsbibliothek Wien, datiert den Papyrus früher, nämlich Mitte bis erste Hälfte des 2. Jhd.; siehe sein Artikel in: Bruce M. Metzger, The Text of the New Testament, S. 39f.
"Der Bodmer-Papyrus II (150-200 n. Chr.) wurde in den 50er und 60er Jahren von einem Händler in Ägypten gekauft und befindet sich heute in der Bodmer-Bibliothek für Weltliteratur. Er enthält den größten Teil des Johannesevangeliums. Die wichtigste Entdeckung neutestamentlicher Papyri seit dem Ankauf der Chester-Beatty-Manuskripte (s. u.) war die Anschaffung der Bodmer-Kollektion durch die Bibliothek für Weltliteratur in Culagny in der Nähe von Genf. P66, datiert von etwa 200 n. Chr. oder noch früher, enthält 104 Blätter von Joh 1,1-6,11; 6,35b-14,26; außerdem Fragmente von 40 anderen Seiten, Joh 14-21. Der Text ist eine Mischung von alexandrinischen und westlichen Schriftarten, und dann gibt es über 20 Abänderungen zwischen den Linien, die allesamt zur westlichen Familie gehören." Norman L. Geisler/William E. Nix, A General Introduction to the Bible, S.390
Abgebildet ist hier nur Joh 1,1-14. Zu erkennen ist auch die Überschrift (Inscriptio):
EUAGGELION KATA IWANNHN
EYAGGELION KATA IOANNEN (Umschrift)
Evangelium nach Johannes (Übersetzung)
Wenn man den P66 mit dem rekonstruierten NT Urtext nach Nestle-Aland (Novum Testamentum Graece, 27. Auflage, 1998, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart), auf dem fast alle heutigen Übersetzungen des NT basieren, vergleicht, dann kann man erkennen, dass beide ziemlich genau übereinstimmen (bis auf ein paar unwesentliche Unterschiede - eigentlich klar, da der rekonstruierte NT Urtext v.a. auf diesen Papyrus Handschriften, wie der P66 eine ist, basiert => es soll damit verdeutlicht werden, dass der rekonstruierte Urtext tatsächlich mit diesen alten Papyri übereinstimmt). Der erste Vers ist beispielhaft, interlinear ins Deutsche übersetzt um zu zeigen, wie dann eine dt. Bibelübersetzung entsteht:
1:1 EN (Im) ARCH (Anfang) HN (war) O (das) LOGOS (Wort) KAI (und) O (das) LOGOS (Wort) HN (war) PROS (bei) TON (-) QEON (Gott) KAI (und) QEOS (Gott) HN (war) O (das) LOGOS (Wort)
1:2 OUTOS HN EN ARCH PROS TON QEON
1:3 PANTA DI AUTOU EGENETO KAI CWRIS AUTOU EGENETO OUDE EN O GEGONEN
1:4 EN AUTW ZWH HN KAI H ZWH HN TO FWS TWN ANQRWPWN
1:5 KAI TO FWS EN TH SKOTIA FAINEI KAI H SKOTIA AUTO OU KATELABEN
1:6 EGENETO ANQRWPOS APESTALMENOS PARA QEOU ONOMA AUTW IWANNHS
1:7 OUTOS HLQEN EIS MARTURIAN INA MARTURHSH PERI TOU FWTOS INA PANTES
PISTEUSWSIN DI AUTOU
1:8 OUK HN EKEINOS TO FWS ALL INA MARTURHSH PERI TOU FWTOS
1:9 HN TO FWS TO ALHQINON O FWTIZEI PANTA ANQRWPON ERCOMENON EIS TON KOSMON
1:10 EN TW KOSMW HN KAI O KOSMOS DI AUTOU EGENETO KAI O KOSMOS AUTON OUK
EGNW
1:11 EIS TA IDIA HLQEN KAI OI IDIOI AUTON OU PARELABON
1:12 OSOI DE ELABON AUTON EDWKEN AUTOIS EXOUSIAN TEKNA QEOU GENESQAI TOIS
PISTEUOUSIN EIS TO ONOMA AUTOU
1:13 OI OUK EX AIMATWN OUDE EK QELHMATOS SARKOS OUDE EK QELHMATOS ANDROS
ALL EK QEOU EGENNHQHSAN
1:14 KAI O LOGOS SARX EGENETO KAI ESKHNWSEN EN HMIN KAI EQEASAMEQA THN
DOXAN AUTOU DOXAN WS MONOGENOUS PARA PATROS PLHRHS CARITOS KAI ALHQEIAS
Quelle des griechischen Textes: www-user.uni-bremen.de/~wie/GNT/John.html aber in griech. Grossbuchstaben, da P66 ist eine Majuskel ist.
Übersetzung: Ernst Dietzfelbinger, Das Neue Testament, Interlinearübersetzung, Griechisch-Deutsch, 5. korrigierte Auflage, 1994, S.385
Vollständig und eng am griechischen Wortlaut in verständliches Deutsch übersetzt, liest es sich dann so:
Joh 1
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Dieses war im Anfang bei Gott.
3 Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.
4 In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt.
6 Da war ein Mensch, von Gott gesandt, sein Name Johannes.
7 Dieser kam zum Zeugnis, daß er zeugte von dem Licht, damit alle durch ihn glaubten.
8 Er war nicht das Licht, sondern <er kam,> daß er zeugte von dem Licht.
9 Das war das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.
10 Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht.
11 Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an;
12 so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben;
13 die nicht aus Geblüt, auch nicht aus dem Willen des Fleisches, auch nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Übersetzung: Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel, 1994, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal und Zürich
Dr. Bruce Metzger erklärte zur Papyrusgruppe, der dieser Papyrus angehört:
"Eine [...] wichtige Gruppe von Papyri wurde von Martin Bodmer, einem Schweizer Bibliophilen, erworben. Die ältesten Papyri stammen etwa aus dem Jahr 200 und enthalten etwa zwei Drittel des Johannes-Evangeliums [einer davon ist P66]." Bruce Metzger, zit. bei Lee Strobel, Der Fall Jesus, 1999, S.69
Papyrus 72 wird datiert auf ca. 200 n.Chr. Es ist die frühste Abschrift, die wir vom 1. und 2. Petrus-Brief und vom Judas-Brief besitzen. Enthalten ist 2. Petrus 1,1, welches die Granville Sharp Regel beinhaltet, das ist einer der bedeutenden Hinweise auf die Gottheit Christi, wo von der Gerechtigkeit «unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus» die Rede ist. Zu dieser Zeit war die christliche Gemeinde unter Verfolgung: Der Mann, der dieses Manuskript abschrieb, riskierte sein Leben dabei, als er es abschrieb.Wenn man das mit dem geschulten Auge betrachtet, sieht man, dass dieser Mann kein professioneller Schreiber war. Womöglich war es ein Geschäftsmann, vielleicht ein Sklave, er reiste vermutlich umher, kam in eine Versammlung und hörte vielleicht jemand aus diesem Text vorlesen, den er nicht kannte. Und so fragte er: „Sind das die Petrus-Briefe? Die haben wir in unserer Versammlung nicht, darf ich diese kopieren“? Leute, die man mit christlichen Schriften unterm Arm erwischt hatte, die hat man teilweise den Löwen vorgeworfen aufgrund dieses Vergehens. Wenn ihr ein wenig Kirchengeschichte von dieser Zeit lest, werdet ihr von der wirklich heftigen Verfolgung von Christen damals lesen. Hier haben wir einen Text von jemandem, der das Wort Gottes so sehr liebte, dass er sein Leben riskierte um daran zu kommen. Und was so wunderbar daran ist, ist, dass ich heute diesen Text mit meiner modernen Ausgabe des griechischen Neuen Testamentes rauf und runter lesen kann. Heute haben wir Texte, die vor 1800 Jahren geschrieben worden sind. Wir sehen in P72 den ersten und zweiten Petrus-Brief, geschrieben von einem christlichen Zeitgenossen vor 1800 Jahren. Und da ich den Text dort für mich übersetzt hatte, kann ich euch sagen, dass der Text genau das beinhaltet, was ihr heute in eurer Bibel findet. Toll ist: Wenn ihr einen modernen kritischen Text habt, könnt ihr euch genau anschauen, was in diesem Papyrus stand. Wir haben als Christen nicht zu verbergen, wie wir zu unserem Bibeltext kommen.
"P75, ein weiteres frühes Manuskript, das Bodmer erworben hat, ist ein auf einem einzigen Papyrus zusammengefasster Kodex von Lukas und Johannes … die Herausgeber, Victor Martin und Rodolphe Kaser, datieren dieses Manuskript zwischen 175 und 225 n. Chr. Es ist also die früheste bekannte Kopie des Evangeliums nach Lukas und eine der frühesten des Evangeliums nach Johannes." Bruce M. Metzger, The Text of the New Testament, S. 41
e) Die Lesartenfrage (Unterschiede zwischen NT Handschriften)
Kommen wir nochmal auf die Lesearten zurück.
Fenton John Anthony Hort, dessen Lebenswerk der Erforschung der Handschriften galt und der allgemein als Sachverständiger anerkannt wird, führte dazu folgendes aus:
"Der Anteil der Wörter, die von allen Seiten als so gut wie über alle Zweifel erhaben akzeptiert werden, ist sehr groß: nicht weniger - ungefähr gerechnet - als sieben Achtel des Ganzen. Das restliche Achtel, das zum großen Teil durch Änderungen in der Reihenfolge und ähnliche Trivialitäten gebildet wird, stellt demnach den gesamten Bereich der Kritik dar.
Wenn die in dieser Ausgabe befolgten Grundsätze richtig sind, kann dieser Bereich noch sehr verringert werden. Bei voller Anerkennung der Pflicht, sich in den Fällen, wo das Material das Urteil zwischen zwei oder mehr Lesarten in der Schwebe läßt, jeglicher vorgefaßter Entscheidungen zu enthalten, finden wir - abgesehen von Unterschieden in der Rechtschreibung - ,daß die Wörter, die unserer Meinung nach noch Zweifel offenlassen, nur ungefähr ein Sechzehntel des gesamten Neuen Testaments ausmachen. Bei dieser zweiten Schätzung ist der Anteil der vergleichbar unbedeutenden Unterschiede erheblich größer als bei der ersten; so daß die Summe dessen, was überhaupt wesentliche Unterschiede genannt werden kann, lediglich einen Bruchteil der gesamten Unterschiede ausmacht und kaum mehr als ein Tausendstel des gesamten Textes bilden dürfte." Fenton J.R. Hort, Brooke Foss Westcott, The New Testament in the Original Greek, Bd.1, New York, Macimillian, 1881, S.2
D.h. Hort kommt auf einen Anteil von Worten im NT, die nicht gesichert sind, der im Bereich von 0,1% liegt. D.h. er behauptet umgekehrt, dass 99,9% aller Worte des NT als zuverlässig betrachtet werden können.
Geisler und Nix kommen zu einem etwas höheren Anteil an Worten des NT, die relevante Varianten darstellen. Sie bemerken zu den vorherigen Ausführungen Horts indem sie ebenfalls von einem Achtel an Varianten vom gesamten Text des NT ausgehen: "Nur etwa ein Achtel aller Varianten ist von Gewicht, da die meisten nur mechanische Dinge wie Rechtschreibung oder Stil betreffen. Das heißt, daß nur etwa ein Sechzigstel des Gesamttextes als in seinen Varianten >wesentliche Unterschiede< enthaltend angesehen werden kann. Mathematisch würde das einen Text ergeben, der zu 98,33 Prozent rein ist." Norman L. Geisler, William E. Nix, A General Inroduction to the Bible, Chicago, Moody Press, 1968, S.365
Geisler und Nix rechnen folgendermassen:
Zu 1/8 aller Wörter des NT gibt es Varianten, von denen wiederum 1/8 relevante Varianten sind.
(1/8 [Menge der gesamten Varianten in Bezug auf das NT])*(1/8 [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf die gesamten Varianten]) = 1/(8*8) = 1/64 = 0,015625
=> d.h. dass der Anteil aller relevanten Varianten 1/64 aller Worte des NT beträgt oder in Prozentwerten ausgedrückt: 1/64 = 0,015625 => 0,015625 * 100% = 1,5% [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT]
Nun wird großzügig aufgerundet auf 1/60 = 0,01666 und wieder auf Prozentwerte umgerechnet, es werden dadurch etwas mehr relevante Varianten, nämlich:
0,01666*100% = 1,666% [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT]
=> d.h. 1,666% des NT ist der Anteil der relevanten Varianten [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT].
100% [alle Wörter des NT] - 1,666% [Menge der relevanten Varianten in Bezug auf das NT] = 98,333%
=> d.h. 98,333% der Wörter des NT sind ohne relevante Varianten.
Von Seiten der Bibelkritik wurde immer wieder behauptet, dass eine "schöpferische Gemeinde" in einer Redaktions- und Editionsgeschichte den resultierenden uns vorliegenden Text des NT in einer langen Überlieferungskette zusammencompiliert hätte. Zu dieser Annahme gibt es jedoch aufgrund der existierenden Lesartenunterschiede keine Grundlage:
Der Texthistoriker Ulrich Victor vom Institut für Urchristentum und Antike an der Humboldt-Universität in Berlin untersuchte hierzu das NT (im besonderen den P66) und verglich die Textgeschichte des NT mit anderen antiken Texten, er kam zu folgendem Schluss:
"Ich fasse zusammen: 1. Es ist nach dem Befund in der handschriftlichen Überlieferung des Neuen Testamentes auszuschließen, daß es je eine Editionsgeschichte der Evangelien gegeben hat. Die Evangelien sind in der Form verfaßt worden, in der sie uns vorliegen. Es ist also Abschied zu nehmen von einem Ur-Markus, einem eschatologischen Ur-Johannes etc. 2. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die vorliegenden Evangelien auf einer mehr oder weniger langen theologisch und literarisch schöpferischen "Gemeinde"-Tradition von sehr zahlreichen mündlich und/oder schriftlich umlaufenden Einzelstücken gründen. Eine solche Tradition hätte sich in einer so großen Zahl von gewichtigen Textvarianten niedergeschlagen, daß deutliche Spuren davon geblieben wären."
Quelle: Was ein Texthistoriker zur Entstehung der Evangelien sagen kann, http://www.bsw.org/project/biblica/bibl79/Comm14.htm
Verfasser der Evangelien
a) Identität der Autoren der Evangelien (Wer schrieb die Evangelien?)
"Die Evangelienerzählungen sind insofern anonym, als sie keine Aussage beinhalten wie: "Ich, Matthäus, schrieb dies," oder so ähnlich. Der Grund für diese Anonymität ist unbekannt. Vielleicht wollten sie dadurch, dass sich die Autoren eher in den Hintergrund stellten, ihr eigentliches Thema, Jesus, hervorheben. Trotzdem waren die Autoren ihren ursprünglichen Lesern und Zuhörern wahrscheinlich bekannt. Der Prolog des Lukas (1,1-4) weist darauf hin, dass der Autor dem Empfänger und Gönner Theophilus bekannt ist. Gleicherweise ist der Autor des Johannesevangeliums einer Gruppe bekannt, die sich für ihn in Johannes 21,24 verbürgt. Somit waren zumindest zwei der Evangelien für ihre Empfänger nicht anonym.
Angesichts dieser Tatsachen ist es bedeutsam, dass die frühchristliche Tradition die kanonischen Evangelien einstimmig Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zuschreibt und dass die frühesten noch erhaltenen Papyri auch Titel haben, die alle nur den traditionellen Autor angeben. Das findet seine natürlichste Erklärung darin, dass diese Männer wirklich die Verfasser sind und dies der christlichen Gemeinschaft allgemein bekannt war. Anderenfalls erfordert der völlige Verlust der richtigen Namen und deren vollständiger Ersatz durch eine einzige Gruppe von Pseudonymen eine Erklärung - einer Gruppe zudem, in welcher drei der vier Namen relativ unbekannt sind. Man würde meinen, dass für erfundene Namen jeder Apostelname geeigneter wäre als Markus und Lukas und jeder der bedeutenderen Apostel -- Petrus, Paulus, Jakobus, Andreas, Philippus oder Thomas -- geeigneter als Matthäus.
Im folgenden fassen wir das von ausserhalb der Evangelien stammende historische Beweismaterial für die traditionellen Verfasser kurz zusammen. Papias, Bischof der Gemeinde von Hierapolis in Kleinasien und ein alter Mann im Jahre 130 n. Chr., nennt Matthäus und Markus als Evangelienautoren und weist darauf hin, dass Matthäus in Hebräisch oder Aramäisch geschrieben hat, und beschreibt Markus als einen, der die Erinnerungen des Petrus aufgeschrieben hat. Papias selber war ein Schüler des Apostels Johannes [Aufgezeichnet bei Eusebius, Kirchengeschichte, 3.39.15-16.].
Justin der Märtyrer bekehrte sich irgendwann vor 130 n. Chr. zum Christentum, nachdem er viele der zeitgenössischen Philosophien studiert hatte. Er spricht über die Evangelien als die "Memoiren der Apostel" [Justin, Apologien, 1.33, 66, 67; Dialog mit Tryphon 100-104, 105, 106, 107.]. Er sagt, dass sie "von den Aposteln und ihren Nachfolgern" geschrieben wurden [Dialog 103.7], was auch dem entspricht, dass sie traditionell zwei Aposteln (Matthäus und Johannes) und zwei Apostelnachfolgern zugeschrieben werden (Markus von Petrus, Lukas von Paulus). Er zitiert oder erwähnt Angelegenheiten aus jedem der vier Evangelien, und spielt anscheinend auf das Markusevangelium als die Memoiren des Petrus an[Dialog 106.3]. Justin schrieb in den fünfziger Jahren des zweiten Jahrhunderts, aber anscheinend fand sein Dialog mit dem Juden Tryphon bereits in den dreissiger Jahren statt.
Der in Italien im späten zweiten Jahrhundert anonym geschriebene Kanon Muratori ist am Anfang beschädigt, aber er führt Lukas als Autor des dritten Evangeliums an und Johannes als Autor des vierten [http://www-user.uni-bremen.de/~wie/texteapo/muratori.html].
Irenäus, Bischof von Lyon in Frankreich um 180, wuchs in Kleinasien auf und studierte bei Polykarp, einem Schüler des Apostels Johannes; er nennt alle vier Verfasser der Evangelien und gibt für drei davon die ungefähren Daten ihrer Enstehung an [Gegen die Häresien 3.1.2.].
Clemens und Origenes, christliche Lehrer in Alexandria um das Jahr 200, erwähnen alle vier Evangelien mit den traditionellen Verfassern [Clemens, Outlines, zitiert bei Eusebius, Kirchengeschichte 6.14.5; Origines, Kommentar zu Matthäus 1, zitiert bei Eusebius 6.25.3ff]. Keiner dieser Männer gibt uns irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass sie nur vermuten, Neuerungen eigeführt oder voneinander abgeschrieben hätten. All dies deutet darauf hin, dass diese Informationen Allgemeinwissen der vorhergehenden Generation waren."
Interdisciplinary Biblical Research Institute (IBRI), DIE BIBLISCHEN ERZÄHLUNGEN DER OSTERWOCHE: SIND SIE GLAUBWÜRDIG?, Robert C. Newman, Biblical Theological Seminary
Quelle: http://www.newmanlib.ibri.org/RRs/Translations/RR01Easter_German.htm
Die Kirchenväter überlieferten folgendes über die Entstehung der Evangelien (ich habe die Evangelisten Mt, Mk, Lk, Jh, der besseren Übersichtlichkeit wegen, fett markiert):
Der Kirchenvater Irenäus, Bischof von Lyon geb. um 135 in Kleinasien, gest. um 202 schrieb über die Entstehung der Evangelien:
"Matthäus verfaßte seine Evangelienschrift bei den Hebräern in hebräischer Sprache, als Petrus und Paulus zu Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche gründeten. Nach deren Tod zeichnete Markus, der Schüler und Dolmetscher Petri, dessen Predigt für uns auf. Ähnlich hat Lukas, der Begleiter Pauli, das von diesem verkündete Evangelium in einem Buch niedergelegt. Zuletzt gab Johannes, der Schüler des Herrn, der an seiner Brust ruhte, während seines Aufenthaltes zu Ephesus in Asien das Evangelium heraus."
Irenäus, Gegen die Häresien III 1,1f, Fünf Bücher gegen die Häresien. Übersetzt von Prof. Dr. E. Klebba. Buch I-III (= BKV 3). Kempten-München 1912, S.209
Dann nochmals über den Evangelisten Johannes:
"Denselben Glauben verkündete Johannes, der Schüler des Herrn. Durch die Verkündigung seines Evangeliums wollte er jenen Irrtum widerlegen, den Kerinthus unter die Menschen gebracht hat und viel vor ihm die sogenannten Nikolaiten, die ein Abzweig der fälschlich so genannten Gnosis sind. [...] Alles Derartige wollte der Schüler des Herrn austilgen und als Richtschnur der Wahrheit in der Kirche aufstellen, daß es nur einen allmächtigen Gott gibt, der durch sein Wort alles gemacht hat, das Sichtbare und das Unsichtbare [...]"
Irenäus, Gegen die Häresien III 11,7, Fünf Bücher gegen die Häresien. Übersetzt von Prof. Dr. E. Klebba. Buch I-III (= BKV 3). München 1912, S.237f.
Und über den Evangelisten Lukas berichtet er:
"Dieser Lukas war unzertrennlich von Paulus und dessen Mitarbeiter im Evangelium, wie er selbst in aller Bescheidenheit kundtut. Nachdem sich nämlich Barnabas und Johannes, mit Beinamen Markus, von Paulus getrennt und nach Cypern eingeschifft hatten, "kamen wir nach Troas" [...] Da Lukas bei all diesem zugegen war, hat er alles sorgfältig verzeichnet, damit er weder als lügnerisch noch als aufgeblasen gescholten werden könne, da ja alle diese Dinge feststehen und er unleugbar älter ist als alle, die jetzt anders lehren und die Wahrheit nicht kennen. War er doch nicht allein ein Begleiter, sondern auch Mitarbeiter der Apostel und besonders des Paulus"
Irenäus, Gegen die Häresien III 14,1, Fünf Bücher gegen die Häresien. Übersetzt von Prof. Dr. E. Klebba. Buch I-III (= BKV 3). München 1912, S.265f.
Der Kirchenvater Eusebius von Cäsarea geb. 260/265 in Palästina, gest. 338/339 in Cäsarea überlieferte folgendes über die Entstehung des Matthäus- und des Johannesevangeliums:
"6Matthäus, der zunächst unter den Hebräern gepredigt hatte, schrieb, als er auch noch zu anderen Völkern gehen wollte, das von ihm verkündete Evangelium in seiner Muttersprache [...] 7Nachdem nun Markus und Lukas die von ihnen gepredigten Evangelien herausgegeben hatten, sah sich nach der Überlieferung auch Johannes, der ständig sich mit der mündlichen Predigt des Evangeliums beschäftigt hatte, zur Niederschrift veranlaßt, und zwar aus folgendem Grunde: Nachdem die zuerst geschriebenen drei Evangelien bereits allen und auch dem Johannes zur Kenntnis gekommen waren, nahm dieser sie, wie man berichtet, an und bestätigte ihre Wahrheit und erklärte, es fehle den Schriften nur noch eine Darstellung dessen, was Jesus zunächst, zu Beginn seiner Lehrtätigkeit, getan habe. Mit dieser Erklärung hatte er auch recht. 8Denn es ist klar, daß die drei Evangelien nur das, was der Heiland nach der Gefangensetzung Johannes des Täufers während eines einzigen Jahres getan hatte, aufgezeichnet haben, und daß sie dies auch am Anfange ihrer Berichte zu erkennen geben. [...] 11Nach der Überlieferung hat nun deshalb der Apostel Johannes auf Bitten hin über die Zeit, über welche die früheren Evangelisten geschwiegen haben, sowie über die in diese Zeit, d. i. vor die Gefangennahme des Täufers, fallenden Taten des Erlösers in einem eigenen Evangelium berichtet [...] 12Johannes erzählt also in seinem Evangelium das, was Christus getan hatte, noch ehe der Täufer ins Gefängnis geworfen wurde; die übrigen drei Evangelisten aber berichten die auf die Einkerkerung des Täufers folgenden Ereignisse." Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte. III 24,6f.11f. Übersetzt von Philipp Haeuser (= BKV II.1). München 1932, S.130-132
Und über die die Abfassung des Markusevangeliums schrieb er:
"1So sehr erleuchtete das Licht der Religion die Herzen der Zuhörer des Petrus, dass sie sich nicht damit begnügen wollten, ihn ein einziges Mal nur gehört zu haben, sie wollten von der Lehre seiner göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher wandten sie sich inständig mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des Evangeliums, den Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen. Und sie standen nicht eher von den Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So wurden sie die Veranlassung zum sogenannten Markusevangelium. 2Nachdem Petrus durch eine Offenbarung des Geistes von dem Vorfall Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im sechsten Buch seiner Hypotyposen berichtet und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis überein. Petrus gedenkt des Markus in seinem ersten Brief, den er in Rom selbst verfasst haben soll, was er selbst andeutet, indem er diese Stadt bildlich Babylon nennt, wenn er sagt: 'Es grüsst euch die miterlesende Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn.' [1.Petr 5,13]" Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte. II 15,1 Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, Studienausgabe 1997, S.131f
und weiter unten:
"15Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, daß er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen. 16So berichtete Papias über Markus. Bezüglich des Matthäusevangeliums überlieferte er weiter: "Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte." Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte III 39,15f. Übersetzt von Philipp Haeuser (= BKV II.1). München 1932, S.153f.
Über die Reihenfolge der Entstehung der Evangelien berichtete erneut Eusebius:
"5In dem gleichen Werke teilt Klemens bezüglich der Reihenfolge der Evangelien eine Überlieferung mit, welche er von den alten Presbytern erhalten hatte. Dieselbe lautet: diejenigen Evangelien, welche die Genealogien enthalten, seien zuerst geschrieben worden [dt. Geschlechtsregister, Matthäus (Mt 1,1-17) und Lukas (Lk 3,23-38) enthalten diese Geschlechtsregister Jesu]. Das Evangelium nach Markus habe folgende Veranlassung gehabt. 6Nachdem Petrus in Rom öffentlich das Wort gepredigt und im Geiste das Evangelium verkündet hatte, sollen seine zahlreichen Zuhörer Markus gebeten haben, er möge, da er schon seit langem Petrus begleitet und seine Worte im Gedächtnis habe, seine Predigten niederschreiben. Markus habe willfahren und ihnen der Bitte entsprechend das Evangelium gegeben. [...]
7Zuletzt habe Johannes in der Erkenntnis, daß die menschliche Natur in den Evangelien (bereits) behandelt sei, auf Veranlassung seiner Schüler und vom Geiste inspiriert ein geistiges Evangelium verfaßt. Soweit Klemens." Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte VI 14,5-7 (= BKV II.1). Übersetzt von Philipp Haeuser. München 1932, S.280f.
b) Die Autoren des NT benutzten Augenzeugenberichte, bzw. waren selbst Augenzeugen
Das NT basiert auf Augenzeugenberichten, wie es die Quellen (d.h. die Jünger Lukas, Johannes und Petrus in ihren Schriften) selbst bezeugen (alles was mit Augenzeugen zu tun hat, ist der Übersichtlichkeit wegen, fett gedruckt):
Lk 1,1-4
1 Da es nun schon viele unternommen haben, einen Bericht von den Ereignissen zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben,
2 wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen[1] und Diener des Wortes gewesen sind,
3 hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, hochedler Theophilus, der Reihe nach zu schreiben,
4 damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.
[1] griech. autopths/autoptes: der Augenzeuge, etw. mit den eigenen Augen sehen oder gesehen haben
=> Lukas, der Arzt, ein Reisegefährte des Paulus, gründete sein Evangelium auf die Aussagen von Augenzeugen.
Joh 19,32-35
32 Da kamen die Soldaten und brachen dem ersten die Beine und auch dem andern, der mit ihm gekreuzigt war.
33 Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, daß er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht;
34 sondern einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus.
35 Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr, und er weiß, daß er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubt.
=> Johannes, ein Jünger, stand selbst unter dem Kreuz und hat mit angesehen, wie Jesus dort gestorben ist.
Joh 20,24-29
24 Thomas aber, einer von den Zwölfen, genannt Zwilling, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
25 Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger in das Mal der Nägel lege und lege meine Hand in seine Seite, so werde ich nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen und Thomas bei ihnen. <Da> kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und trat in die Mitte und sprach: Friede euch!
27 Dann spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
29 Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig <sind>, die nicht gesehen und <doch> geglaubt haben!
=> Der Jünger Thomas konnte erst dann an die Auferstehung Jesu glauben, als er Jesus nach seinem Tod am Kreuz mit eigenen Augen gesehen, und ihn mit eigenen Händen befühlt hatte.
Apg 26,25-26
25 Paulus aber spricht: Ich bin nicht von Sinnen, hochedler Festus, sondern ich rede Worte der Wahrheit und der Besonnenheit.
26 Denn der König weiß um diese Dinge, zu dem ich auch mit Freimütigkeit rede; denn ich bin überzeugt, daß ihm nichts hiervon verborgen ist, denn nicht in einem [verborgenen] Winkel ist dies geschehen.
=> D.h. die Ereignisse um Jesu Leben und Sterben waren offensichtlich so allgemein bekannt, dass sich Paulus vor einem römischen Statthalter (Festus war etwa von 60–62 n.Chr. Statthalter des römischen Kaisers in Palästina) öffentlich darauf beziehen konnte; es war also keine Geheimlehre, die Paulus vertrat.
2.Petr 1,16
16 Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, nicht indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern weil wir Augenzeugen[1] seiner herrlichen Größe gewesen sind.
[1] griech. epoptai/epoptai: der Betrachter, der Beobachter, Augenzeuge von etwas sein
=> Petrus hat als Jünger Jesu miterlebt, was Jesus gesagt und getan hat. Er hatte es aus Jesu Mund selbst gehört und ihn mit eigenen Augen gesehen.
1.Joh 1,1-3
1 Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens
2 - und das Leben ist geoffenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist -,
3 was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.
=> Der Jünger Johannes betonte ebenfalls, dass sie (die Jünger) Jesus ("das Wort des Lebens", siehe Joh 1) gesehen, gehört und betastet haben.
Auch die Kirchenväter überlieferten, dass die Augenzeugen der damaligen Ereignisse um Jesus mit den hl. Schriften (AT und NT) in Übereinstimmung waren:
Irenäus, Bischof von Lyon, ein Schüler des Polycarp, der seinerseits ein Schüler des Apostels Johannes war, geb. um 135 in Kleinasien, gest. um 202, berichtet über seinen Lehrer Polycarp:
"Was auch immer die Dinge waren, die er[2] bezüglich des Herrn gehört hatte, bezüglich beidem, seiner Wunder und seiner Lehren, Polycarp hatte dieses von den Augenzeugen des Wortes des Lebens empfangen, so erzählte er all die Dinge in Übereinstimmung mit den Schriften. Diesen Dingen, hörte ich[3] durch Gottes Gnade, die auf mir war, aufmerksam zu und hielt sie in Ehren, nicht indem ich sie aufschrieb, sondern indem ich sie in meinem Herzen bewahrte und ich fahre durch Gottes Gnade fort, mich an diese Dinge genau zu erinnern." Irenäus Fragmente, II; Eusebius, Kirchengeschichte, 5.20.8 (siehe ausführlicherer Text hier)
[2] Polycarp [3] Irenäus
Ärchäologische Indizien
Es gibt durch die Archäologie zahlreiche Hinweise darauf, dass das NT historisch zuverlässig ist:
a) Pontius Pilatus, Statthalter von Judäa
Pontius Pilatus war nach dem Pilatusstein Präfekt, nach Josephus und Tacitus Prokurator (beides bedeutet in deutsch 'Statthalter') der römischen Provinz Judäa. Das NT (z.B. Lk 3,1: Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war...) bezeichnet ihn einfach als griech. hegemoneuo (hgemoneuw), eine allg. Bezeichnung für Statthalter ohne seinen exakten römischen Titel näher zu benennen.
Ein Prokurator (lat. procurator) regierte eine röm. Provinz für den röm. Kaiser, im Gegensatz zum Prokonsul, der dem röm. Senat unterstellt war. Ein Präfekt (lat. praefectus) wurde von einem Magistrat oder dem Kaiser mit der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe in Verwaltung oder Militär betraut.
Paul L. Maier, Professor für Altertum an der Western State Michigan University, USA, hält Präfekt für den richtigen Titel, da es Prokuratoren erst später gegeben hätte: "Siehe Antonio Frova, »L'Iscrizione di Ponzio Pilato a Cesárea«, Rendiconti Istituto Lombardo (Accademia di Scienze e Lettere), 95 (1961), 419-34. Von großer Bedeutung ist es, daß die Inschrift Pilatus als Präfekten bezeichnet und damit den Anachronismus, Prokurator (Krieg ii, 9, 2) und Tacitus (Annalen xv, 44) korrigiert. Prokuratoren gab es erst seit Claudius. Das Neue Testament benutzt statt Prokurator das griechische Wort für Gouverneur. Frova vermutet, daß das Tiberieum eine »piazza porticata« gewesen sei in der Nähe des Theaters des Herodes, möglicherweise eine Art »porticus post scaenam«. Bei B. Lifshitz (Latomus XXII, 1963, S. 783) und A. Degrassi; (Rendiconti dell'Accademia Nazionale dei Lincei XIX, 1964, S. 59-65) wurden diese Fragen diskutiert."
Paul. L. Maier, Pilatus, 1970, R. Brockhausverlag, Wuppertal, 1. Taschenbuchausgabe 1982, S. 356, engl. Originalausgabe "Pontius Pilate", 1968, Doubleday & Co., New York
"Nachdem Archelaus (Mt2,22 [Als er [Josef, Mann der Maria, Mutter Jesu] aber hörte, daß Archelaus über Judäa herrschte anstelle seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dahin zu gehen; und als er im Traum eine göttliche Weisung empfangen hatte, zog er hin in die Gegenden von Galiläa]) abgesetzt worden war (6 n.Chr.), kam Judäa unter röm. Verwaltung. An der Spitze der Provinz stand ein Prokurator, der dem Prokonsul von Syrien unterstellt war. Der fünfte in der Reihe dieser Statthalter, der Nachfolger des Valerius Gratus, war Pontius Pilatus, der i. J. 26 auf Veranlassung des mächtigen Sejan von Kaiser Tiberius eingesetzt wurde." Fritz Rieneker, Lexikon zur Bibel, 1960 Brockhaus Verlag, Wuppertal, 2. Sonderauflage 1991, 19. Gesamtauflage, S.1079
Josephus berichtete über Pilatus' Einsetzung als Prokurator folgendermassen:
"Nach elf Jahren in Judäa kehrte Gratus nach Rom zurück und wurde von Pontius Pilatus abgelöst. [...]
Nachdem Pilatus von Tiberius als Prokurator nach Judäa gesandt worden war, verlagerte er seine Truppen aus Cäsarea in die Winterquartiere nach Jerusalem und brachte Büsten des Kaisers in die Stadt, die auf den militärischen Standarten aufgestellt wurden, obwohl unser Gesetz es verbietet, Bilder anzufertigen. Aus diesem Grund benutzten die früheren Prokuratoren, wann immer sie die Stadt betraten, Standarten, auf denen sich keine solchen Ornamente befanden. Pilatus war der erste, der diese Büsten nach Jerusalem brachte und dort aufstellte. Dies tat er ohne Wissen des Volkes, da er die Arbeit nachts ausführen ließ. Als die Juden diese Büsten sahen, eilte eine große Menge zu Pilatus nach Cäsarea und flehte ihn tagelang an, die Bilder zu entfernen. Pilatus weigerte sich, weil er diese Bitte als Beleidigung des Kaisers verurteilte. Aber als sie nicht aufhörten, ihn zu bedrängen, befahl er am sechsten Tag seine Truppen in Angriffstellung, als er selbst das Rednerpodium betrat. Dieses war im Stadion gebaut worden, das das Heer, das in Wartestellung lag, verbergen konnte. Als die Juden ihn wieder baten, gab er ein Zeichen. Die Juden wurden plötzlich von dichten Truppenringen umgeben, die ihre Schwerter gezogen hatten, und Pilatus drohte ihnen mit dem Tod, wenn sie ihren Tumult nicht beendeten. Aber sie entblößten ihren Hals und erklärten, sie würden lieber sterben, als ihre Gesetze zu übertreten. Über einen solchen religiösen Eifer gegenüber ihren Gesetzen erstaunt, verlagerte Pilatus die Standbilder sofort von Jerusalem nach Cäsarea." Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, XVIII,55, zit. nach Paul L. Maier, Josephus, eine illustrierte Kurzfassung seiner Hauptwerke, Neuhausen Stuttgart, Hänssler, 1994, S. 267
Im Jüdischen Krieg II,169ff ist eine kürzere Version dieser Erzählung. Sie fügt die Details hinzu, dass die Standarten, die nachts nach Jerusalem gebracht worden waren, auch verhüllt und verborgen wurden, und dass sich die Volksmenge in Cäsarea fünf Tage und Nächte bewegungslos vor Pilatus' »Haus« (möglicherweise Herodes' Palast) auf dem Boden gelagert hatte. Die Truppen, die die Juden im Stadion umringten, waren in der dreifacher Überzahl.
Pilatus wurde 36 n.Chr. auf Veranlassung der Samariter, die sich bei Vitellius, dem Prokonsul von Syrien beschwerten, von ihm abgesetzt.
Josephus berichtete über Pilatus' Absetzung so:
"Die Samariter blieben ebenfalls nicht von Schwierigkeiten verschont. Ein Demagoge überredete sie, mit ihm auf den Berg Garizim zu gehen, wo er ihnen die heiligen Gefäße zeigen wollte, die Mose angeblich dort vergraben hatte. Eine große Menschenmenge traf bewaffnet am Berg ein, aber Pilatus versperrte ihnen mit Kavallerie und schwerbewaffneter Infanterie den Weg nach oben. In dem Zusammenstoss, der folgte, wurden einige getötet, die übrigen verstreut oder gefangengenommen. Pilatus ließ dann die Rädelsführer und bedeutende Mitläufer hinrichten.
Nachdem der Aufstand niedergeschlagen war, ging der samaritische Rat zu Vitellius, dem Statthalter Syriens, und beschuldigte Pilatus des Massakers. Vitellius schickte Marcellus, einen seiner Freunde, der die Kontrolle über Judäa übernehmen sollte, und befahl Pilatus, nach Rom zurückzukehren und sich vor dem Kaiser gegen die samaritischen Vorwürfe zu verteidigen. Pilatus gehorchte Vitellius' Befehlen, da er sich diesen nicht widersetzen konnte, und eilte so nach zehn Jahren in Judäa nach Rom. Aber bevor er in Rom eintraf, war Tiberius bereits gestorben." Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, XVIII,85, zit. nach Paul L. Maier, Josephus, eine illustrierte Kurzfassung seiner Hauptwerke, Neuhausen Stuttgart, Hänssler, 1994, S. 270
Tacitus erwähnt Pilatus, als er über die Christen schrieb:
"Es waren jene Leute, die das Volk wegen ihrer (angeblichen) Schandtaten haßte und mit dem Namen »Christen« belegte. Dieser Name stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. [lat. Christus Tiberio imperante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio affectus erat]"
Tacitus, Annalen XV.44
Auch Philo von Alexandria (Philo Judaeus) (* um 15/10 v. Chr.; † nach 40 n. Chr.) ein jüdisch-hellenistischer Verfasser theologisch-philosophischer und historischer Schriften, berichtet ebenfalls über Pilatus:
"Pilate was one of the emperor's lieutenants, having been appointed governor of Judaea. He, not more with the object of doing honor to Tiberius than with that of vexing the multitude, dedicated some gilt shields in the palace of Herod, in the holy city;"
Philo, ON THE EMBASSY TO GAIUS, XXXVIII.
Der Pilatusstein
"Im Jahr 1961 entdeckte ein italienischer Archäologe, Antonio Frova, in Cäsarea Maritima [einer Hafenstadt am Mittelmeer] eine Inschrift auf einer Steinplatte, die zur Zeit der Entdeckung als ein Teil von Stufen benutzt wurde, die ins Theater von Cäsarea hineinführten. Die lateinische Inschrift hatte vier Zeilen, drei davon waren teilweise entzifferbar. Grob übersetzt lauteten sie so: »Tiberium – Pontius Pilatus – Präfekt von Judäa«.
Dieser beschriebene Stein war vermutlich anfangs im Fundament eines »Tiberiums« (eines Tempels, in dem der Kaiser Tiberius angebetet wurde) und später dann an der Stelle verwandt worden, wo man ihn dann entdeckt hatte. Die Inschrift belegt den Titel »Präfekt« für Pontius Pilatus, zumindest für eine gewisse Zeit während seiner Regierung. Tacitus und Josephus sprechen später von ihm als vom »Prokurator«. Das NT nennt ihn »Statthalter« (Mt 27,2), ein Ausdruck, der beide Titel in sich vereint. Diese Inschrift ist der einzige archäologische Beweis für Namen und Titel von Pilatus." David S. Dockery, Foundations for Biblical Interpretation, S. 360
"Im Sommer 1961 fand eine italienische archöologische Expedition bei Ausgrabungen in Cäsarea einen schzig bis neunzig Zentimeter hohen Stein mit dieser ungeheuer wichtigen Inschrift - der einzige epigraphische Beweis für die Existenz des Pilatus ist damit entdeckt worden." Paul. L. Maier, Pilatus, 1970, R. Brockhausverlag, Wuppertal, 1. Taschenbuchausgabe 1982, S. 86, engl. Originalausgabe "Pontius Pilate", 1968, Doubleday & Co., New York
Der Stein wird im Israelmuseum in Jerusalem aufbewahrt. Die linke Seite des Steines ist weggehauen und weiterverwendet worden, so dass nur "TIUS PILATUS" von Pilatus Namen in der mittleren Zeile übriggeblieben ist.
Die rekonstruierte Inschrift bedeutet (die vermuteten Buchstaben sind in eckige Klammern [] gesetzt):
[DIS AUGUSTI]S TIBERIÉUM
[...PO]NTIUS PILATUS
[...PRAEF]ECTUS IUDA[EA]E
[...FECIT D]E[DICAVIT]
Die Übersetzung der Inschrift vom Lateinischen ins Englische lautet:
To the Divine Augusti [this] Tiberieum
...Pontius Pilate
...prefect of Judea
...has dedicated [this]
Ins Deutsche übersetzt, liest es sich dann so:
Dem göttlichen Augustus [dieses] Tiberieum
...Pontius Pilatus
...Präfekt von Judäa
...hat [dieses] gewidmet
b) Gallio, Prokonsul von Achaja
Apg.18:12-13
12 Als aber Gallio Prokonsul von Achaja war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf und führten ihn vor den Richterstuhl
13 und sagten: Dieser überredet die Menschen, Gott entgegen dem Gesetz zu verehren.
Von Gelehrten wurde bezweifelt, dass Gallio Prokonsul von Achaja gewesen sein soll, da relativ viel über ihn bekannt war (er ist der Bruder des unter Nero wirkenden Philosophen Seneca) aber Tacitus, Seneca und andere berichteten nichts über eine Amtszeit als Prokonsul in Achaia, bis in Delphi in Griechenland zwischen 1885-1910 folgende Inschrift (wiss. Bez.: SIG 2 no. 801 D) auf griechisch gefunden wurde: "... Lusius Junius Gallio, mein Freund, und der Prokonsul von Achaia...".
Sie besteht aus 9 Bruchstücken, wurde in Kalkstein geschrieben und befindet sich im École Francaise d'archéologie in Athen, Griechenland. Das Besondere an dieser Inschrift ist, ist, dass sie relativ genau auf das Jahr 52 n.Chr. datiert werden kann und man somit einen Fixpunkt für die Datierung von Paulus Leben erhält.
Der Professor McRay schrieb über diese Inschrift:
"In Delphi, fanden Archäologen einen Stein welcher einmal wahrscheinlich an der Außenmauer des Tempels des Apollo befestigt war. Beschriftet ist sie mit einer Kopie eines Briefes von Klaudius an die Stadt Delphi, welche Gallio einen Freund von Klaudius und Prokonsul von Achaia nennt." McRay, Archaeology & the New Testament, 1991, S. 226
c) Johanan Ha’galgol ein Kreuzigungsopfer des 1.Jhds.
Dass es im 1.Jhd. in der röm. Provinz Judäa (heutiges Israel) wirklich Kreuzigungen von Juden gegeben hat, wie es das NT bezeugt, zeigen beispielhaft die Überreste eines um ca. 70 n.Chr. gekreuzigten Juden namens Johanan Ha’galgol (J'hochanan Ben Hagkol/Yahanan Ben Ha'galgal). Der Archäologe V. Tzaferis vom Israeli Department of Antiquities and Museums legte in Givát ha-Mivtar (Ras el-Masaref), nördlich von Jerusalem am Skopusberg vier Höhlengräber frei. Diese Familiengräber waren aus weichem Kalkstein herausgehauen. In Grab I, das aufgrund von Tongefäßfunden in das 1. Jhd. n. Chr. datiert wird fanden sich mehrere Ossuarien. Ossuarium 4, das den Namen Yahanan Ben Ha'galgal trägt, enthielt die Knochen eines erwachsenen Mannes und eines Kindes. Die Reste des erwachsenen Skelettes wurden von Dr. N. Haas von der Abteilung für Anatomie an der hebräischen Universität und der Hadassah Medical School untersucht. Er schrieb über den Erwachsenen:
"Beide Fersen waren von einem großen eisernen Nagel durchbohrt. Die Schienbeine waren gebrochen, offenbar mit Absicht. Der Tod war durch Kreuzigung eingetreten." N. Haas, Anthropological Observations on the Skeletal Remains from Giv'at ha-Mivtar. Israel Exploration Journal 20, 1970, S. 20,42
Das nächste Bild ist eine Rekonstruktion der Kreuzigungsszene von Johanan Ha’galgol (oder J'hochanan Ben Hagkol oder auch Yahanan Ben Ha'galgal) mit den Fundsachen: Ossuarium 4 und der von einem 11,5 cm langen Nagel durchbohrte Fersenbeinknochen mit den Resten vom Olivenholz des Kreuzes.
d) Die historische Genauigkeit, besonders des Lukas, ist archäologisch bezeugt
Althistoriker Dr. Jürgen Spieß schreibt zu Lukas:
"Manche Kritiker sagen: Die Bibel will gar nicht historisch verstanden werden. Man schlage einmal den Anfang des Lukasevangeliums auf (Lukas 1,1-4). Dort notiert Lukas für eine bestimmte Person, er sei der Sache sorgfältig nachgegangen und bemühe sich, sie der Reihe nach aufzuschreiben. Da steht auf griechisch »akribisch« (akribos): sorgfältig und geordnet (zeitlich oder thematisch). Also kann man mindestens bei Lukas sagen, daß er historisch ernstgenommen werden will. Wenn man die überlieferten Texte im Neuen Testament mit anderen antiken Texten vergleicht, merkt man, daß sie wirklich historisch sein wollen. Dazu findet man weitere Hinweise in Kapitel 3 des Lukasevangeliums. Da heißt es am Anfang: »Im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus ... und Herodes ...«, und dann werden noch ein paar Namen aufgezählt, die man heute noch entfernt mit der Weihnachtsgeschichte verbindet. Das war die antike Zählweise. »Im fünfzehnten Jahr des X.«, so zählte man in der Antike. Lukas kommt es durchaus auf Genauigkeit an.", Dr. Jürgen Spiess, Jesus für Skeptiker, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1990, 7. Auflage 2002, S.33
Und so geschah es, dass Archäologen in den Berichten des Lukas immer wieder auf historische Fakten stießen. Allein im ersten Vers des dritten Kapitels seines Evangeliums nennt Lukas fünfzehn historische Fakten, die allesamt als echt nachgewiesen wurden:
Lukas 3:1
"Im fünfzehnten Jahr [Fakt Nr.1] der Herrschaft des Kaisers Tiberius [Nr. 2], als Pontius Pilatus [Nr. 3] Statthalter [Nr. 4] in Judäa [Nr. 5] war und Herodes [Nr. 6] Landesfürst [Nr. 7] von Galiläa [Nr. 8] und sein Bruder Philippus [Nr. 9] Landesfürst [Nr. 10] von Ituräa und der Landschaft Trachonitis [Nr. 11 und 12] und Lysanias [Nr. 13] Landesfürst [Nr. 14] von Abilene [Nr. 15] ..."
Bis hinein in die Einzelheiten, zum Beispiel die verschiedenen Rangbezeichnungen römischer Beamter in den verschiedenen Städten und Provinzen des Reiches, ist Lukas als Geschichtsschreiber genau.
So berichtet er, daß es in Thessalonich "Stadtpräfekten" gab (Apostelgeschichte 17,6; politarches , Luther übersetzt: "Oberste"), in Malta einen "Ersten" (28,7; protos, Luther: "Oberster"), in Philippi zwei "Prätoren" (16,20; strategoi, Luther: "Stadtrichter") und in Ephesus einen "Stadtschreiber" (19,35; grammateus, Luther: "Kanzler"). Alle diese unterschiedlichen Bezeichnungen sind aufgrund von archäologischen Funden, von Inschriften die an den jeweiligen Orten entdeckt wurden, bestätigt worden.
Sir William Ramsay, ein bedeutender Archäologe, schrieb über Lukas:
"Lukas ist ein Historiker ersten Ranges; nicht nur seine faktischen Aussagen sind verbürgt, er besitzt eine echte historische Gesinnung; er richtet seine Gedanken fest auf die Idee und den Plan die in der geschichtlichen Entwicklung regieren, und paßt das Ausmaß seiner Abhandlung der Bedeutung jeder Begebenheit an. Er ergreift die wichtigsten und bedeutendsten Geschehnisse und zeigt ausführlich ihr wahres Wesen auf, während er vieles, was für seine Zwecke wertlos war, nur leicht berührte oder ganz ausließ. Kurz gesagt, dieser Autor sollte zu den allergrößten Historikern gerechnet werden." Sir William Ramsay, The Bearing of the Recent Discovery on the Trustworthiness of the New Testament, London, 1915, S.222
F. F. Bruce sagte zur historisch exakten Arbeitsweise von Lukas, die sich durch alle seine Schriften zieht: "Es ist anzunehmen, daß ein Mann, dessen Exaktheit in Angelegenheiten, die uns zur Prüfung offenliegen, erwiesen ist, auch da mit aller Sorgfalt vorgegangen ist, wo wir nicht mehr die Möglichkeit haben, seine Angaben zu überprüfen ... Der Bericht des Lukas erlaubt es uns, ihn als Schriftsteller von gewohnheitsmäßiger Genauigkeit zu bezeichnen.“ F.F.Bruce, Die Glaubwürdigkeit der Schriften des Neuen Testamentes, S.97
Der Tübinger Neutestamentler und Experte für die Geschichte des frühen Judentums zur Zeit des Neuen Testaments Martin Hegel kam über Lukas zu folgendem Ergebnis: "Er ist nicht bloßer >Erbauungsschriftsteller<, sondern ernst zu nehmender Historiker und Theologe zugleich. Seine Berichterstattung hält sich durchaus im Rahmen dessen, was in der Antike als zuverlässig galt. Das bedeutet: Die Versicherung des Verfassers Lk 1,3 [Lk 1,3-4 ...hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, hochedler Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.] ist mehr als bloße Konvention, sie enthält ein echtes theologisch-historisches Programm." Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, Stuttgart, 1979, S.56
Und Hengel nochmals zum lukanischen Gesamtwerk: "Wir wissen zu wenig, als daß wir es uns leisten könnten, in hyperkritischer und d.h. zugleich geschichtsfeindlicher Attitüde Quellenaussagen ohne genau ins Detail gehende Prüfung von vornherein zu verwerfen, d.h. wertvolle, da spärliche Quellen vor eingehender Prüfung zu "zerstören". Dies geschieht, wenn man Lukas ohne wirkliche Begründung vorwirft, er habe diese oder jene Fakten frei erfunden. Eine derartige Haltung müßte heute, nach über 200 Jahren "historisch-kritischer" Arbeit am Neuen Testament und den damit verbundenen Sünden, eher als unkritisch-unhistorisch bezeichnet werden. Die eigentliche Gefahr in der (Evangelien- und) Actaauslegung ist nicht mehr eine ängstliche Apologetik, sie führt inzwischen in der wissenschaftlichen Arbeit weithin ein Schattendasein, sondern die hyperkritische Ignoranz und Arroganz, die - oft in Verbindung mit einer enthemmten Phantasie - jedes Verständnis für die lebendige geschichtliche Wirklichkeit verloren hat.
Die Apostelgeschichte halten wir gegen eine verbreitete Anti-Lukas-Scholastik für ein Werk, das bald nach dem 3. Evangelium von Lukas dem Arzt verfaßt wurde, dem Reisebegleiter des Paulus ab der Kollektenreise nach Jerusalem. D.h., sie ist, zumindest zum Teil, als Augenzeugenbericht für die Spätzeit des Apostels, über die wir aus den Briefen nur wenig erfahren, eine Quelle aus erster Hand." Martin Hengel, Ana Maria Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Mohr Siebeck, S.10
Es gibt noch eine Fülle an weiteren Informationen über die Archälogische Zuverlässigkeit des Neuen Testaments, jedoch würde dies alles auflisten, den Rahmen sprengen. Hier sei bemerkt, dass sich in den Quellen und Referenzen weitere Informationen über diese Themen bieten.
Wären die Evangelien frei erfunden, würden sie völlig anders aussehen
W.S.Peake hinterfragte die Ansicht mancher, die Evangelien würden mit Jesu Lehre nichts Neues bringen, das hätte es alles früher schon einmal bei anderen gegeben:
"Manchmal heisst es: 'Alles was Jesus sagte, war vor ihm schon von anderen gesagt worden.' Nehmen wir einmal an, daß das stimmt; was folgt dann? Originalität kann ein Verdienst sein oder auch nicht. Wenn die Wahrheit bereits ausgedrückt worden ist, liegt der Verdienst in ihrer Wiederholung und darin, sie neu und umfassender anzuwenden. Aber es gibt hier noch andere Dinge, die zu beachten sind. Wir haben keinen anderen Lehrer, der so vollständig das Triviale, das zeitlich Begrenzte, das Falsche aus seinem System entfernte, keinen der nur das Ewige und Universale wählte und zu einer Lehre verband, in der alle diese grossen Wahrheiten ihr angestammtes Zuhause finden. Diese Parallelen von den Lehren anderer zu der Lehre Christi werden aus dieser und aus jener Richtung zusammengetragen; wie kommt es aber, daß keiner dieser Lehrer mit einer Parallele zu der ganzen Lehre Christi aufwarten kann? Wie kommt es, daß von ihnen Wahrheiten mit Trivialem; Großes mit Absurdem vermischt werden? Wie kommt es, daß ein Zimmermann, ohne besondere Bildung, unwissend in der Weisheit und Kultur der Griechen, geboren aus einem Volk, dessen große Lehrer eng, intolerant, pedantisch und gesetzlich waren, der höchste Religionslehrer wurde, den die Welt je kannte, und die bedeutendste Persönlichkeit der Weltgeschichte?" W.S. Peake, Christianity. It's Nature and it's Truths, London, Duckworth, 1908, S.226f
Dr. Parker argumentierte, dass es unmöglich sei, sich einen Jesus auszudenken: „Man messe die religiösen Lehren Jesu an denen der Zeit und des Landes, da er lebte, oder an denen irgendwelcher Zeit und irgendeines Landes! Man bedenke, welche Wirkung seine Worte und Gedanken in der Welt hervorgebracht haben! Die größten Geister, die reichsten Gemüter haben kein erhabeneres Ziel, keinen besseren Weg aufgezeigt als seinen Weg der vollkommenen Gottes- und Nächstenliebe. Wenn uns gesagt wird, daß solch ein Mensch nie gelebt habe, dann ist die ganze Geschichte eine Lüge. Angenommen, Plato und Newton hätten nie gelebt. Aber wer tat ihre Wunder und dachte ihre Gedanken? Welcher Mensch könnte einen Jesus gemacht haben? Kein anderer als Jesus." Dr. Parker zit. bei: Sadhu Sundar Singh, Geheimnisse des inneren Lebens, 6. Auflage, Heinrich Majer
Verlag, Basel, 1958, Kapitel 8. Leben in Christus, S. 39
Ähnlich formulierte der engl. Philosoph und Logiker John Stuart Mill: "Aber wer unter seinen Schülern oder unter den von ihnen Bekehrten war imstande, die Jesus zugeschriebenen Reden zu erfinden oder das Leben und den Charakter, wie sie uns in den Evangelien entgegentreten, zu erfinden?" John Stuart Mill, Drei Essays über Religion, Stuttgart, Reclam, 1984, S.209f
Auch C.S. Lewis nahm Stellung gegen jene, die meinten, die Evangelien würden hauptsächlich aus erfundenen Legenden bestehen:
"Als Literaturhistoriker bin ich restlos davon überzeugt, daß die Evangelien keine Legenden sind - was immer sie auch sonst sein mögen. Ich habe sehr viele Legenden gelesen, und es ist für mich eindeutig, daß die Jesusgeschichten nicht in diese Gattung passen. Sie sind nicht kunstvoll genug, um Legenden zu sein. In der Darstellung ihrer Inhalte sind sie unbeholfen, sie arbeiten die Dinge nicht sauber heraus. Der größte Teil des Lebens Jesu bleibt uns genau so unbekannt wie das Leben irgendeines seiner Zeitgenossen. Kein Volk, das einen seiner Helden zum legendären Heiligen erheben wollte, würde so etwas zulassen. Auch kenne ich, außer einigen Teilen aus den platonischen Dialogen, in der Literatur des Altertums keinerlei Gespräche, wie sie etwa im Johannesevangelium vorkommen. Bis fast in unsere Zeit gab es sie einfach nicht. Erst vor etwas hundert Jahren, mit dem Aufkommen des realistischen Romans, fand das Gespräch Eingang in die Literatur.
Und noch ein anderer Aspekt: In der Geschichte von der Ehebrecherin wird uns erzählt, Jesus habe sich gebückt und mit dem Finger etwas in den Staub gekritzelt. Joh 8:6 Dies aber sagten sie, ihn zu versuchen, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.] Dieser Hinweis bringt nichts ein. Niemand hat je eine Lehre darauf gegründet. Aber solch kleine unbedeutende Details nur zu erfinden - das wäre ein ganz moderner Kunstgriff. Ist nicht die einzige Erklärung für diese Schilderung die, daß es sich wirklich so zugetragen hat? Der Schreiber erzählte es, einfach weil er es gesehen hatte." - Gott aus der Anklagebank, C.S Lewis
Im engl. Original ist dieses Essay entnommen aus Asking Them Questions, Third series, herausgegeben von Ronald Selby Wright (Oxford University Press, 1950), S.95-104
Der Historiker Will Durant besaß große Erfahrung im Umgang mit der Überprüfung historischer Ereignisse und analysierte sein Leben lang antike Aufzeichnungen. Er schrieb über die Meinung einiger, die Evangelien seien erfunden worden:
"Obwohl die Schreiber der Evangelien sich ganz klar zu Jesus bekennen, berichten sie doch von vielen Begebenheiten, die verschwiegen worden wären, wenn es sich bei den Evangelien um reine Dichtung handeln würde, zum Beispiel das Buhlen der Apostel um die höchsten Plätze im Himmelreich [Mt 20,20–28; Mk 10,35–45], ihre Flucht nach Jesu Festnahme [Mt 26,47-56; Mk 14,43–50], die Verleugnung des Petrus [Mt 26,69-75; Mk 14,66–72; Lk 22,56–62; Joh 18,15–18.25–27], die Bemerkungen einiger Zuhörer Jesu gegenüber bezüglich seines möglichen Wahnsinns [Mk 3,21; Joh 10,20], sein verzweifelter Schrei am Kreuz [Mt 27,46; Mk 15,34]. Beim Lesen spürt man, wie real die Szenen und Handelnden beschrieben werden. Sollte eine Handvoll einfacher Männer tatsächlich eine solch gewaltige Persönlichkeit wie Jesus, eine solch erhabene Ethik und eine solch beeindruckende Idee von Brüderschaft unter den Menschen aus dem Nichts erfunden haben, grenzte dies an ein weit unglaublicheres Wunder als irgendein in den Evangelien beschriebenes Wunder. Auch nach zwei Jahrhunderten historischer Bibelkritik sind das Leben, Reden und Wesen Christi unbeschadet geblieben. Er ist die faszinierendste Person in der Geschichte der westlichen Welt." Will Durant, Caesar and Christ, the Story of Civilisation, New York, 1944, S.557
Ben Witherington III, Professor für Neues Testament in Wilmore, Kentucky: "Ein jüdischer Handwerker wurde von einem römischen Statthalter namens Pontius Pilatus gekreuzigt. Er stand von den Toten auf, erschien mehreren Personen und gründete eine neue Gemeinschaft von Nachfolgern, nachdem seine früheren Anhänger fast alle Hoffnung verloren hatten. Und das im damaligen Orient - einer Kultur, in der sich alles um Ehre und Schande drehte und heute noch dreht. Der Tod am Kreuz war zu dieser Zeit die schändlichste Art zu sterben und absolut kein Märtyrertod, der Ruhm einbrachte. Damals glaubte man, dass die Art des Todes den Charakter der betroffenen Person am besten widerspiegele. Demnach war Jesus ein Schurke, ein Landesverräter - einer, der eine Strafe verdient hatte, die sonst nur aufständischen Sklaven zugemutet wurde. Für die Römer war es die extremste Strafe, und kein römischer Bürger durfte so getötet werden.
Es hätte keinen Sinn ergeben, eine Geschichte von einem gekreuzigten und auferstandenen Mann zu erfinden, der der Retter der Welt sein soll. Es sein denn, man ist überzeugt davon, dass es den geschichtlichen Tatsachen entspricht. Denn die spontane Reaktion auf diese Botschaft wäre so, wie es der früheste Verfasser neutestamentlicher Briefe, Paulus, beschrieben hat: "Für Juden ist das eine Gotteslästerung, für die anderen barer Unsinn." (1. Korinther 1,23)" Ben Witherington III, Biblical Archaeology Review 37/2, 2011, zit. nach: Faszination Bibel, März-Mai 2012, S.20
Schlussfolgerung
F.F.Bruce, Professor für Bibelkritik und Exegese an der University of Manchester, schrieb: "Es gibt keine Sammlung antiker Literatur in der Welt, die sich einer so guten textlichen Bezeugung erfreut wie das Neue Testament." The Books and the Parchments, 1963, S.178
und an einer anderen Stelle: "Wir haben viel mehr Unterlagen für die neutestamentlichen Schriften als für die meisten Schriften der klassischen Autoren, deren Echtheit anzuzweifeln niemand einfallen würde. Wäre das Neue Testament eine Sammlung von weltlichen Schriften, so wäre seine Echtheit im allgemeinen über allen Zweifel hoch erhaben. Es ist eine seltsame Tatsache, dass Historiker den neutestamentlichen Schriften oft viel bereitwilliger Vertrauen geschenkt haben als viele Theologen." F.F. Bruce, Das Neue Testament: glaubwürdig, wahr, verläßlich, Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell, 1997, übs. des engl. Originals: The New Testament Documents - are they reliable?, 1943
"Es gibt kein anderes Dokument in der Antike, das literarisch so gut bezeugt und durch so viele historische Daten abgesichert ist, anhand derer eine vernünftige Entscheidung getroffen werden kann. Wer ehrlich ist, kann eine solche Quelle nicht einfach abtun. Jegliche Skepsis hinsichtlich der historischen Gewährsleute des Christentums basiert auf irrationalen [d.h. in diesem Fall alles Übernatürliche von vornherein ablehnenden] Vorurteilen." Dr. Clark Pinnock, Set Forth Your Case, 1968, S.58
John Warwick Montgomery, Professor für Rechts- und Geisteswissenschaften, Geschichte, Kirchengeschichte und Christliche Philosophie: "…dem so entstandenen Text des Neuen Testamentes skeptisch gegenüberzustehen hieße, die gesamte klassische Antike in dunkle Vergessenheit geraten zu lassen; denn kein Dokument des Altertums ist bibliographisch so gut belegt wie das Neue Testament." History and Christianity (1971), S. 29.
Fenton John Anthony Hort, einer der bedeutendsten Textkritiker aller Zeiten, er verbrachte 28 Jahre seines Lebens mit der Erforschung des neutestamentlichen Textes, schrieb: "In der Vielfalt und Fülle der Belege, auf die er sich stützt, ist der Text des Neuen Testamentes absolut unantastbar und damit einzigartig unter den Prosaschriften des Altertums." Way, Truth and the Life, 1894, S.561
Sir Frederic G. Kenyon, ehemaliger Direktor und Bibliotheksleiter des Britischen Museums und unbestrittene Autorität auf dem Gebiet der biblischen Handschriften, erklärt: "Es kann nicht stark genug betont werden, dass der Text der Bibel seiner Substanz nach gesichert ist, dies gilt besonders fürs Neue Testament. Die Zahl der Manuskripte des Neuen Testaments, seiner ersten Übersetzungen und seiner Zitate seitens der ältesten kirchlichen Verfasser ist so gross, dass es praktisch feststeht, dass die echte Lesart jeder strittigen Stelle in dem einen oder anderen dieser alten Manuskripte erhalten geblieben ist. Das kann man von keinem anderen Buch der Welt sagen." F.G. Kenyon, Our Bible and The Ancient Manuscripts, New York, 1941, S.23
Howard F. Vos, Professor für Geschichte und Archäologie:
"Vom Standpunkt der literarischen Fakten aus ergibt sich als einzig logische Schlußfolgerung, daß die Zuverläßigkeit des Neuen Testamentes wesentlich sicherer ist als bei jedem anderen Schriftstück der Antike." Howard Vos, Can I Trust My Bible, Chicago, 1963, S.176
Nach 40jähriger Forschungsarbeit stellte Prof. Kurt Aland vom Institut für neutestamentliche Textforschung an der Universität Münster zur Überlieferung des Neuen Testaments fest: "Der Text des Neuen Testaments ist hervorragend überliefert, besser als der jeder anderen Schrift der Antike; die Aussicht, dass sich Handschriften finden, die seinen Text grundlegend verändern, ist gleich Null." Kurt Aland, Das Neue Testament zuverlässig überliefert. Die Geschichte des neutestamentlichen Textes und die Ergebnisse der modernen Textforschung, Reihe: Wissenswertes zur Bibel, Teil 4, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, 1986, S.28
Schliesslich wurde auch der Atheist C.S.Lewis Christ:
"Sie müssen sich vorstellen, wie ich allein Abend für Abend in jenem Zimmer in Magdalen saß und, wann immer mein Geist sich auch nur für eine Sekunde von meiner Arbeit erhob, das stetige, unaufhaltsame Nahen dessen spürte, dem nicht zu begegnen ich mir so ernstlich wünschte. Was ich so sehr fürchtete, hatte mich endlich eingeholt.
Im Trinity Term 1929 lenkte ich ein und gab zu, daß Gott Gott war, und kniete nieder und betete; vielleicht in jener Nacht der niedergeschlagenste und widerwilligste Bekehrte in ganz England.
Ich sah damals noch nicht, was mir heute als das Leuchtendste und Offensichtlichste erscheint; nämlich die göttliche Demut, die einen Bekehrten selbst unter solchen Bedingungen annimmt. Der verlorene Sohn [Lk 15: 11-32] ging wenigstens auf seinen eigenen Füßen nach Hause. Doch wer könnte jene Liebe gebührend anbeten, die die hohen Tore einem Abtrünnigen öffnet, der um sich tretend, sich windend, trotzig und in allen Richtungen nach einer Chance zur Flucht Ausschau haltend hereingebracht wird?
Die Worte compelle intrare [Lk 14,16-24: "Da sagte der Herr zu dem Diener: '[...] und nötige die Leute zu kommen, damit mein Haus voll wird'"], zwinge sie einzutreten sind von bösen Menschen so mißbraucht worden, daß uns bei ihnen schaudert; doch richtig verstanden loten sie die Tiefe der Gnade Gottes aus. Die Härte Gottes ist freundlicher als die Weichherzigkeit der Menschen, und sein Zwang ist unsere Befreiung."
C.S.Lewis, Überrascht von Freude, 1992, Brunnen Verlag, Gießen, übs. der engl. Ausgabe »Surprised by Joy. The shape of my early life«, S.274
Quellen: http://cms.bibelbund.de/theologische-aufsaetze/690-textus-receptus-oder-nestle-aland.html
http://lannopez.files.wordpress.com/2011/05/zuverlaessigkeit-des-neuen-testamentes1.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Novum_Testamentum_Graece
http://apologia.de/
http://jesus-der-christus.info/histnt.htm
Referenzen: Der Text des Neuen Testaments - Einführung in die wissenschaftliche Ausgaben und in Theorie wie Praxis der modernen Textkritik, Kurt Aland und Babara Aland
http://jesus-der-christus.info/histnt.htm